Corine Pelluchon: "Manifest für die Tiere"

Das Leid der Tiere beenden

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Auf einem grünen Cover sind Scherenschnitte eines Tiers und eines Menschen zu sehen, dazu der Titel "Manifest für die Tiere".
Betont die Ähnlichkeit von Mensch und Tier: Das "Manifest für die Tiere". © C. H. Beck / Deutschlandradio
Von Ramona Westhof · 17.12.2020
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Die französische Philosophin Corine Pelluchon fordert mit aller Konsequenz die Abkehr von der Ausbeutung von Tieren – und gibt dazu auch praktische Handlungsanleitungen.
Das Buch der französischen Philosophin Corine Pelluchon ist exakt das, was sein Titel verspricht: Es ist ein Manifest für Tierrechte, mehr noch: für die vollständige Berücksichtigung der Tiere als politische Subjekte. Es sei unsere moralische Pflicht, so schreibt Pelluchon in hin und wieder sehr drastischem Ton, Tiere nicht länger für unseren Profit auszubeuten oder leiden zu lassen. Wer das einmal erkannt habe, für den oder die sei die Welt danach nicht mehr dieselbe.

Tierschutz erfordert grundlegendes Umdenken

Pelluchon leitet die Pflicht zum drastischen Tierschutz zunächst philosophisch her, nennt Utilitarismus, Speziesismus, Antispeziesismus – stellt also infrage, warum wir Menschen uns den Tieren überlegen fühlen und warum so viele von uns das Leid der Tiere mit der eigenen Moralvorstellung vereinbaren können.
Vieles davon ist einleuchtend. Pelluchon zieht aber auch einige Vergleiche, die auf den ersten Blick deutlich schief erscheinen: Immer wieder nennt sie die Abschaffung der Sklaverei in Nordamerika oder den Kampf gegen das Patriarchat als ähnliche Unterdrückungsformen.
Sie versäumt es leider, explizit darauf hinzuweisen, dass sie keineswegs Menschen mit Vieh vergleicht. Dennoch wird einigermaßen klar, worauf diese Analogie zielen soll: Bestimmte Formen der Unterdrückung sind uns als Gesellschaft so sehr immanent, dass für ihre Abschaffung grundlegende Umwälzungen notwendig sind.

Umdenken erfordert Zeit

Die Autorin gibt dafür auch praktische Tipps, nennt kurzfristige Zwischenziele, die zunächst das Leid der Tiere lindern sollen – Kompromisse gewissermaßen, wie ein Verbot von Stopfleber oder von Stierkämpfen. Beide Praktiken verursachten nicht nur übermäßiges Leid, sondern Verbote seien auch wirtschaftlich und sozial vertretbar.
Um langfristig ein gesellschaftliches Umdenken zu erreichen, schlägt Pelluchon die Gründung einer Tierschutzpartei vor und die Ernennung von festen Fürsprecherinnen, die die Rechte von Tieren vor dem Gesetz vertreten. Erziehung, Bildung und Kultur müssten ebenso ihren Teil beitragen, um etwa gute vegane Ernährung bekannt zu machen oder Pelz aus der Mode zu bringen.
Für alle, die – wie die Autorin es nennen würde – noch nicht erkannt haben, dass das Leid der Tiere moralisch nicht zu rechtfertigen ist, mag das Buch an einigen Stellen sehr drastisch klingen. Fleisch, Zoos, Leder oder Tierversuche gehören zu unserem Alltag.
Aber Pelluchon bemüht sich, sich auch diesen Menschen gegenüber verständlich zu zeigen: Moralisierung und Aktivismus, schreibt sie, seien wenig hilfreich, sondern führten zu Abwehr. Vielmehr käme es auf kleine Zwischenschritte und Übergangslösungen an, auf Umschulungen und finanzielle Entschädigungen, auf langsames Lernen.
Eine Abkehr von einem System, das auf der Ausbeutung von Tieren basiert, bedeute schließlich eine Abkehr vom Kapitalismus, schreibt Pelluchon. Und die brauche Zeit.

Corine Pelluchon: "Manifest für die Tiere"
Aus dem Französischen von Michael Bischoff
C.H. Beck, München 2020
125 Seiten, 12 Euro

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