Bühne

CO2-Abbau als Mitmachtheater

Die Umweltexperten Florian Rauser, Satya Bhowmik, Schirin Fahti, Kenneth Gbandi, Sabine Hain, Bernd Hezel und Ana Soliz Landivar Stange (von links nach rechts) in Hamburg auf der Fotoprobe von "Welt-Klimakonferenz".
Ein Blick auf das Podium der "Welt-Klimakonferenz" im Hamburger Schauspielhaus © dpa / picture alliance / Markus Scholz
Von Axel Schröder · 01.12.2014
Wie geht Weltklimakonferenz? Wie rettet man den Planeten? Die Künstlergruppe Rimini-Protokoll hat ein interaktives Spektakel veranstaltet, bei dem Theaterbesucher Klimakonferenz-Delegierte spielen können. Am Ende stand die Frage: Haben wir's geschafft?
Selten hat eine Weltklimakonferenz in so einem schönen Saal stattgefunden. Hier, auf diesen goldverzierten Rängen sitzen schon die ersten Delegierten, Schrägstrich Theaterbesucher. Vorn ist der Hintergrund UNO-blau, davor der weiße Konferenztisch der Weltklimakonferenz. Und gleich wird es losgehen. Die meisten Delegierten, Schrägstrich Theaterbesucher haben schon ihre Plätze eingenommen. An den Rückenlehnen die Fahnen der einzelnen Länder.
Florian Rauser: "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Delegationen! Herzlich willkommen auf der Weltklimakonferenz 2014 in Hamburg. Mein Name ist Florian Rauser. Ich bin Physiker und seit knapp neun Jahren Klimawissenschaftler hier am Max-Planck-Institut in Hamburg. Heute Abend bin ich Ihr Gastgeber. Die wichtigste Frage klären wir deshalb direkt am Anfang: Wer sind Sie eigentlich? Sie sind heute nicht hier als normaler Theaterzuschauer, als Hamburger oder als Deutscher. Sie sind tatsächlich heute hier als Vertreter einer von 196 Delegationen."
Renommierte Klimaforscher beraten die "Delegierten"
Ich spiele heute Abend einen Ukrainer. Florian Rauser dagegen – oben auf dem Podium – ist echt. Und die sechs Männer und Frauen vorn am Konferenztisch sind auch echt. Renommierte Klimaforscher, die schon auf vielen echten Klimakonferenzen waren. Die dort mitdiskutiert und Politiker beraten haben. Einer nach dem anderen stellt sich vor:
"Guten Abend! Mein Name ist Satya Bhowmik. Ich bin in Bangladesch geboren. 1977 wechselte ich nach Hamburg. Ich habe hier Wirtschaftsgeschichte und Politik studiert."
Die Wissenschaftler werden uns heute Abend beraten. Und ganz zum Schluss sollen wir einen kleinen Zettel abgeben mit drei Zahlen, nämlich: Wie viel CO2 wollen wir bis 2020 einsparen, bis 2050. Und wie viel zahlen wir ein in den Klimaschutzfonds. Um den Hals tragen alle Delegierten so kleine Heftchen mit den wichtigsten Daten über unsere Länder, also der aktuelle CO2-Ausstoß, Bruttoinlandsprodukt, die Fläche, Küstenlänge, die Waldfläche oder die Niederschlagsmenge.
Rauser: "Und danach werde ich Sie alle in Ihre einzelnen Räume schicken und dann werden Sie an sieben Orten gleichzeitig parallel weiterverhandeln. Das steht auch exakt in diesem Plan, den Sie alle haben. Da steht der Raum, wo Sie hinmüssen. Ich werde es aber auch nochmal separat ansagen."
Der Applaus ist verebbt. Und ich muss mich einfinden im Marmorsaal im ersten Rang.
"Ich glaube, dass es schon die Weltgemeinschaft machen muss."
Wenig später sitzen neben mir die anderen Mitglieder der Delegation.
Reporter: "Roland Lorenz. Schönen Tag. Axel Schröder. Und wir werden hier das Beste für die Ukraine und für den Klimaschutz rausholen, denke ich. Oder?"
Roland Lorenz: "Auf jeden Fall!"
Reporter: "Und wie fühlt sich das an? Fühlst Du Dich gut vorbereitet oder bist Du noch etwas planlos unterwegs?"
Lorenz: "Halb und halb. Etwas planlos, aber man hat auch Ideen, denke ich."
Reporter: "Was wäre Deine Idee? Wie kann die Ukraine dazu beitragen, das Klima zu retten?"
Lorenz: "Ich glaube, dass es schon die Weltgemeinschaft machen muss. Und ich glaube, dass das einfach neue Ansätze braucht, einfach."
Reporter: "Zum Beispiel?"
Lorenz: "Ich glaube, dass weltweit alle Dächer weiß gestrichen werden müssen. Einfach um die Sonnenstrahlen zurückzuschicken. Weil das Abschmelzen der Polkappen ist ja schon dadurch begründet, dass die eventuell schwarz werden durch den ganzen Ruß, durch den ganzen Kram und uns einfach die weißen Flächen fehlen."
Jetzt müssen wir schon wieder los. Nächste Station ist ein Briefing von Klimaforscher Hartmut Graßl, wie wir uns bei den Verhandlungen am besten mit anderen Ländern zusammentun:
Graßl: "Sie werden merken, dass es Interessen von Entwicklungsländern gibt, die den Interessen mancher Industrieländer sehr nahe sind. Aber auch verschiedene Industrieländer haben sehr unterschiedliche Interessen bei Klimaverhandlungen!"
"Delegierte" gehen auf einen Beratungsmarathon
Eine Viertelstunde hat uns jetzt Hartmut Graßl gebrieft. Und schon geht es weiter zur nächsten Station. Müssen uns schon im nächsten Saal kümmern um das Thema Hitze. Auf Feldbetten. In der Mitte so eine komische Hebebühne. Da steht oben eine Frau drauf und wir legen uns jetzt alle drei auf diese Feldbetten. Und wir setzen jetzt Kopfhörer auf und liegen hinter dem Eisernen Vorhang.
Erzählerin: "Auf den Ostfriesischen Inseln stieg das Thermometer im Juli sogar über 30 Grad Celsius. In vielen ICEs der Deutschen Bahn versagten die Klimaanlagen wegen der Hitze."
Über uns, während wir diesen Text hören, gehen immer mehr Lampen an und man spürt wirklich in zehn, zwölf Meter Entfernung noch die Wärme dieser Theaterleuchten.
"Wir hätten vielleicht eine Chance"
Zweieinhalb Stunden haben wir uns heute Abend die Ratschläge der vielen Experten angehört. Und danach einen kleinen Zettel abgegeben, auf dem wir, die Ukrainer, aufgeschrieben haben, wie viel CO2 wir einsparen können. Und wie viel Geld wir in einen Klimaschutzfonds einzahlen wollen.
Jetzt, ganz am Ende sitzen alle Delegierten wieder im großen Theatersaal. Vorn werden gerade auf einem Laptop die Zahlen ausgewertet. Die große Frage ist: Haben wir es geschafft, das Klima zu retten? Haben wir es heute Abend geschafft, den Temperaturanstieg auf maximal zwei Grad zu begrenzen?
Auswerter: "Also, wenn die Delegationen so abstimmen würden, wie Sie es heute getan haben und die Länder das dann auch tatsächlich so machen würden, wie Sie es vorschlagen, dann hätten wir vielleicht eine Chance, da drin zu bleiben."
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