Ein paar Tipps für den Neuanfang
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Die CDU steckt in einer tiefen Krise. Der Politologe Andreas Püttmann hat klare Vorstellungen davon, was die Partei jetzt braucht. Seine Empfehlung: Haltung und Pragmatismus.
Nach dem historischen Desaster bei der Bundestagswahl vor zwei Wochen sucht die CDU nun Wege aus der Krise. Dabei stehen sowohl Personal als auch Inhalte auf dem Prüfstand. Der Generalsekretär der Partei, Paul Ziemiak, kündigte an, die Wahlniederlage in den kommenden Wochen aufarbeiten zu wollen. CDU-Chef Armin Laschet hat einen personellen Neuanfang versprochen.
"Alle rennen nervös durcheinander"
Quo vadis, CDU? Eine Neuaufstellung wird wegen der derzeitigen Verfassung, in der sich die Partei befindet, wohl schwierig. Der Politikwissenschaftler und Publizist Andreas Püttmann vergleicht sie mit einem "Hühnerhof, in dem alle nervös durcheinander rennen". Dabei meint es Püttmann nicht schlecht mit der CDU. Vielmehr sympathisiert er mit ihr. Der Politologe empfiehlt der Partei, den Pragmatismus der Merkel-Jahre weiter hochzuhalten.
Die CDU habe in ihrer Geschichte immer für eine "pragmatische Politik der rechten Mitte mit hoher Regierungskompetenz" gestanden, sagt Püttmann. Die Menschen erwarteten keine "ideologische Positionierung". Umfragen zeigten, dass es für die Bürgerinnen und Bürger wichtiger sei, dass schnell praktische Lösungen für Probleme gesucht würden.
Das sei der Markenkern der CDU, betont Püttmann. Zu diesem gehören auch noch die Westintegration, gute Beziehungen zu den USA, die Europapolitik, ein gemäßigter Patriotismus in Abgrenzung zum Nationalismus, der Lebensschutz und ein moderat traditionelles Familienbild.
Für alle Schichten wählbar sein
Püttmann zufolge gibt es keinen Grund, diesen Pfad zu verlassen. Als Volkspartei müsse die CDU grundsätzlich für alle Schichten wählbar sein, sagt er: "für den Generaldirektor wie für den Arbeiter". Sie müsse bei ihren drei Wurzeln bleiben und sich christlich-sozial, liberal oder konservativ geben, "je nach Thema".
Rufen danach, vor allem das konservative Profil der Partei zu stärken, erteilt der Politikwissenschaftler eine klare Absage. Schon der Begriff "konservativ" sei nur bei 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung positiv konnotiert. "Diejenigen, die das fordern, sind eine laute Minderheit", sagt Püttmann.
Er werbe hingegen dafür, Konservatismus "habituell zu verstehen". Der Konservative müsse ein "Mensch der Maßes, der Stabilität, der Skepsis und Distanz" sein, dem "gemeinwohlsensiblen Individualismus" und nicht dem "Rudel" folgen und sich seiner eigenen Irrtumsanfälligkeit bewusst sein. "Die Schreihälse des neuen Konservatismus spiegeln diesen Habitus nicht wieder", sagt Püttmann.
Die Mitglieder mehr einbinden
Wohin die CDU letztlich steuern wird, ist momentan kaum abzusehen. So stände wohl Friedrich Merz, der noch immer mit dem Parteivorsitz liebäugelt, für einen Ruck nach rechts. Selbst wie das Spitzenpersonal künftig bestimmt werden soll, ist derzeit unklar. Der CDU-Mitgliederbeauftragte Henning Otte will die Basis stärker als bisher an Entscheidungen beteiligen.
Auch Norbert Röttgen warnt davor, den Prozess der Neuaufstellung von oben steuern zu wollen. "Wir müssen aus den gemachten Fehlern lernen", sagte er der "Welt am Sonntag". Jeder Versuch, den "fairen Wettbewerb um die Zukunft der CDU" zu unterbinden, sei nicht geeignet, "neues Vertrauen zu begründen". Jetzt müsse zügig die Basis zu Wort kommen.
Zugleich gibt es derzeit in der Partei die Befürchtung, dass ein offener Machtkampf um die Parteispitze ausbricht. Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß rief mögliche Bewerber um den Parteivorsitz zur Zurückhaltung auf. "Ich warne davor, dass jeder Interessent einfach mal schnell seine Kandidatur erklärt", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die CDU müsse jetzt ein starkes Team aus ihren unterschiedlichen Strömungen bilden.
(ahe, mit dpa)