CDU in der Krise

Eine verpasste Chance und viele Aufgaben

08:51 Minuten
Armin Laschet verlässt eine CDU Bühne mit leerem Mikrofon.
Die CDU steht vor einer Erneuerung. In der gegenwärtigen politischen Konstellation eine schwierige Aufgabe, findet der Historiker Frank Bösch. © AFP / Tobias Schwarz
Frank Bösch im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 11.10.2021
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Die CDU hat es versäumt, den Machtwechsel im Kanzleramt während der Legislaturperiode zu vollziehen, sagt Historiker Frank Bösch. Das hätte der Partei den Wahlkampf erleichtert. Eine neue Parteiführung sieht er vor einer schwierigen Aufgabe.
Es ist erst das dritte Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass die CDU bei Bundestagswahlen nicht stärkste Partei wird: Vor 2021 gelang es der SPD nur 1972 mit Willy Brandt an der Spitze und 1998 mit Gerhard Schröder, die Union zu übertrumpfen.
Beide Male habe das "zu einer deutlichen Krise" der Partei geführt, sagt der Historiker Frank Bösch, Direktor des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam. Denn: "Die CDU wurde immer sehr stark durch das Kanzleramt zusammengehalten."
Der Historiker und Autor mehrerer Bücher über die CDU sieht die Partei bei ihrer anstehenden Erneuerung überdies Schwierigkeiten ausgesetzt, da es auch auf deren Koalitionsfähigkeit ankommt: "Früher war die FDP der natürliche Partner der CDU, das hat dann irgendwie gereicht."
Bei den heutigen Mehrheitsverhältnissen sei aber mehr notwendig: "Die Person, die das künftig übernimmt, muss eine sein, die koalitionspolitisch anschlussfähig ist, die in der Lage ist, nicht nur auf die FDP, sondern auch auf die SPD und die Grünen zuzugehen, um so tatsächlich auch Mehrheiten zu organisieren."
Insofern müsste der oder die neue Vorsitzende "nicht nur in der Partei integrieren, sondern über die Partei hinaus", sagt Bösch.

Machtübergabe während Legislaturperiode versäumt

Hätte der CDU ein Blick in die Geschichte helfen können, die jetzige Situation zu vermeiden? Zumindest zeigt sich in der Vergangenheit, so der Historiker, dass der Übergang von einem Kanzler zum anderen dann am besten geklappt hat, wenn der Staffelstab während der Legislaturperiode übergeben wurde:
"Das haben wir bereits beim Übergang von Brandt zu Schmidt gesehen. Kohl selbst ist zwar zunächst durch einen Koalitionswechsel an die Macht gekommen, aber konnte dann auch 1983 den Wahlkampf aus dem Kanzleramt heraus führen."

Kanzlerbonus bei Wahlen entscheidend

Dieser Amtsbonus sei ganz entscheidend, betont er. Doch Angela Merkel habe sich nicht getraut, Annegret Kramp-Karrenbauer neben dem Parteivorsitz auch das Kanzleramt zu übertragen.
"Es wäre sicherlich auch eine schwierige Entscheidung gewesen, da Kramp-Karrenbauer vorher nicht im Bundestag verankert war und auch nicht unbedingt auf eine ganz breite Zustimmung in Berlin hätte treffen können", räumt Bösch ein. Trotzdem wäre es für die CDU leichter gewesen, "wenn aus einem Wechsel im Kanzleramt heraus eine Kanzlerkandidatin, in dem Fall eine Kanzlerin, diesen Wahlkampf geführt hätte".
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