Doku-Serie über Bill Cosby
Wurde wegen sexuelle Nötigung zu mehreren Jahren Haft verurteilt: der Schauspieler Bill Cosy © picture alliance / dpa
Aufstieg und Fall einer Comedy-Ikone
13:10 Minuten
Gefeierter Comedian und mutmaßlicher Vergewaltiger: Eine Doku-Serie versucht, zwei Seiten des US-Schauspielers Bill Cosbys zusammenzubringen. Dabei liefert sie wichtige Einsichten über die Gesellschaft, meint Filmkritiker Matthias Dell.
Er war ein etablierter Comedian und der weltweit geliebte Familienvater der Serie „The Cosby Show“, dann wurden Vergewaltigungsvorwürfe laut: Der US-Schauspieler Bill Cosby soll mehr als 60 Frauen Drogen gegeben, sie sexuell missbraucht und vergewaltigt haben. 2018 war er wegen sexueller Nötigung zu einer Strafe von mindestens drei und höchstens zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. 2021 kam Cosby wegen eines Formfehlers wieder frei. Der heute 84-Jährige selbst beteuert seine Unschuld. Er hatte zugegeben, Frauen mit Drogen betäubt zu haben, um mit ihnen Sex zu haben. Er habe aber nie gegen ihren Willen gehandelt.
Die vierteilige Doku-Serie „We need to talk about Cosby“ von US-Regisseur W. Kamau Bell thematisiert Leben und Karriere Cosbys und die Vorwürfe gegen den Schauspieler.
Trennung von Künstler und Mensch schwer
Die Doku-Serie mache deutlich, dass die Trennung von Künstler und Mensch im Fall Bill Cosbys inzwischen schwierig sei, sagt Filmkritiker Matthias Dell. Mit dem Wissen, das man heute habe, könne man Cosbys Familien-Sitcom „The Cosby Show“ heute „unschuldig nicht mehr sehen“. Die Fernsehsendung hatte den Schauspieler in den 80ern weltweit berühmt gemacht.
Die vierteilige Dokumentation von W. Kamau Bell verfolgt zwei Stränge. Zum einen kommen Journalisten, Kritiker und Wissenschaftler zu Wort, sowie Menschen, die mit Cosby gearbeitet haben. Parallel wird Cosbys Werdegang nacherzählt: Der Aufstieg ab den 1960ern und sein Erfolg mit der „Cosby Show“. Dabei beleuchte die Doku immer wieder Ambivalenzen im Leben des Entertainers, so Dell. Zwei Seiten hingen demnach bei Cosby immer wieder zusammen: das Gute, Emanzipatorische, Helfende einerseits und das Manipulative, Ausbeutende andererseits.
Auftritte in „Playboy Clubs“
Ein frühes Beispiel seien Cosbys Auftritte in „Playboy Clubs“. Diese Klubs des „Playboy“-Gründers Hugh Hefner boten in den 60er-Jahren die ersten Möglichkeiten für Cosby und andere schwarze Comedians, in der weißen Unterhaltungsindustrie aufzutreten. Hefner sei einerseits „sehr emanzipatorisch“ gewesen, so Dell. Er habe schwarzen Künstlern Raum für Auftritte gegeben und auch Rassisten aus den Clubs geworfen. Die Serie zeige aber andererseits auch, dass „der Hugh-Hefner-Zusammenhang in Bezug auf Frauen extrem sexistisch und patriarchal“ sei. Cosby haben in den Clubs des „Playboy“-Gründers Frauen gefunden, die zu seinen Opfern wurden.
Die Doku-Serie thematisiert die Cosby vorgeworfenen Vergewaltigungen ab den 1960er-Jahren. Dabei würden plötzlich Dinge deutlich, die man früher übersehen habe, meint Filmexperte Dell. So spreche Cosby in einem Programm aus den 60ern oder in einem Talkshow-Auftritt der 90er über das Betäubungsmittel Spanish Fly, mit dem er selbst Frauen betäubt habe, um sie zu vergewaltigen.
"Rape Culture"
Das Tolle an der Serie sei, dass sie eine Antwort darauf liefere, warum derlei damals nicht gesehen wurde, findet Dell: Die „größere These“ der Doku sei die der „Rape Culture“. Einer Kultur, in der Geschlechterbilder so seien, dass Frauen folgenlos vergewaltigt werden könnten. Die Serie zeige, dass man sich mit dieser Kultur beschäftigen müsse, sagt Matthias Dell. „Dann kann man besser beschreiben, in welcher Gegenwart wir leben.“
Die Doku-Reihe „We need to talk about Cosby“ läuft derzeit im US-amerikanischen Pay-TV. In Deutschland ist sie noch nicht zu sehen.
(tmk)