C. Funke / G. del Toro: "Das Labyrinth des Fauns"

Ein Märchen wird zum Albtraum

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In "Das Labyrinth des Fauns" verschmelzen die Stile von Cornelia Funke und Guillermo del Toro. © S. Fischer Verlag
Von Kim Kindermann · 02.07.2019
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Die Bestseller-Autorin Cornelia Funke und der oscarprämierte Regisseur Guillermo del Toro haben gemeinsam ein Buch geschrieben – so grandios, wie man es von zwei Meistern der fantastischen Erzählung erwarten darf.
Was für ein Projekt: Da fragt ein Regisseur eine Kinder- und Jugendbuchautorin, ob sie seinen Film in Buchform packt. Beide sind Superstars. Haben ein Millionenpublikum. Müssen sich nichts mehr beweisen. Cornelia Funke und Guillermo del Toro sind tatsächlich ein Traumpaar, dessen Grenzen sich aufheben. Wo ist sie, wo ist er? Man merkt es nicht.
Schon die ersten Seiten von "Das Labyrinth des Fauns" lesen sich wie ein klassischer Funke-Roman: Das Setting, die Magie, das starke Mädchen. Alles scheinbar bekannt aus ihrer Tintenwelt-Trilogie. Und da ist der Film del Toros: "Pans Labyrinth" kam 2006 in die Kinos, begeisterte ein Millionenpublikum, grandios und oscarprämiert. Eine Mischung aus Kunst und Horror, aus Filmdrama und Fantasyfilm. Und jetzt verschmilzt beides, Buch- und Filmkunst, zu einem extrem spannenden wie politischen Abenteuer-Fantasy-Roman. Man fragt sich am Ende wirklich: Was war vorher da?

Flucht in die Traumwelt

Erzählt wird die Geschichte Ofelias, die 1944 mit ihrer hochschwangeren Mutter Carmen zu ihrem Stiefvater in die Wälder Nordspaniens zieht. Capitán Vidal ist ein grausamer Faschist, der in Francos Auftrag Widerstandskämpfer jagt. Für das Mädchen hat er wenig übrig, wie auch für Carmen, lediglich das ungeborene Kind, sein Sohn, ist für ihn von Interesse. Kaltherzig, sadistisch und brutal herrscht er über Haus und Hof. Mordet und quält mit großem Vergnügen: Männer, Frauen, Kinder.
Ofelia, die es nicht versteht, warum ihre Mutter nach dem Tod des Vaters einen so schrecklichen Mann wählen konnte, versinkt immer mehr in einer Art Traumwelt. Im Wald begegnet sie magischen Wesen, die in ihr die Prinzessin eines unterirdischen Königreichs erkennen wollen. Moanna träumte vom Himmel und den Sternen, von der Sonne und dem Gras, als sie die oberirdische Erde betrat, vergaß sie, wer sie war. Ihr Vater aber gab die Suche nach seiner Tochter nie auf. Und schickte die magischen Wesen auf ihre Suche. Unter ihnen der geheimnisvolle Faun, er stellt Ofelia drei Aufgaben, um herauszufinden, ob sie wirklich die lang gesuchte Prinzessin ist.

Was sind wir bereit zu opfern?

Immer tiefer taucht Ofelia in diese magische Welt ein, durchwandert ein Labyrinth, tötet eine giftige Kröte, kämpft gegen einen blinden Kinderfresser. Alles, um dem Horror der realen Welt zu entkommen. Dabei ist das Böse längst auch in ihre Phantasiewelt eingezogen. Denn ist der Faun wirklich im Auftrag des Königs unterwegs? Gibt es Moanna überhaupt? Was hat es mit den Feen auf sich, die Ofelia stets umkreisen? Und was wollen alle von dem ungeborenen Kind der Mutter? Realität und Traum verschmelzen immer mehr: Eingebettet in diese Art Alice-im-Wunderland-Geschichte wird das grausame Wirken der Faschisten umso deutlicher, umso klarer.
Ein grandioser Roman ist so entstanden, in starker, schnörkelloser Sprache, mit unterschiedlichen Erzählebenen, einer, der wie schon der Film, Grenzen sprengt: Fantasy trifft auf Horror trifft auf Politik. Letztendlich wird hier fantastisch und poetisch zugleich die Frage gestellt, in welcher Welt wir leben wollen. Was wir bereit sind zu opfern? Ein wichtiges Buch also, das 13 Jahre nach Veröffentlichung des Films verblüffend aktuell ist, in Zeiten, in denen rechte Parteien wieder in europäischen Parlamenten sitzen und in Deutschland ein Rechtsextremer einen Politiker getötet hat.

Cornelia Funke/ Guillermo del Toro: "Das Labyrinth des Fauns"
Aus dem Englischen übersetzt von Tobias Schnettler
S. Fischer, Frankfurt/Main 2019
318 Seiten, 20 Euro

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