Bilanz der Ruhrtriennale

Erfolg mit schweren Stoffen

Ins rechte Licht gerückt: Der niederländische Intendant der Ruhrtriennale, Johan Simons, wollte ein neues Publikum anlocken.
Ins rechte Licht gerückt: Der niederländische Intendant der Ruhrtriennale, Johan Simons, wollte ein neues Publikum anlocken. © dpa / picture alliance / Bernd Thissen
Von Stefan Keim |
Auf der diesjährigen Ruhrtriennale wurden so viele Karten verkauft wie nie zuvor - trotz eines schwergewichtigen Programms. Intendant Johan Simons wollte Menschen für das Kunstfestival interessieren, die sonst nicht ins Theater gehen. Ist ihm das gelungen?
Johan Simons ist nicht feige. Er will Menschen für die Ruhrtriennale interessieren, die sonst nicht ins Theater gehen. Diesen Anspruch hatten schon viele Theatermacher, und am Ende saßen dann doch die üblichen Verdächtigen im Parkett. Vor allem zu Beginn gab es deutliche Bemühungen, das zu ändern. Da standen Leute der Ruhrtriennale in Dinslaken auf dem Marktplatz und luden die Leute ein, den neuen Spielort, die Zeche Lohberg zu besuchen. Hunderte kamen zu den Proben der Eröffnungspremiere "Accattone". Johan Simons, der selbst aus einfachen Verhältnissen stammt, hat eine direkte, bodenständige Art, die ankommt. Ein Wangen küssender Champagnerschwenker ist er nicht. Aber abgesehen von der direkten Ansprache in Dinslaken war das Marketingkonzept der Ruhrtriennale kaum geeignet, neues Publikum anzusprechen.
Die Ankündigungstexte wirkten sogar auf manche Kulturfans ziemlich unverständlich. Und Theateraufführungen in fremden Sprachen sind zwar reizvoll, müssen sich aber auch den Gegebenheiten anpassen. Im ersten Teil von Krysztof Warlikowskis Inszenierung "Die Franzosen" rasten die Übertitel in einem Tempo am Publikum vorbei, dass in der ersten Pause kaum einer wusste, worum es eigentlich ging. Das Festival stellte hohe Anforderungen an die Leidensfähigkeit seiner Besucher. Was absolut in Ordnung ist, sich aber schlecht mit dem Anspruch verbindet, Kunstunlustige neugierig zu machen. Kulturschaffende sind oft abgehobener von der Alltagswelt als sie selbst vermuten.
Ein Orchester wie eine Big Band
Manchmal rutschte die Ruhrtriennale zwischen die Stühle. Teodor Currentzis dirigierte Richard Wagners "Rheingold" effektvoll, energiegeladen und mitreißend. Manchmal stand das Orchester sogar auf wie eine Big Band. Das begeisterte viele Zuschauer. Aber manche Großkritiker, die ihr inzwischen vielleicht 50. "Rheingold" hörten, vermissten musikalisch die intellektuelle Durchdringung und Feinschattierung. In der überregionalen Presse hagelte es Verrisse. Dennoch hat Johan Simons in seiner ersten Spielzeit sehr viel richtig gemacht. Die Zeche Lohberg in Dinslaken ist ein wunderbarer neuer Spielort, die Verbindung von Pasolinis Film "Accattone" mit Kantaten Johann Sebastian Bachs gelang vorzüglich. Und auch das ruppige, raue "Rheingold" ist ein wagemutiger Schritt in Richtung einer Verschmelzung von Oper und Schauspiel.
Johan Simons hat die Ruhrtriennale seit ihrer Gründung mitgeprägt, schon mit dem ersten Intendanten Gérard Mortier suchte er Spielorte aus und entwickelte Projekte. Simons greift nun viele Ideen Mortiers wieder auf, er will Geschichten erzählen, die mit der Region zu tun haben und dennoch einen großen Kosmos eröffnen. Das gelingt, wenn Künstler die Orte ernst nehmen und sie zu Mitspielern werden lassen. Wenn sie einfach nur Kulissen in die Zechen und Hallen hinein bauen, weil sie danach auf Tour gehen und schon den nächsten Spielort im Hinterkopf haben, geht das daneben. Besonders unangenehm scheiterte Suzanne Kennedy mit "Orfeo", einer verkopften Installation über das Sterben, die inzwischen auch bei den Berliner Festspielen zu sehen war.
Als Abstecherort für den internationalen Festivalzirkus taugt die Ruhrtriennale nicht. Wer hier Erfolg haben will, muss sich mit aller Kraft und Kreativität auf das Ruhrgebiet und die Aura der Industriedenkmäler einlassen. Dann können grandiose Erlebnisse entstehen. Johan Simons hat das geschafft, bei manchen anderen Regieteams war diese Bereitschaft nicht so deutlich zu erkennen. Wahrscheinlich liegt hier auch ein Grund des Kommunikationsproblems: Wenn Kunst in der Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet entsteht, ist es auch leichter, ihren Reiz an Menschen zu vermitteln, die nicht zu den üblichen Verdächtigen gehören.

Ruhrtriennale - Festival der Künste Musiktheater, Schauspiel, Tanz, Installation, Musik (14.08. - 26.09.2015)

Mehr zum Thema