Gesungene Sehnsucht

Von Christiane Gerischer · 20.01.2006
Die Sängerin Misia hat den Fado wieder populär gemacht. Sie selbst sagt von sich, dass sie den Fado wie ein Ritual, wie eine Messe erlebe. Nun geht die Königin des Fado auf Deutschland-Tour.
Diesen Tango singt Mísia, die eigentlich für ihre Interpretationen moderner Fados berühmt ist. Ja sie hat zeitgenössischen Fado überhaupt wieder in europäische Konzertsäle gebracht. Wenn sie heute neben Fados auch Boleros, Chicanos oder Tangos singt, dann hat das auch biografische Gründe.

"Meine Mutter war Katalanin aus Barcelona, deshalb lernte ich von klein an Portugiesisch, Spanisch und ein bisschen Katalan. Meine Mutter lebt heute noch in Barcelona und ihr habe ich diese CD gewidmet. Sie war klassische Balettänzerin und von ihren Tourneen hat sie immer Schallplatten aus anderen Ländern mitgebracht, Boleros, Tangos, alle möglichen Arten von Musik, darüber habe ich gelernt, neugierig zu sein und Musik anderer Kulturen zu mögen."

Mísia begeistert mit ihrem hochemotionalen Gesang. Sparsam begleitet inszeniert sie Fado und andere Genres als eine Stilisierung von Emotion. Auch die Liebe zur Inszenierung hat persönliche Geschichte: Schon als Kind hat sich Mísia gleich nach der Schule auf die Koffer ihrer Mutter gestürzt, um sich mit ausgefallenen Kostümen und Hüten zu verkleiden. Auch ihr aktuelles Programm ist eine besondere Performance. "

"Auf dieser aktuellen CD spielt alles in einem Hotelzimmer, wir alle ich, die Musiker, das Publikum haben uns dieses Hotel ausgewählt. Ich bin also eine Sängerin in diesem Hotel, die dort Tangos, Boleros und Fados singt. Es macht mir großen Spaß nicht nur Fado zu singen, ich habe zur Zeit regelrecht ein Bedürfnis nach diesem Dialog zwischen Fado und anderen musikalischen Ausdrucksformen."

Nicht nur Mísias Mutter lebt in Barcelona, auch sie selber hat etliche Jahre in Barcelona und Madrid verbracht und ist dort tanzend und singend in Revuetheatern aufgetreten. Im Rückblick auf diese Zeit bezeichnet sich Mísia als eine Art weiblicher Crooner. Erst als sie als Sängerin soviel Erfolg hat, dass sie sich ihr Repertoire selber aussuchen kann, entscheidet sie sich für den Fado und für die saudade, die Sehnsucht, die sie selber für Portugal und den Fado empfindet. "

"Ich bin in Porto geboren und habe dort gelebt, bis ich zwanzig war. Mein ganzes inneres Szenario ist also portugiesisch, ich glaube diese Dinge begleiten einen das ganze Leben lang. Zu dieser Zeit habe ich manchmal Fados gesungen, aber eben nicht professionell, ich war auch gar nicht daran interessiert, eher sehr ambivalent. Dann ging ich aus familiären Gründen nach Barcelona, aber je länger ich von zu Hause weg war, um so mehr fühlte ich mich als Portugiesin, hatte Sehnsucht nach den Gerüchen, nach der Musik, dem Klang der portugiesischen Gitarre und sogar nach Fado."

Es war nicht irgendein Fado, für den sich Misia Anfang der neunziger Jahre entschied. Von Anfang an versammelte sie um sich Schriftsteller und Poeten, deren Texte Musikerfreunde für sie vertonten. Poesie nennt Mísia ihr erstes Instrument. Darüber hinaus zeichnet sie heute auch für die musikalischen Arrangements verantwortlich. In Portugal hat Mísia zwar ihre Fangemeinde, aber allgemeine Anerkennung für ihre Version von Fado bekam sie eher spät und nicht zuletzt durch ihre Erfolge auf anderen europäischen Bühnen. Erfolge, die sich Mísia mit ihrer Darstellung von Gefühlen erklärt.

"Ich glaube es liegt an zwei Dingen, zum einen ist meine Ausdruckskraft auf der Bühne sehr natürlich, sehr rituell, denn ich zelebriere Fado, wie ein Ritual, wie eine Messe, es geht um Leben und Tod, um Freude und Trauer, es geht um universelle Gefühle, auch wenn sich das alles in Portugiesisch abspielt, Fado ist eine urbane Ausdrucksform und das Publikum versteht sie, es versteht alles. Und obwohl alles sehr artifiziell erscheint, entspricht gerade diese Künstlichkeit meinem Naturell."

Mísia ist eine Künstlerin in der dritten Generation, auf der Bühne fühlt sie sich wohl und sicher. Erst die Performance gibt ihr die Möglichkeit Gefühlen Ausdruck zu verleihen, deren Heftigkeit, wie sie meint, im realen Leben vielleicht sogar erschrecken würden. Durch das Artifizielle gewinnt die ewige Sehnsucht der portugiesischen Saudade Eleganz und Leichtigkeit und die ermöglichen emotionales Schwelgen bei Konzerten von Mísia.

"Bei dieser Show Drama Box wird mein Talent zur Inszenierung sehr deutlich, die Bühne verwandelt sich in ein Hotel, die Musiker sind Menschen in diesem Hotel, ich auch, es ist wie in einem Film oder einem Theaterstück, selbst wenn ich im Publikum nachfrage ob Portugiesen anwesend sind, frage ich, ob es heute abend im Hotel Drama Box portugiesische Gäste gibt. "