Blick in die Zukunft

Von Propheten, Prototypen und Profit

Eine Illustration zeigt Geschäftsleute auf einem Boot im Meer, die versuchen, sich zu orientieren.
Geschäftsleute auf der Suche: Was ist die richtige Strategie? © imago/Ikon Images
Moderation: Christian Rabhansl · 09.02.2019
Der Blick in die Zukunft ist ein Menschheitstraum. Dass einige Propheten dabei vor allem ihren eigenen Nutzen im Sinn haben, zieht sich durch die Geschichte - von traditionellen Orakeln der Antike bis zu den Startups und Consultants von heute.
Vom Leberorakel zum Startup in Silicon Valley: Die Zukunft vorhersagen zu können, war immer und wird immer ein Traum der Menschen sein. Dass dieser Wunsch nach Vorhersage gerne mal für die eigenen Pläne genutzt und benutzt wird, ist aus Politik und Wirtschaft bekannt. Das war in den Zeiten traditioneller Orakel gängige Praxis. Doch auch im kalifornischen Silicon Valley, der vermeintlichen Zukunftsschmiede unserer digitalisierten Gegenwart, lässt sich diese Strategie beobachten.

Was haben antike Tieropfer mit der Startup-Szene zu tun?

Über Propheten, Prototypen und Profit diskutiert Moderator Christian Rabhansl mit seinen Gästen im Grillo-Theater in Essen. Auf dem Podium:
Jan Martin Ogiermann, Lektor und Autor historischer Sachbücher: Wie seit Jahrhunderten Philosophen, Schriftsteller, Naturwissenschaftler und Politiker künftige Welten erschaffen, beschreibt er in seinem Buch "Zukunft – Eine Biografie". Darin beschäftigt er sich mit dem Blick nach vorne, indem er zurückschaut und dabei die ganze Spanne vom antiken Orakel bis zur Entwicklung künstlicher Intelligenz unter die Lupe nimmt. Der Übergang zum Christentum stelle dabei historisch eine besondere Etappe dar, weil sich damals die Vorstellung von staatlicher Struktur verändert habe: "In dem Moment wo man keine Tiere mehr opfert, kann man auch keine Lebern mehr lesen", fasst er die damit einhergehende Ablehnung von bis dahin üblichen Tieropfern zusammen.
Jochen Kalka, Germanist und Politologe: In seinem Buch "Die Startup-Lüge" konfrontiert er die geradezu euphorische Modeerscheinung der Existenzgründungen mit der Wirklichkeit. In dieser fehlen oft feste Arbeitsverträge, und Ausbeutung ist der Normalzustand. "Das Leberorakel würde auch im Silicon Valley funktionieren", sagt Jochen Kalka. "Neben Facebook und Twitter das Leberorakel - ich stelle mir das großartig vor. Da hätte man wahrscheinlich sofort Investitionen", kommentiert er die aus seiner Sicht fast irreale Atmosphäre dort.
Jens Dirksen, Kulturchef der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (WAZ): "Ich glaube, dass es viele verunsicherte Manager in Deutschland gibt, gerade was das digitale Geschäft angeht", sagt er. So könne man vielleicht auch den Boom der Beratungs- und Consultingangebote erklären, der Deutschland zum zweitgrößten Beratermarkt der Welt macht.

Jochen Kalka, Germanist und Politikwissenschaftler, ist seit 2006 Chefredakteur aller Titel der Werben & Verkaufen GmbH in München. Dazu gehören "w&v", "Der Kontakter" und "LEAD digital". Zuvor war er Chefredakteur des "marketingjournals". Außerdem ist er Autor von "Winnenden. Ein Amoklauf und seine Folgen" (2011 bei DVA).

"Die Startup-Lüge. Wie die Existenzgründungseuphorie missbraucht wird – und wer davon profitiert", Econ Verlag, 2019, 220 Seiten, 18 Euro


Jan Martin Ogiermann studierte Geschichte, Jüdische Studien und Holocaust Studies in Frankfurt, Jerusalem, Potsdam und Berlin. Er arbeitet als Lektor und Ausstellungserklärer in Berlin und schreibt historische Sachbücher.

"Zukunft - eine Biografie. Vom antiken Orakel zur künstlichen Intelligenz", Brandstätter Verlag, 2019, 256 Seiten, 24 Euro


© Econ Verlag
Die Veranstaltung in Essen führt Deutschlandfunk Kultur sechsmal im Jahr mit der Buchhandlung Proust, der WAZ und dem Schauspiel Essen durch. (hum)
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