Blinde Pop-Journalistin Amy Zayed

"Vielleicht stelle ich die Fragen, die auch der Hörer stellen würde"

Amy Zayed
Die Journalistin Amy Zayed © privat
Amy Zayed im Gespräch mit Martin Böttcher · 19.10.2017
Die blinde Journalistin Amy Zayed ist viel für die BBC im Einsatz, dort herrschen bessere Arbeitsbedingungen als bei der ARD, sagt sie. Das hilft aber nicht bei voreingenommenen Gesprächspartnern. Der Sänger der Band Stereophonics empfing sie einst äußerst rüde und gab ihr später ein tolles Interview.
Ob Amy Zayed wirklich die einzige blinde Pop-Journalistin Europas ist, weiß sie nicht sicher, aber sie ist bisher noch keiner anderen begegnet. Als 14-Jährige fing sie mit dem Radiomachen an beim britischen Soldatensender BFBS, das Radio wurde dann auch schnell zu ihrer Leidenschaft – ihre zweite Leidenschaft war das Singen.
"Damit habe ich dann aber doch aufgehört – nicht zuletzt weil es genervt hat, dass alle meinten, ich solle mich bewegen wie Stevie Wonder. Ich will mich aber gar nicht bewegen wie Stevie Wonder. Das hat man uns schon an der Grundschule gesagt, bitte, hört auf zu schaukeln, das sieht total peinlich aus. Und diese Bewegung machen Blinde halt im Alltag."
Zur eigentlich sehr visuell geprägten Popkultur hat Zayed keinen anderen Zugang als Menschen mit vollem Sehvermögen.
"Ich sehe noch ein bisschen, und tatsächlich sehe ich besser, je dunkler, je dämmeriger es ist. Vielleicht habe ich als Radiojournalistin den Zugang des Radiohörers, denn der sieht ja auch nichts, der muss sich ja auf das verlassen, was er von mir oder dem Interviewpartner vorgesetzt bekommt. Und vielleicht stelle ich die Fragen, die auch der Hörer stellen würde."

Überforderung beim Gegenüber

Tatsächlich berichtet Amy Zayed auch über visuelle Themen wie Ausstellungen und hat schon einmal mit Storm Thorgerson, dem Plattencover-Designer von Pink Floyd, über dessen Arbeiten gesprochen. Überfordert ist dann eher mal das nichtbehinderte Gegenüber. Kelly Jones, Sänger der britischen Band Stereophonics, hat sich einmal beschwert, dass man ihr eine blinde Journalistin vorsetzte. Als Zayed sich nicht mit den sehr oberflächlichen Antworten des Sängers zufrieden geben wollte, konnte sie aber das Eis brechen, Jones erzählte der Journalistin daraufhin seinen ganzen angestauten Frust, die beiden sind heute befreundet.
Als Radiojournalistin ist Zayed auch viel für die BBC im Einsatz, die deutlich einfachere Arbeitsbedingungen für (seh-)behinderte Menschen bietet als die ARD.
"Die haben überall Rollstuhlrampen eingerichtet. Die haben an jedem Computer einen Screenreader. An jedem! Das heißt ein Redakteur kann einfach sagen, ich probiere jetzt mal einen Blinden aus, wie ich auch einen sehenden Journalisten ausprobieren würde. Hier geht das nicht. Wenn mich jemand einstellen will, dann muss er erstmal einen Antrag stellen, dass ein Screenreader angeschafft wird. Der kostet dann 40.000 Euro. Das macht einfach keiner, da hat keiner Lust drauf."

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