Bilder von Santiago Sierra abgehängt

Wird die Kunstfreiheit in Spanien eingeschränkt?

Ein Katalog zum abgehängten Kunstwerk "Politische Gefangene" des spanischen Künstlers Santiago Sierra liegt auf dem Boden auf der Kunstmesse ARCO in Madrid.
Ein Katalog zum abgehängten Kunstwerk "Politische Gefangene" des spanischen Künstlers Santiago Sierra liegt auf dem Boden auf der Kunstmesse ARCO in Madrid. © Imago / Fernando Villar
Oliver Neuroth im Gespräch mit Shanli Anwar |
Auf der Kunstmesse ARCO in der spanischen Hauptstadt Madrid wurde ein Werk des Künstlers Santiago Sierra entfernt. Der Konzeptkünstler warf den Verantwortlichen deshalb Zensur vor. Das Werk mit dem Titel "Politische Gefangene" zeigt unter anderen katalanische Separatisten in Haft.
Das Werk des spanischen Künstlers Santiago Sierra besteht aus 24 Porträtbildern, die verpixelt sind. Anhand von Texten unter den Fotos sind die abgebildeten Menschen aber zu identifizieren. Es handelt sich um inhaftierte katalanische Separatisten, um verurteilte Gewerkschaftler und auch um Künstler, die wegen ihrer Werke ins Gefängnis mussten.
Und genau diese Katalanen machen offenbar das Kunstwerk so brisant in Spanien, vermutet ARD-Korrespondent Oliver Neuroth:
"Darunter ist zum Beispiel Oriol Junqueras, der ehemalige Vize-Regierungschef Kataloniens, der seit Monaten in U-Haft sitzt. Genauso wie zwei Köpfe von katalanischen Bürgerinitiativen, die Unabhängigkeitsbefürworter in Katalonien nennen sie 'politische Gefangene', genau wie der Titel des Werkes lautet, und aus Sicht der Madrider Regierung ist dieser Begriff völlig falsch."
Berichten zufolge habe der Chef der Messe ARCO angeordnet, das Bild abzuhängen, weil er "Polemik vermeiden" wollte. Er habe sich später entschuldigt, aber ob das Werk zurückkomme, sei fraglich, denn unterdessen habe Sierras Galeristin es verkauft.

Debatte über Kunstfreiheit in Spanien

Die strittige Aktion platzt mitten hinein in eine Debatte über Meinungs- und Kunstfreiheit in Spanien, die gerade wegen des Falls eines mallorcinischen Rappers hochkochte. Der 24-jährige Rapper Valtonyc aus Mallorca muss wegen seiner expliziten Texte für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis.
"Er fordert in seinen Texten dazu auf, den Königspalast zu besetzen. Er klagt an, dass die Königsfamilie ein Luxusleben führe auf Kosten des Steuerzahlers oder er rappt auch, dass ein Regionalpolitiker auf Mallorca von einer Atombombe getroffen werden sollte. Und für die Richter war an dem Punkt spätestens klar: Das ist Terrorverherrlichung und Aufruf zum Mord, und deshalb diese hohe Strafe. Aber da regt sich großer Widerstand."
Hintergrund sei ein seit drei Jahren geltendes umstrittenes Knebelgesetz, berichtet Neuroth, das es der Polizei ermögliche, Bußgelder zu verhängen ohne richterliche Zustimmung, zum Beispiel bei "fehlendem Respekt gegenüber Ordnungskräften" oder auch bei Eingriffen in den Verkehr, bei Veröffentlichungen von Fotos von Polizeibeamten.
"Da geht es um Strafen von bis zu 600.000 Euro, das kritisieren Menschenrechtler stark und sagen, dass dadurch die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, ganz massiv."
(abu)
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