Damon Galgut über "Das Versprechen"

Die Unfähigkeit, das Richtige zu tun

15:29 Minuten
Der Schriftsteller Damon Galgut steht mit verschränkten Armen vor einer gelben Plane und blickt freundlich in die Kamera.
Damon Galgut, Autor und Gewinner des Booker Prize 2021, beim Hay Festival am 29. Mai 2022 in Hay-on-Wye, Wales. © Getty Images / David Levenson
Damon Galgut im Gespräch mit Andrea Gerk |
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Aufgewachsen im "Zentrum der Apartheidsmaschine", sagt Damon Galgut, habe er in seinem aktuellen Roman genau diesen Ort gewählt, um den Umgang der Generationen mit diesem Erbe zu beschreiben. Es gehe um das gebrochene Versprechen, etwas aufzugeben.
Damon Galguts Roman „Das Versprechen“ ist das Epochenporträt einer südafrikanischen Familie, einer weißen Familie. In diesem Roman, für das Galgut vor wenigen Monaten mit dem Booker Prize ausgezeichnet wurde, geht es um eine Verpflichtung. Auf ihrem Totenbett bekommt die Mutter von ihrem Mann die Zusage, dass sie, eine weiße Familie, der Hausangestellten Salome - sie ist schwarz - das kleine Haus überschreiben, in dem sie ohnehin bereits lebt. Doch der Witwer hält dieses Versprechen nicht ein.
Diese Konstellation des Romans, eine weiße Familie im Wohlstand und ihr Umgang mit der Apartheid und der damit manifestierten sozialen Spaltung sei sehr dicht an seiner eigenen Familienkonstellation, so Galgut: "Meine Familie war nicht allzu sehr in die Apartheid verstrickt, aber natürlich dennoch", sagt Galgut. Und genau so sei es auch in seinem Roman: "Eine ganz gewöhnliche Konstellation wollte ich zeigen: eine weiße Familie, die so war wie die Familie, in der ich aufgewachsen bin und in der viele meiner Freunde aufgewachsen sind."

Die Folgen der Weigerung, Wohlstand aufzugeben

Die Weigerung des Vaters und der Familie sei hier nun eben die Weigerung, genau das aufzugeben, was sie haben und wie sie lebten, erklärt Galgut. "Das ist sehr typisch für südafrikanische Familien. Sie hatten sehr viel, sehr großen Wohlstand und waren nicht bereit, das aufzugeben." Psychologisch ist genau das eben immer so: Etwas aufzugeben, das man sicher habe, um etwas anderes zu erreichen, so der Autor. Diese Weigerung sei eben nicht der Beleg, dass die Familie nun in ihrer Natur böse sei oder in ihrem Charakter, sondern es sei eine Unfähigkeit, das Richtige zu tun: "Und beides ist eben nicht dasselbe."

Kindheit im Zentrum der Apartheid

Seinen Roman im Herzen Südafrikas spielen zu lassen, in der Region um Pretoria, habe er entschieden, weil diese Region eine ganz besondere Bedeutung für ihn habe: "Ich habe meine Kindheit dort verbracht im absoluten Zentrum der Apartheidsmaschine."

Es war nicht nur das Zentrum der Regierung, sondern auch des Militärs und überall, wo sie waren, gab es Militär auf den Straßen, alles war voller Uniformen, also es war eine sehr strenge, eine sehr calvinistische Atmosphäre, die dort herrschte. Und für ein Kind wie mich, das sich anders fühlte als die anderen um es herum, war es ein beständiges Trauma, unter diesen Umständen aufzuwachsen."

Die Auslassung in dieser Geschichte, in diesem Roman, die Stimme der Schwarzen hier nicht wiederzugeben, habe er bewusst vorgenommen, erklärt Galgut. Diese Nichtwahrnehmung gehe in der Geschichte eben genau so weit, weil eben viele Weiße in Südafrika die Stimmen und Haltungen Schwarzer dort genau nicht wahrnähmen: "Das ist so eine grundsätzliche Sache: Wahrscheinlich kann man als weißer Südafrikaner sich nicht mit einer schwarzen Person beschäftigen, weil man sonst das ganze System der Apartheid nicht aufrecht erhalten kann."

Veränderungen in den Generationen

Die Idee seines Buches bestand zunächst darin, die Veränderung in der Familie darzustellen, sagt Galgut: "Doch dann habe ich gemerkt: Ich möchte auch die Veränderung in der Gesellschaft, in der Generation beschreiben. Und ich habe das dann so gelöst: Es gibt ja einige Beerdigungen, bei denen sich die Protagonistinnen immer wieder treffen, und diese sind dann so ein Fenster, in dem ein großer Zeitsprung stattfindet, und ich wollte es dem Leser überlassen, diese Zeitsprünge selbst auszufüllen."
Auf die Gegenwart in Südafrika und auf die Zukunft des Landes blickt Damon Galgut mit Skepsis: "Ich bin besorgt, was die Zukunft von Südafrika anbetrifft, nicht nur weil unsere finanziellen Ressourcen gestohlen oder verschwendet worden sind, sondern weil es einfach keine Parteien gibt, die an dieser verworrenen Situation etwas ändern könnten. Wir müssen uns auf sehr, sehr verstörende Zeiten einstellen. Wenn man vielleicht einen Trost suchen will, dann würde ich sagen: Die ganze Welt muss sich auf solche verstörenden Zeiten einrichten."
Übersetzt wurde das Gespräch von Dirk Fuhrig.
(sru)
Damon Galgut: "Das Versprechen"
Übersetzt aus dem Englischen von Thomas Mohr
Luchterhand Verlag, München 2022, 14,99 Euro
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