Handelskrieg zwischen China und Australien

Manche mögen's heiß

22:21 Minuten
Flagge des australischen Parlament hinter dem Dachstuhl der chinesischen Botschaft in Canbera
Das Verhältnis zwischen Australien und China ist auf einem Tiefpunkt - politisch wie wirtschaftlich. © imago / Lukas Coch
Von Andreas Stummer |
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Mit Drohungen und Handelssanktionen reagiert China auf kritische Nachfragen aus Australien zum Ursprung des Coronavirus. Doch die Regierung in Canberra bleibt hart. Die Folgen bekommen auch die 1,2 Millionen chinesischstämmigen Australier zu spüren.
Es war ein bemerkenswerter Auftritt: eine unverhohlene Drohung inmitten eines eskalierenden Handelsstreits, eine politische Brandrede während diplomatischer Spannungen. Wang Xining, Chinas Vizebotschafter in Australien, sprach vor dem australischen Presseclub in Canberra, als wäre es ein Forum der kommunistischen Partei in Peking.
Erst wetterte Xining gegen Australiens westliches Demokratieverständnis und dass die Regierung die Presse nicht im Griff habe. Dann ließ er die Katze aus dem Sack. Wenn Australien auch künftig wirtschaftlichen Wohlstand wolle, müsse es aufhören, China öffentlich zu kritisieren und gegen sich aufzubringen. Oder es habe mit Konsequenzen rechnen:
"Es ist nicht zu verstehen, warum Australier über die Gefahren für ihren Rechtsstaat und ihre eigene Engstirnigkeit jammern. Mehr Mitsprache Chinas würde Australien nur guttun. Ich glaube nicht, dass Australien seinen hohen Lebensstandard halten kann, ohne mehr Einflussnahme aus dem Ausland zu erlauben."
Peter Hartcher war damals Zuhörer im Presseclub. "Das war ungenierte Propaganda, überhebliches, respektloses Geschwätz", erinnert sich der Chinakenner und Journalist des "Sydney Morning Herald". Überrascht war Hartcher aber nicht.

Australien darf sich nicht in China einmischen

China beklagt sich schon lange, etwa darüber, dass Canberra aus Gründen der nationalen Sicherheit immer wieder chinesische Direktinvestitionen verhindert. Oder darüber, dass der chinesische Tech-Riese Huawei beim Bieterbewerb für das australische 5G-Netz ausgeschlossen wurde.

Ein Mann mit Brille, Krawatte und Anzug steht vor der australischen Flagge und schaut kritisch.
Blamage für China - Australiens Premier Scott Morrison verkündete den Ausstieg aus zwei Projekten im Rahmen des Seidenstraßen-Projekts.© Imago / AAP / Lukas Coch
Außerdem beschuldigt Peking die australische Regierung, sich in interne chinesische Angelegenheiten einzumischen und internationale Kampagnen zu Taiwan, Hongkong, der Misshandlung der Uiguren und dem Ursprung des Coronavirus anzuführen. Beim Territorialkonflikt im Südchinesischen Meer säße Australien sowieso auf dem völlig falschen Dampfer.
"Die Liste wird immer länger", sagt Journalist Peter Hartcher. China dulde es nun einmal nicht, wenn der Schwanz mit dem Hund wedele.
"Pekings Unmut begann schon vor zwei Jahren, als unser Parlament Gesetze gegen die Einflussnahme und Spionage anderer Staaten in Australien beschloss. China fühlte sich direkt angesprochen und gedemütigt. Seitdem versucht Peking Australien mit der Drohung einzuschüchtern: 'Macht dies oder jenes nicht oder ihr macht China wütend.' Australien hat das für bare Münze genommen."

Importzölle, Einfuhrboykotts, Negativkampagnen

China reagiert gegenüber dem widerspenstigen Australien, wie es bei Druck aus dem Ausland immer reagiert: beleidigt und mit Handelsbeschränkungen. 13 australische Industrien sind bisher von Importzöllen, Einfuhrboykotts oder Negativkampagnen der chinesischen Regierung betroffen, von Getreide, Hummer und Fleisch über den Tourismus- und Universitätssektor bis hin zu Kohle. Am härtesten aber hat es den australischen Weinexport getroffen.

Weinflaschen in einem Regal.
Eine Quasi-Marktblockade für australischen Wein – Chinas Rache trifft die australische Wirtschaft hart.© Imago / James Ross
Weinprobe auf dem Ulupna-Gut bei Strathmerton im Goulburn Valley, drei Autostunden nördlich von Melbourne. In der umgebauten Scheune des Familienbetriebs verkosten Wochenendausflügler preisgekrönte Weine: Chardonnay, Shiraz oder Pinot Noir.
Geschäftsführerin Viviana Ferrari schickte monatlich über 10.000 Flaschen nach China, bis die australische Regierung von der chinesischen Führung eine Erklärung verlangte, wie sich Covid-19 von Wuhan aus verbreiten konnte. Seitdem hat Ferrari nicht einen Tropfen mehr nach China geliefert.
"Wir haben große Verluste gemacht. Das Schlimme ist: Dieser Konflikt, der uns so schadet, hat nichts mit der Weinindustrie zu tun. Er ist rein politisch. Ich hoffe, dass die australische Regierung bald eine diplomatische Lösung findet."

Solidaritätsaktion im Internet

40 Prozent der gesamten Weinausfuhr Australiens gingen bisher nach China, ein Handelsvolumen von 730 Millionen Euro. Aber die Exporte nach Fernost sind wegen eines 212 Prozent hohen Einfuhrzolls völlig eingebrochen. Eine Quasi-Marktblockade.
Zeit, den Chinesen reinen Wein einzuschenken: Per Internetvideo hoben 200 Politiker aus 19 Ländern aus Solidarität mit den australischen Winzern symbolisch ein Glas australischen Weins. Seitdem ist die Nachfrage in Europa und in Süd- und Nordamerika gestiegen.
Auch andere Teile der australischen Exportwirtschaft mussten sich umorientieren: weg von China und hin zu anderen Absatzmärkten. Australische Gerste geht jetzt vor allem nach England, Schaf- und Rindfleisch vermehrt in die USA, Kohle nach Indien, mehr Weizen nach Vietnam und Indonesien.
Zu sehen sind 3 Kohlebagger umgeben von bewölktem, blauen Himmel und einer grünen Buschlandschaft.
Baggern für Kohle - das neben Eisenerz wichtigste australische Exportgut wird jetzt nach Indien statt nach China geliefert.© Deutschlandradio / Andreas Stummer
Wentworth, ein Marktflecken an der Staatsgrenze zwischen New South Wales und Victoria. Ein vollbeladener Viehlaster verlässt das Gehöft von Bob Foster, schon der dritte diesen Monat. Sein Ziel: ein Schlachthof in Melbourne. Von dort wird das abgepackte Fleisch der Rinder, statt wie früher nach China, jetzt nach Singapur verschifft. Dort muss Bob Foster nicht mit Strafzöllen rechnen.
"Wir Farmer sind derzeit hochzufrieden mit den Preisen, die wir für Schafe und Rinder bekommen. Seit dem Hin und Her mit China liefern wir jetzt in Länder, in denen unsere Produkte willkommen sind. Ehrlich gesagt sind die australischen Farmer sehr zuversichtlich."

Chinas Investitionen sind auf einem Tiefstand

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Australien sind keine Einbahnstraße. Deshalb versucht Peking, beide Fahrbahnen zu blockieren. Chinas Investitionen in Australien sind um 61 Prozent zurückgegangen, auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren – auch wegen verschärfter Auflagen der australischen Regierung.
Die australische Wirtschaft schwächelt durch die Folgen der Coronakrise. Um einen Ausverkauf angeschlagener einheimischer Großunternehmen zu verhindern, muss jede geplante Übernahme aus dem Ausland erst von der Finanzaufsichtsbehörde genehmigt werden. "Ein wirksamer Kontrollmechanismus", findet Journalist Peter Hartcher. Anfragen aus China würden derzeit kategorisch abgelehnt.
"Es ist erstaunlich, aber auch ein gutes Zeichen, dass die großen Industrieverbände weiter hinter unserer Regierung stehen. Die Chinesen haben Australien eine Pandemie und die erste Rezession in 30 Jahren beschert. Was sollten sie uns sonst noch antun?"

Die PR-Schlacht hat Australien gewonnen

Nur Eisenerz wird weiter ungehindert nach China geliefert und deckt dort 60 Prozent des chinesischen Bedarfs. "Engpässe kann sich Peking im angekündigten Bauboom nach Corona nicht leisten", glaubt der Ökonom David Bassanese in Sydney. Die PR-Schlacht im Handelskrieg beider Länder habe Australien ohnehin längst gewonnen:
"Letztendlich liegt es an China, die Lage zwischen beiden Ländern zu entspannen. Die australische Regierung denkt nicht daran klein beizugeben, denn die übrige Welt steht an ihrer Seite. Was immer China mit den Sanktionen gegen Australien erreichen wollte, dieser Schuss ist nach hinten losgegangen."
Forderungen und Sanktionen aus Peking, Misstrauen und Trotz in Canberra: In der diplomatischen Eiszeit zwischen China und Australien ist kein Tauwetter in Sicht. Die Leidtragenden des Konflikts sind die Menschen zwischen den zusehends verhärteten Fronten: die 1,2 Millionen Australier chinesischer Abstammung.
Australiens Außenministerin und der Chinesische Außenminister schütteln sich die Hände. 
Als sie sich noch trafen, nicht beschimpften – Australiens Ex-Außenministerin Julie Bishop und Chinas Pendant Wang in Peking im Februar 2016© Imago / Kyodo News
Wanning Sun lebt seit fast 30 Jahren in Australien und nie, versichert sie, nie habe sie sich Gedanken darüber machen müssen, was sie sagt, zu wem sie es sagt oder was sie veröffentlicht. Von Zensur hatte sie genug, deshalb hat die Professorin für Medien und Kultur auch ihr Geburtsland China Anfang der 90er-Jahre verlassen.
Aber seit den Corona-Schuldzuweisungen und dem Handelsstreit zwischen ihrer alten und ihrer neuen Heimat spürt Wanning Sun das Misstrauen von beiden Seiten.
"Vor den Spannungen in den chinesisch-australischen Beziehungen konnte die chinesische Gemeinde sehr erfolgreich eine Art flexible Staatszugehörigkeit praktizieren. In Australien ankommen, aber nicht die eigenen Wurzeln verleugnen", sagt sie. "Jetzt aber fühlen sich viele genötigt, sich für eine Seite entscheiden zu müssen, denn ihre Loyalität wird jeden Tag hinterfragt. Die Menschen in ihrer Wahlheimat sind ihnen gegenüber zusehends unfreundlicher und argwöhnischer."

Chinesischstämmige Australier als Opfer

Nach einer Studie des Lowy-Instituts, einer unabhängigen Denkfabrik, bleibt es nicht nur bei Verdächtigungen und Anfeindungen. Vielmehr würden chinesischstämmige Australier immer öfter in ihrer neuen Heimat beleidigt, bedrängt und manchmal sogar tätlich angegriffen.
Wan Lin ist seit 25 Jahren stolze Australierin und betreibt ein beliebtes Restaurant in Sydneys Chinatown. Sie hat es satt, dass ihre australischen Landsleute zunehmend ihre Solidarität anzweifeln.
"Wir Einwanderer haben die Australier verteidigt, als die chinesische Führung sie als Rassisten beschimpft und Reisewarnungen für Touristen und Studenten ausgesprochen hat. Wir haben das getan, obwohl wir chinesischstämmige Australier selbst rassistisch angefeindet wurden."
Es hilft nicht gerade, dass Hunderttausende China-Auswanderer in Australien sich über den Nachrichtendienst der populären chinesischen "We Chat"-App mit kommunistischer Propaganda berieseln lassen. Auch nicht, dass das linientreue Konfuzius-Institut unbehelligt an australischen Bildungseinrichtungen missioniert.

Keine Kommunisten unter australischen Betten

Jackson Kwok beobachtet die chinesisch-australischen Beziehungen bei der Polit-Ideenschmiede "China Matters" in Sydney. Ein offener, ehrlicher Dialog sei schwierig, sagt er, wenn im Verborgenen die Vereinigte Front Chinas versuche, sich in das öffentliche Leben Australiens einzumischen. Die von Peking gesteuerte Bewegung soll auch in Australien die Interessen der kommunistischen Partei vorantreiben: chinesische Geschäftsleute, die australischen Parteien spenden, chinesische Studenten, die an den Universitäten bespitzelt werden, Strohmänner und Strohfrauen, die für politische Ämter kandidieren.
"Es schadet nicht, die Augen aufzuhalten", rät China-Spezialist Jackson Kwok. Aber noch lägen die Kommunisten nicht unter australischen Betten:
"Die Vorstellung, dass chinesischstämmige Australier, deren Familien seit dem Goldrausch vor 150 Jahren hier im Land sind, ihre neue Heimat verraten würden, ist lächerlich. Wir sollten die Aktivitäten der Vereinigten Front nicht unterschätzen. Aber wenn wir glauben, jeder chinesischstämmige Australier könnte ein potenzieller Spion sein, dann verdächtigen wir alle nur aufgrund ihrer Herkunft."

"Es geht darum, für Werte wie Freiheit einzutreten"

Nie zuvor waren die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen China und Australien schlechter. Beide Seiten glauben sich im Recht, keiner will zuerst einlenken. China ist mit Abstand Australiens wichtigster Handelspartner, Chinas Erzfeind, die USA, sind Australiens wichtigster strategischer Partner.
"Beide unter einen Hut zu bekommen, ist eine politische Gratwanderung", meint Journalist Peter Hartcher. Deshalb sucht Australien mit Indien, Japan und Indonesien zunehmend starke Verbündete in Asien.
Der Handelsstreit Australien gegen China sei zwar wie das Duell David gegen Goliath, so Hartcher, aber kein Kulturkampf "West gegen Fernost".
"Dies ist kein ethnisch motivierter Konflikt. Es stehen nicht Milliarden Asiaten gegen 25 Millionen Australier. Hier geht es darum, für Werte wie Freiheit, Unabhängigkeit und Demokratie einzutreten. Unser Ziel muss es sein, Australiens Souveränität zu schützen."
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