Das neue Album der Sängerin Mísia

Der Fado und das pure Leben

06:20 Minuten
Die portugiesische Sängerin Mísia sitzt in einem Sessel, sie trägt eine Sonnenbrille und blickt nach von.
Verkörperung des Weltkulturerbes Fado: Die portugiesische Sängerin Mísia hat nach einer Krebserkrankung ein neues Album veröffentlicht. © Imago / EFE / Chema Moya
Von Katrin Wilke · 13.06.2019
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Die portugiesische Sängerin Mísia lebt und liebt den Fado. Sie gilt dabei als äußerst beherzt und freigeistig. Auf ihrem neuen Album "Pura Vida" verarbeitet sie eine existenziell schwierige Etappe ihres Lebens.
"Die interessante Erfahrung mit der Bassklarinette im ersten Stück des Albums ist hervorzuheben", sagt die portugiesische Sängerin Mísia. "Weil das Leben in verschiedenen Religionen mit einem göttlichen Atemzug beginnt, wollte ich ein Blasinstrument. Und das mit dem breitesten Tonregister ist die Bassklarinette. Nur mit ihr und Gesang ein Album zu beginnen, ist ein Aufruf zum aufmerksamen Zuhören. Das zu unterbrechen, was man gerade tut. Hört mir zu und achtet auf den Unterschied – nicht den zwischen mir und anderen Menschen, sondern darauf, was die letzten zwei Jahre mit mir gemacht haben!"
Dieser ungemein eindringliche, getragene Opener des Albums "Pura Vida" scheint so gar nichts gemein zu haben mit einer früheren, schnelleren Fassung, aufgenommen mit der Österreicherin Christina Pluhar und ihrem Alte-Musik-Ensemble L'Arpeggiata. Da intonierte Mísia diesen von ihr mit einem Text versehenen Fado namens "Schwarze Rose an meiner Brust" nahezu heiter.

Genesung von einer schweren Erkrankung

Zum Frohsinn findet die Charaktersängerin aus Porto gerade mit voller Kraft und Lust zurück. Eine zwei Jahre dauernde Krebserkrankung gab die heute wie das blühende Leben wirkende, genesene Künstlerin erst kürzlich offiziell preis. Trotz der Schwere hatte sie es vermocht, ohne Unterbrechung weiterzuarbeiten und auch aufzutreten. Das neue Album ist ein Zeugnis dieser besonderen Lebensetappe und einer Wiedergeburt gleichermaßen.
"Ich wäre nicht die Person, die ich heute bin, hätte ich nicht diese zwei schweren Jahre durchgemacht. Dieser Leidensweg beeinflusste nicht nur die Liedtexte, die viele Leute zu diesem Album beisteuerten, sondern auch die Arrangements. Die E-Gitarre klingt nicht irgendwie poppig oder sonstwie modern, sondern einfach sehr rau und hart. Steht sie doch in starker Beziehung zu dieser Erfahrung. Ich sage immer: Die elektrische Gitarre evoziert die Hölle und die portugiesische Gitarre mit ihrer kristallinen, spirituellen Anmutung den Himmmel."

Das pure Leben zwischen Himmel und Hölle

Und so treffen besagte "Himmel- und Hölle-Gitarren" schon mal direkt aufeinander. Wie im Song Ausencia. Raffiniert instrumentiert und arrangiert von Mísias musikalischem Langzeitpartner und Produzent des Albums, dem Neapolitaner Fabrizio Romano. Im Video zum Lied liegt die Sängerin zusammengekauert auf dem nackten Boden, kurz darauf wirft sie elegant und besonnen die Klamotten des ausrangierten Liebhabers aus dem Fenster.
Das ganze "pure Leben" spielt sich zwischen Himmel und Hölle, Wohltat und Übel ab. Und so auch die 13 portugiesisch- und spanischsprachigen, mit Tango und anderen Liedkulturen anbändelnden Songs. Unterstützt wird die Sängerin dabei durchaus hilfreich von ähnlich ambivalenten Seelenverwandten: Der von Mísia geschätzte Tangobarde und Ex-Rocker Daniel Melingo etwa, oder der Barcelonaer Gitarrist Raúl Refree. Der in Spanien gefragte Produzent arbeitete unter anderem mit Starsängerin Rosalía. Er kam samt E-Gitarre mit Mísia in Lissabon rein zufällig für eine Liedlänge zusammen, als diese mit einer generationenübergreifenden Crew just am Album werkelte.

Kein wirkliches Fado-Album

Kein wirkliches Fado-Album, wie sie sagt: "Es sind traditionelle Fado-Musiken, doch mit Arrangements für völlig fado-unabhängige Musiken. Die vorhandenen Melodien gelangen beim Spielen in verschiedene Genres. Und so bat ich auch Fabrizio vorab, das Ganze als pure Musik zu behandeln. Pura vida - pura música! Dennoch meinen die Kritiker in Portugal, das Album sei voller Fado. Also Fado im Sinne von Schicksal, von vitaler Kraft, von gewisser Tragödie und Härte, die einige Instrumente mit sich bringen. Von daher ist der Fado immer da, auch in meiner Stimme."
Mísia füllt die Bezeichnung Weltkulturerbe, die den Fado seit 2011 ziert, mit ihrer künstlerischen Herangehensweise fürwahr mit Leben.
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