Familienbande

"Es macht auch Spaß, mit Klischees zu spielen"

Szene aus dem Film "Monsieur Claude und seine Töchter" mit Christian Clavier (vorn) als Vater von vier Töchtern
Szene aus dem Film "Monsieur Claude und seine Töchter" mit Christian Clavier (vorn) als Vater von vier Töchtern © dpa / picture alliance / A Borrel/Neue Visionen
Regisseur Philippe de Chauveron und Schauspieler Christian Clavier im Gespräch mit Susanne Burg · 19.07.2014
Vier junge Frauen, vier Schwiegersöhne und ein Zusammenprall der Kulturen: "Monsieur Claude und seine Töchter" ist in Frankreich ein Kassenschlager. Noch die größten Rassisten werden darin zu Freunden − warum, erklärt der Star des Films, Christian Clavier.
Susanne Burg: Der Film "Monsieur Claude und seine Töchter", und ich begrüße nun ganz herzlich den Regisseur des Films, Philippe de Chauveron, und den Schauspieler Christian Clavier, bonjour!
Philippe de Chauveron: Guten Tag!
Christian Clavier: Guten Tag!
Burg: Sie haben, man könnte es als Culture-Clash-Komödie bezeichnen, einen solchen Film gemacht. Einer der bekanntesten dürfte wahrscheinlich aus dem englischsprachigen Raum "Kick it like Beckham" sein, aber auch in Frankreich sind die ja sehr beliebt seit einigen Jahren, "Ziemlich beste Freunde" könnte man sicherlich auch nennen oder im letzten Jahr "Paulette". Monsieur de Chauveron, was hat Sie daran interessiert, an diesem Genre?
de Chauveron: In diesem Fall geht es ja gerade um vier verschiedene Kulturen und in Frankreich habe ich festgestellt, wir sind die Weltmeister, was Mischehen angeht, jede vierte Ehe in Frankreich ist eine Ehe von zwei verschiedenen Kulturen. Und das fand ich schon irgendwo spannend. Und dann habe ich mir gesagt, dann treiben wir das doch mal auf die Spitze und machen das hier mit vier Mischehen innerhalb von einer Familie. Und natürlich entstehen so Konflikte, und Konflikte sind etwas, was eine gute Komödie eben braucht!
Burg: Die Schwiegersöhne sind ja im Grunde genommen alle Vorzeigeschwiegersöhne, sie sind studiert, gebildet, gutaussehend. Insofern sind sie ja ein bisschen gegen das Klischee von Migranten. Gleichzeitig bedienen sie aber auch so manches Klischee. Der chinesischstämmige Schwiegersohn macht Kung-Fu, der Araber ist ein bisschen durchtrieben, der Jude will ein Geschäft beginnen und reich werden. Wie haben Sie Ihre Figuren entwickelt und wie viel Klischee durfte sein?
de Chauveron: Natürlich war es mir wichtig, dass diese Schwiegersöhne in erster Linie erst mal sympathisch sind und dass ihr Schwiegervater eigentlich überhaupt keinen Grund hat, irgendetwas gegen seine Schwiegersöhne zu haben. Aber dann muss man auch einfach wissen, das basiert auch auf einer wirklichen Realität, viele Emigranten der zweiten Generation sind unglaublich erfolgreich in Frankreich, das sind echte Erfolgsgeschichten, die sind Anwälte, haben sehr gute Jobs, das gibt es alles wirklich. Natürlich gibt es auch – und das wird vor allen Dingen in den Reportagen im Fernsehen gezeigt – all die Konflikte, all die Probleme, die es natürlich bei diesen Emigranten auch gibt, aber mir war es wichtig, auch einmal so diese Erfolgsgeschichte zu zeigen. Und als ich beispielsweise mit den Schauspielern, die die verkörpert haben, geredet habe, haben sie mir auch gesagt, na ja, es macht auch Spaß, mit Klischees zu spielen, und das machen wir auch unter uns, wenn wir uns so treffen. Und solange das auf einer humorvollen und fairen Ebene passiert, können wir uns auch wirklich selbst ein bisschen hopp nehmen. Das war das eine. Und was die Entwicklung der Figuren angeht, da kann ich Ihnen das gar nicht mehr so ganz genau beantworten, abgesehen davon, was ich bereits sagte: Ich wollte, dass sie eben sympathisch rüberkommen und dass sie auch nicht so einseitig festgelegt sind. Das sollten keine Helden sein, das sollten schon auch Figuren sein, die Fehler haben, die auch in Klischees denken.
Clavier: Und das ist ja ein Film, der einerseits Klischees benutzt, andererseits einen sozusagen auch genau auf die falsche Fährte führt und genau gegen Klischees arbeitet, aber immer beides gleichzeitig macht. Es ist ja zum Beispiel so, was die Klischees der Figuren angeht, da ist es ja gerade der Jude, der eigentlich sehr schlechte Geschäfte macht, der keine Ahnung von Geschäften hat, er will Geschäfte machen, ist aber eigentlich ein schlechter Geschäftsmann, und es ist der Chinese, der ihm dann die richtigen Tipps und die richtigen Ratschläge gibt. Also, auch da spielt man mit Klischees, um sie dann auch wieder zu hintergehen. Und das ist vielleicht auch das, was die Komik und was den Erfolg dieses Films ausmacht, weil es vielleicht auf diese Art und Weise noch nicht passiert ist. Man hat das Thema natürlich schon öfter behandelt, aber vielleicht nicht auf solche Art und Weise.
Burg: Christian Clavier, Sie spielen ja nun das Familienoberhaupt, in dem sich viele dieser Klischees bündeln in gewisser Weise. Ihre Figur, Claude Verneuil, hat ja nun schon mit drei Schwiegersöhnen zu tun, die eine andere Herkunft haben, das ganze Fass kommt dann aber zum Überlaufen, als nun der vierte Schwiegersohn hinzukommt, der afrikanischer Herkunft ist. Sie gehen dann mit dem zukünftigen Schwiegersohn, der von der Elfenbeinküste stammt, Monsieur Koffi, trinken und es scheint so, als würden da plötzlich alle Ressentiments, alle Vorurteile über den Haufen geworden werden. Trinken als völkerverständigendes Element sozusagen. Ist das nicht auch ein bisschen zu einfach?
de Chauveron: Als Erstes muss man sagen, bevor es diese Szene gibt, wo sie sich betrinken, haben sie ja schon mal festgestellt, dass sie beide ganz große Fans von de Gaulle sind, und das war ja lange vor dem Alkohol. Und Christian Clavier meinte dann eben, dass man nicht vergessen darf, dass, wenn sich diese Figuren erst mal begegnen, hassen die sich, die können sich überhaupt nicht ausstehen. Und merken dann aber, weil der Alkohol diese Spannung, die ja immer stärker wird, durchaus so ein bisschen abmildert, dass sie doch gemeinsame Werte haben. Sie sind eben zwei sehr konservative Männer, der Monsieur Koffi ist eben auch von der französischen Armee ausgebildet worden, und eigentlich ähneln die sich, was ihre Werte angeht. Und Alkohol ist in dem Fall einfach nur ein Klischee, was eben auch stimmt, dass in dem Moment, wo sie kurz davor waren, aufeinander loszugehen, aufeinander einzuprügeln, durch den Alkohol werden sie plötzlich die besten Freunde. Und ich glaube, die sind nicht die Einzigen, denen das passiert ist, das muss Ihnen bestimmt auch mal so gegangen sein. Vielleicht auch nicht.
Clavier: Was man vielleicht noch hinzufügen muss, ist, dass die beiden zum Schluss sich wirklich anfreunden. Und das führt zu einer ganz großen Entspannung in dieser sehr angespannten Familiensituation. Und ich glaube, in Frankreich kann man den Erfolg dieses Films auch wirklich damit erklären, weil, das sind beides zwei totale Rassisten, die die ganze Zeit latente und offene Vorurteile pflegen. Aber in dem Moment, wo die beiden sich anfreunden, das ist, glaube ich, etwas, was in Frankreich dafür gesorgt hat, dass man sich damit – weil es ja emblematische Figuren sind – identifiziert hat. Und das, glaube ich, hängt mit dem großen Erfolg des Films in Frankreich zusammen.
Burg: Weil Sie den Rassismus erwähnen: Viel dieses Rassismus zeigt sich ja wirklich in der Interaktion in der Familie. Also Bemerkungen beim Essen, der Chinese macht einen Witz über Hunde-Dim-Sum, der Jude bezeichnet den Moslem gewissermaßen als Barbaren, weil bei Moslems die Vorhaut bei Kindern erst mit sieben Jahren entfernt wird, nicht mit sieben Tagen. Aber Rassismus scheint eben immer eine Sache zwischen den Menschen, hat nichts wirklich mit dem System zu tun. Ich habe mich gefragt, findet nicht auch in gewisser Weise ein bisschen so eine Verharmlosung statt, weil der Rassismus so komplett entpolitisiert ist?
Clavier: Das glaube ich, ehrlich gesagt, nicht. Weil, ich will jetzt nicht prätentiös wirken, aber es ist ja Hannah Arendt, die von der Banalität des Bösen gesprochen hat und die eben auch davon geredet hat, dass es gerade der Einzelne ist, der dabei wichtig ist. Und dadurch finde ich überhaupt nicht, dass hier irgendwas banalisiert wird. Und andererseits ist das ja auch kein politischer Film, der irgendwie eine Message ausdrücken möchte. Wir sind ja hier immer noch in einer Komödie und es war weder meine Absicht noch die von Philippe, hier einen politischen, didaktischen Film irgendwo zu machen. Und andererseits denke ich aber auch, man muss ja bei den einzelnen Figuren ansetzen, weil, nur, wenn man von dem Rassismus der einzelnen Figuren redet und wenn man diesen Rassismus thematisiert, ist es möglich, überhaupt über Rassismus auf einer politischen Ebene zu reden. Sonst löst man das Problem nie.
Burg: Christian Clavier, der Hauptdarsteller des Films "Monsieur Claude und seine Töchter", und der Regisseur des Films, Philippe de Chauveron. Der Film kommt am Donnerstag in die Kinos. Vielen Dank fürs Gespräch!
de Chauveron: Vielen Dank!
Clavier: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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