Luisa Neubauer und ihre Großmutter

Küchengespräche über die Ohnmacht in der Welt

14:07 Minuten
Das Bild zeigt die junge Klimaaktivistin Luisa Neubauer  mit langen braunen Haaren und ihre Großmutter Dagmar Reemtsma mit kurzer Pagenkopf-Frisur. Beide sitzen vor einem hellgrauen Hintergrund auf hohen Barhockern und schauen in die Kamera.
Zwei Generationen, ein Thema: Die Sorge um Umwelt und Klima treibt Dagmar Reemtsma ebenso um wie ihre Enkelin Luisa Neubauer. © Axel Martens
Luisa Neubauer im Gespräch mit Frank Meyer · 10.01.2023
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Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat zusammen mit ihrer Großmutter Dagmar Reemtsma, die sich ebenfalls stark für die Umwelt engagiert, ein Buch geschrieben. Darin sprechen beide darüber, was sie zum Widerstand inspiriert.
Luisa Neubauer ist in der Öffentlichkeit als eloquente Klimaaktivistin und Wortführerin der „Fridays for Future“-Bewegung in Deutschland bekannt. Ihre Wortgewandtheit und ihr sicheres Auftreten habe sie vor allem einer Person zu verdanken, sagt die 26-jährige gebürtige Hamburgerin: ihrer Großmutter Dagmar Reemtsma. Mit ihr habe sie Stunden über Stunden in der Küche zusammengesessen und sich über Umweltschutz, Gleichberechtigung und Weltfrieden ausgetauscht.

Immer freitags nach der Schule

„Immer freitags bin ich nach der Schule zu meiner Großmutter geradelt. Wir haben uns zusammen auf ihre Küchenbank gesetzt und miteinander besprochen, was uns gerade bewegt“, erinnert sich Neubauer. Dort habe sie das Argumentieren und Diskutieren gelernt.

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Die knapp 90-jährige Dagmar Reemtsma, geborene Hänisch und durch Heirat zeitweilig mit dem Tabakkonzern Reemtsma verbunden, engagiert sich seit vielen Jahrzehnten für Umwelt, Frieden und globale Gerechtigkeit, hielt Reden vor den Aktionären von Adidas und kämpfte für eine bessere Bezahlung der Näherinnen in Südostasien.

Steilvorlage für ein gemeinsames Buch

Seit den 1980er-Jahren organisierte Reemtsma Demonstrationen gegen Atomkraft und Kohle und klärte mit der Umweltgruppe "Elbvororte" über die ökologischen Gefahren auf.
All das war eine Steilvorlage für ein gemeinsames Buch, das vor Kurzem erschienen ist: „Gegen die Ohnmacht. Meine Großmutter, die Politik und ich“ heißt es.
Dagmar Reemtsma wuchs in der Zeit des Nationalsozialismus auf, ihr Vater wurde im Konzentrationslager ermordet, als Teenager und junge Frau erlebte sie die Nachkriegszeit und den heraufziehenden Kalten Krieg.

Widerstand trotz Ohnmacht

Ihre Enkelin wuchs dagegen in einer vergleichsweise friedlichen Welt auf. Doch auch diese ist nun schon seit Längerem bedroht: Der Klimawandel trieb Luisa Neubauer auf die Straße, in die Umweltbewegung und zu den Grünen.
Dieses Engagement ändert jedoch wenig an dem Gefühl der Ohnmacht, das, wie Neubauer sagt, viele junge Leute umtreibt und zu Wut und Verzweiflung führt. Großmutter und Enkelin reflektieren in dem Buch über die ganz persönlichen Ursprünge ihrer Ohnmacht und was beide zum Widerstand inspiriert.

Ein Gefühl der Hilflosigkeit

Privat erlebte Neubauer ein für sie sehr schlimmes Gefühl der Ohnmacht, als ihr Vater 2016 an Krebs starb und sie, die Tochter, nichts dagegen unternehmen konnte, sondern hilflos zusehen musste. Eine in etwa vergleichbare Empfindung der Hilflosigkeit erfülle viele Menschen ihrer Generation angesichts des Klimawandels, sagt sie.
Neubauer ärgert sich deshalb über die Verunglimpfung von Klimaaktivistinnen und -aktivisten wie den Mitgliedern der „Letzten Generation“ als „Klimaterroristen“. Aus ihrer Sicht wurde dieser Begriff zu Recht zum Unwort des Jahres gekürt.

Luisa Neubauer und Dagmar Reemtsma: "Gegen die Ohnmacht - Meine Großmutter, die Politik und ich"
Tropen Verlag, 2022
240 Seiten, 24 Euro

„Hier werden Menschen, die sich für den Schutz des Klimas und unserer Lebensgrundlagen einsetzen, bewusst strategisch kriminalisiert. Und der Blick wird abgewandt von denjenigen, die die Unsicherheit überhaupt erst schaffen. Das sind die fossilen Konzerne und das, was sie aus unseren Lebensgrundlagen machen.“

Die Fakten sind längst bekannt

Bezogen auf den Klimawandel sei nicht etwa ein Informationsdefizit das Problem: „Die Informationen sind da, sie sind seit 40 Jahren da. Sie sind auch frei verfügbar – die großen Filme, die großen Bücher sind ja schon in den 80ern, spätestens in den 90ern in die Welt getragen worden. All das ist dort enthalten, was wir heute auch sagen.“
Eine zentrale Frage treibt sowohl Enkelin als auch Großmutter um: „Was machen wir, wenn Krisen um Krisen um Krisen sich überschlagen, und die Menschen, statt mutig voranzugehen und aufzubegehren, sich immer mehr zurückziehen, weil alles viel zu viel ist und am Ende nur noch die Ohnmacht bleibt?“
(mkn)
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