Guillermo del Toro Ausstellung in Los Angeles

"Ich passte nicht zu den Heiligen"

Regisseur Guillermo del Toro
Regisseur Guillermo del Toro © picture alliance / dpa / Alberto Estévez
Von Kerstin Zilm · 31.07.2016
Guillermo del Toro ist bekannt für seine Mischung aus Horror, Science Fiction, Märchen und Fabeln in Filmen wie Pans Labyrinth, Hell Boy und Pacific Rim. Eine Ausstellung in Los Angeles führt Besucher in den kreativen Prozess des mexikanischen Regisseurs und Schriftstellers.
Überlebensgroße Figuren mit gebogenen Hörnern, Augen in gespreizten Flügeln, Gliedmaßen aus Treibholz, Elfen auf der Schulter und einem Dolch in der feingliedrigen Hand. Zeichnungen von Gesichtern ohne Augen und Köpfen, aus denen sich Schlangen in alle Richtungen winden. Schillernde Insektenkörper, flatternde Motten, Wachsfiguren und ein riesig großer Frankenstein-Kopf. Das sind nur wenige der mehr als 600 Ausstellungsstücke, die der Regisseur Guillermo del Toro dem Los Angeles County Museum of Art - kurz LACMA - zur Verfügung gestellt hat. Alle kommen aus seinem sogenannten "Bleak House". Das hat der Regisseur nach dem Roman von Charles Dickens benannt. Es ist der Ort, der del Toro inspiriert und ihm Zuflucht gibt. Dem mexikanischen Filmemacher fällt es schwer, ohne seine Musen zu leben.
"Es hörte sich vor ein paar Jahren an, als wäre es eine gute Idee. Aber als ich mich von den Kunstwerken trennen sollte, war das etwas anderes. Ich bin kein Sammler, der den Marktwert der Sachen kennt. Ich konserviere meine Comic-Bücher nicht in Plastikfolien und lagere meine Spielfiguren nicht in Kisten. Ich spiele damit und lese die Bücher. Dieser Ort ist so etwas wie ein heiliger Schrein für mich."

Regentrommeln und Donnerhall vor gotischen Fenstern

Der argentinische Komponist Gustavo Santolalla – mit dem del Toro regelmäßig zusammenarbeitet, - gestaltete die Geräuschkulisse. Sie zieht die Ausstellungsbesucher in die Räume hinein. Die sind in acht Kapitel aufgeteilt: von Kindheit und Unschuld über Victoriana, Magie und Alchemie, Film und Comic, Frankenstein, Freaks und Monster zu Tod und Jenseits. Zwei wiederkehrende Themen in del Toros Werken sind Grundlage des Layouts: Labyrinth und Uhrwerk. Besucher verirren sich in verwinkelten Passagen, erschreckt und angelockt durch Geräusche, wie zum Beispiel das Gewitter im "Rain Room" – dem Regenraum.
Exponat aus der Guillermo del Toro Ausstellung
Exponat aus der Guillermo del Toro Ausstellung© Kerstin Zilm
Der ist del Toros Arbeitszimmer nachempfunden. In dem sorgen künstliches Regentrommeln, Blitzlicht und Donnerhall vor gotischen Fenstern für Inspiration. Das sinnliche Erlebnis verzahnt alle Räume und Ebenen der Wahrnehmung. Kuratorin Britt Salvesen:
"Del Toro sieht sein Haus als eine Reihe von Bibliotheken für unterschiedliche Themen, zum Beispiel Horror oder Magie. Ich habe versucht, das zu übertragen, anstatt die Räume jeweils einem Film zu widmen. Das wäre zu pedantisch und pädagogisch gewesen. Ich wollte Überraschungen und seltsame Verknüpfungen, keinen Lehrplan."
Guillermo del Toro erzählt offen von seiner schwierigen Kindheit in Mexiko, in der er sich als Außenseiter fühlte, vom Vater regelmäßig geschlagen und von Klassenkameraden schikaniert wurde. Auf der Flucht vor alltäglicher Gewalt auf den Straßen und strengem Katholizismus zu Hause fand er in Büchern und Filmen Trost und Kraft. Frankenstein und andere sogenannten Ungeheuer erschreckten ihn nicht. Im Gegenteil:
"Ich passte nicht zu den Heiligen und habe früh erkannt, dass ich zu den Monstern passe. Ich sah in ihnen das Außenseitertum, mit dem ich mich identifizieren konnte. Im Gegensatz zur Erwachsenenwelt, die für mich total verlogen war, waren die Monster Wesen, die nicht vorgaben etwas anderes zu sein als sie selbst. Das hat mich tief bewegt."

Wenn ein Teenager sich weniger als Außenseiter fühlt

Die Ausstellung lädt dazu ein, sich diesem positiven Bild von Ungeheuern auszuliefern, das Menschliche in ihnen und das Dunkle in sich selbst zu erkennen. Sie kombiniert Artefakte aus del Toros Bleak Haus mit Kunstwerken der Museumssammlung und hinterfragt dadurch auch die Trennung zwischen populärer Unterhaltungs- und sogenannter Hochkultur. LACMA-Direktor Michael Govan:
"Es ist eine wechselseitige Ausstellung. Er hat aus unserer Sammlung Werke ausgesucht, die mit seiner Kunst in Verbindung stehen. Die Ästhetik ist sich so ähnlich, dass eine Goya- oder Piranesi-Zeichnung aus dem 18. Jahrhundert genauso dazu passen, wie das Portrait eines wenig bekannten deutschen Künstler des 19. Jahrhunderts, das schockierende Ähnlichkeit mit einer Figur seiner Sammlung hat."
Für Guillermo del Toro sagt, es habe sich gelohnt, sich von seinen Kunstwerken zu trennen, wenn ein Teenager sich durch die Ausstellung weniger als Außenseiter fühlt.
"Ich hoffe auch, dass Besucher in der leicht furchteinflößenden Version meines explodierten Kopfes die Orientierung verlieren. Das ist Bleak Haus für mich, das Beste, was ich jemals geschaffen habe."
Durch das Spiel mit allen Sinnen und endlosem Vorrat an unerwarteten Entdeckungen, die die Ausstellung bieten, ist es nicht schwer, diese Hoffnung zu erfüllen.
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