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Top 5 des Arthouse-Kinos

Der australische Musiker Nick Cave 2014 während der 64. Internationalen Filmfestspiele in Berlin auf einer Pressekonferenz zum Film "20.000 days on earth".
Der australische Musiker Nick Cave 2014 während der 64. Internationalen Filmfestspiele in Berlin auf einer Pressekonferenz zum Film "20.000 days on earth". © picture alliance / dpa / Tim Brakemeier
Von Patrick Wellinski |
Fünf Filme, ein Ranking - und nur eine Empfehlung: die Nick-Cave-Story "20.000 Days on Earth". Ansonsten Frankreichkitsch, Vorurteilsgeleitetes, Winterkartoffelknödel und ein Kostümfilm aus der Puppenkiste.
Platz 5: "Ein Sommer in der Provence" von Rose Bosch
Ach kommen Sie! Sowas wollen Sie sehen? Jean Reno als Großvater, der sich von seinen Enkelkindern entfremdet und unter dem spätsommerlichen Duft von Olivenbäumen und Lavendelfeldern dann doch noch zum Familienmenschen wird? Jean Reno? Nein, zum Glück muss man dem nicht folgen. Zum Glück ist der dieser grottenschlechte Frankreichkitsch spätestens nächste Woche aus diesen Charts verschwunden. Es ist ja auch Herbst ...
Platz 4: "20.000 Days on Earth” von Iian Forsyth und Jane Pollard
Schon besser. Viel besser. Niemandem ist Kitsch ferner als Nick Cave. Keine Lavendelfelder, eher düstere Nachtschattengewächse umranken seine Kunst. Das Künstlerduo Forsyth und Pollard komponiert klug und voller Falltüren das Bild eines Künstlers am 20.000 Tag seines Lebens. 24 Stunden im Leben des "fiktiven" Nick Cave. Gespielt vom "echten". Ein Film über die Kunst des Lebens und den Wert des Lebens für die Kunst. So wird der Schaffensprozess zum transformativen Fest. Und wir wissen am Ende: Qualität kommt von quälen.
Ach ja, apropos quälen:
Platz 3. "Monsieur Claude und seine Töchter" von Phillipe de Chauveron
Eigentlich wäre Zeit zum Feiern, denn nach 12 Wochen bzw. nach drei Monaten (!) an den Spitze der Arthousekinocharts, setzt die Töchter-Dämmerung ein. Was sahen über drei Millionen Deutsche da? Warum haben Sie diesen Film weiterempfohlen? Vielleicht, weil man da gemeinsam über die eigenen Vorurteile lachen konnte? Aber wenn dem so ist, warum taumelten danach nicht alle benebelt aus dem Kino, schließlich wird man im Kino selten zum Rassisten gemacht. Und warum wird jetzt, da man das Kino ja auch kathartisch nutzen kann als Erkenntnisraum, warum gehen dann so viele hierzulande gegen Flüchtlinge aus Syrien oder aus dem Norden Iraks auf die Barrikaden und umarmen Sie nicht, wie Monsieur Claude?
Ja, so ist das eben, der nette jüdischer Schwiegersohn auf der Leinwand ist uns näher als der Flüchtling nebenan, denn ersterer ist nach gut 90 Minuten aus unserem Leben verschwunden.
Platz 2. "Winterkartoffelknödel" von Ed Herzog
Keine Ahnung was das soll. Kostprobe gefällig? (Auschnitt)
Herz- und hirnloses Dialekttheater. Für Bayern, von Bayern. Fernsehen im Kino. Ansonsten: Wie der Titel schon sagt, ist das Ganze hier ein massiver Knödel. Womit haben wir das verdient? Nun, Schuld sind mal nicht die Kinogänger, sondern die Bücherkäufer, denn ohne den Beststeller-Erfolg von Rita Falks Regionalkrimis, keine Verfilmung. Hätte man 2011 nur auf meinen Deutschlandfunk Kollegen Denis Scheck gehört. Der Prophezeite:
"Platz 9. Rita Falk. Winterkartoffelknödel. (Mülltonnengeräusch)"
Recht hat er. Der Kollege.
Platz 1: "The Cut" von Fatih Akin
Gerne würde ich jetzt sagen, dass Fatih Akin, als bekanntester deutscher Autorenfilmer seiner Generation, dort anknüpft, wo ihn seine Karriere seit "Gegen die Wand" hingeführt hat. Gerne würde ich sagen, dass "The Cut", die Geschichte eines stummen armenischen Vaters, der seine Töchter nach dem Völkermord sucht, ein filmisch-reflektierter Geniestreich ist, der Kino und Weltgeschichte in sich vereint. Doch leider ging hier in vielerlei Hinsicht das Ganze ziemlich daneben. Denn gedacht war: Großes Epos, Flüchtlingsdrama. Und im Hintergrund, still und leise: der Völkermord an den Armeniern. Herausgekommen ist aber ein Kostümfilm aus der Puppenkiste mit vielen Orts- und Szenenwechseln. Aber eben nur in einem Tonfall.
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