Chinas Machtpolitik

Deutsche Gier verhindert Gegenwehr

04:28 Minuten
Ein Mann mit Maske hält bei einer Kundgebung für die Unabhängigkeit Taiwans am National Day Taiwans am 10.10.2019 zwei taiwanesische Flaggen.
Demonstration für die Unabhängigkeit Taiwans in Hongkong: Dort geht Chinas Regierung hart gegen demokratische Bestrebungen vor. © picture alliance / AP / Kin Cheung
Ein Standpunkt von Bijan Moini |
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Hongkong hat seine Unabhängigkeit schon verloren. Nun konzentrieren sich Chinas Machtansprüche lautstark auf das noch unabhängige Taiwan. Eine gefährliche Entwicklung, die die Deutschen besonders angeht, meint der Politologe und Anwalt Bijan Moini. 
Seit einiger Zeit bebt es in China. Nun haben die ersten Erschütterungen unser Land erreicht. Das Beben trägt den Namen Xi Jinping und ist Chinas Staatspräsident. Zwei deutsche Journalisten haben ein Buch über ihn geschrieben. Titel: "Der mächtigste Mann der Welt". Sie wollten es unter anderem in den deutsch-chinesischen Konfuzius-Instituten in Hannover und Duisburg vorstellen.
Doch die chinesischen Partner intervenierten. Über Xi könne man nicht mehr als normalen Menschen reden, soll es geheißen haben. Die Lesungen platzten zunächst und wurden schließlich an anderen Orten durchgeführt.

Chinas Regierung übt Druck auf westlichen Kulturbetrieb aus

Auch der amerikanische Kulturbetrieb beugt sich Xis Einfluss. Walt Disney teilte von der großen Kinoproduktion "Mulan" vorab das Drehbuch mit der chinesischen Regierung. Viele Studios schreiben Skripte um, löschen Szenen und ändern weitere Inhalte, die die Zensoren der KP erzürnen könnten.
In Brad Pitts "World War Z" aus dem Jahr 2013 entfernte Paramount einen Hinweis auf den Ursprung eines Zombie-Virus: China. Und von Tom Cruises Jacke im Film "Top Gun: Maverick" wurde Taiwans Flagge entfernt.
Chinas Regierung setzt Geld gezielt als Machtinstrument ein. Sie investiert große Summen in Madagaskar oder Griechenland und gibt an die halbe Welt riesige Kredite aus. Allein in die sogenannte Neue Seidenstraße, ein gigantisches Infrastrukturprojekt aus neuen Transportwegen durch 70 Länder, sollen um die 1000 Milliarden US-Dollar fließen.
Auf die australische Politik nimmt die chinesische Regierung bereits viel direkter Einfluss. Sie hackt sich in die digitale Infrastruktur des Landes, bringt chinesisch-stämmige Menschen auf Linie, setzt mit Importbeschränkungen die australische Wirtschaft unter Druck, führt im Wahlkampf Online-Kampagnen und unterstützt genehme Kandidat*innen.

Die deutsche Politik fürchtet Chinas Macht

Dass Xi sogar zu noch härteren Maßnahmen bereit ist, erlebten jüngst die Menschen in Hongkong. Ähnliches droht Taiwan. Im südchinesischen Meer beansprucht die Regierung schon seit Jahren ohne Rechtsgrundlage Gewässer anderer Staaten, indem sie Inseln aufschütten und Kriegsschiffe patrouillieren lässt.
All das ist nicht der Höhepunkt von Xis Machtausübung, sondern nur sein erster Ausläufer. Und der hat auch die deutsche Politik erreicht. Hongkong hat unsere Regierung aufgegeben. Tibets Autonomiebestrebungen unterstützt sie schon lang nicht mehr. Sie verschweigt weitgehend, wie Xis Regierung die Uiguren, eine muslimische Minderheit in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang, massenhaft diskriminiert, assimiliert, überwacht, verfolgt, interniert, umerzieht, trennt, sterilisiert, zu Abtreibungen und zur Arbeit zwingt.
Und das Auswärtige Amt zeigt auf seiner Webseite statt Taiwans Flagge nur ein weißes Rechteck. Dass wir im Angesicht von Xis Gebaren keine Flagge zeigen, hat vor allem einen Grund: unsere Gier.

Gute Wirtschaftszahlen wohl wichtiger als Freiheitsrechte

China ist unser größter Handelspartner: 2019 tauschten wir Waren im Wert von über 200 Milliarden Euro aus. Mehr als 5000 deutsche Firmen sind im Land aktiv. Der Chemiekonzern BASF investiert gerade um die acht Milliarden Euro in einen neuen Betrieb. Im Schnitt verkaufen BMW, Daimler und Volkswagen dort ein Drittel ihrer Autos. Das hat die deutsche Politik nachgiebig und ängstlich gemacht.
Die Gier verdeckt die Augen, verschließt die Ohren und stopft den Mund. Wir müssen uns von ihr befreien. Dass unsere Wirtschaft auch in China wächst, ist Luxus; die Freiheit aber, die wir atmen, lebenswichtig. Sie müssen wir bewahren, in diesem stillen Krieg, in dem es doch um alles geht.
Wenn wir nicht wollen, dass Hongkongs Tod und Taiwans Untergang einmal als Wendepunkte in die Geschichte eingehen, an denen der Autoritarismus in der Welt wieder die Oberhand gewann, dann müssen wir jetzt etwas ändern. Dann müssen wir die Freiheit an erste Stelle setzen, auch wenn es uns etwas kostet.

Bijan Moini ist Rechtsanwalt und Politologe und leitet das Legal Team der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Nach dem Rechtsreferendariat in Berlin und Hongkong arbeitete er drei Jahre für eine Wirtschaftskanzlei. Dann kündigte er, um seinen Roman "Der Würfel" zu schreiben (2019, Atrium). Zuletzt erschien von ihm bei Hoffmann und Campe "Unser gutes Recht. Was hinter den Gesetzen steckt" – ein unterhaltsamer, anekdotischer Überblick über das, was unsere Gesellschaft zusammenhält.

© Thomas Schaeffer
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