Bette Westera/Sylvia Weve: „Auseinander“

Vom Ende der Liebe

06:13 Minuten
Cover des Buchs „Auseinander“ von Bette Westera und Sylvia Weve. Ein stilisiertes Ehepaar umarmt sich, zwischen ihnen steht ein Kind.
© Susanne Rieder

Bette Westera, Sylvia Weve

Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf

AuseinanderSusanna Rieder , München 2022
Von Kim Kindermann · 06.12.2022
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Wenn sich Mutter und Vater trennen, bringt das auch das Leben der Kinder durcheinander. Ein neues Kinderbuch mit dem Titel "Auseinander" erzählt davon in Reimform. Ungeschönt und bezaubernd.
Was für ein fantastisches Buch über das Ende der Liebe. Ganz ohne Harmonieschleim. Denn in den hier versammelten 44 Gedichten geht es bis auf ganz wenige Ausnahmen ums Auseinandergehen, um die neuen Konstellationen nach einer Trennung und um die Frage: Wie lange hält Liebe eigentlich?
Da knutscht der Vater die Französischlehrerin, Mama trifft einen neuen Mann und zieht mit ihm zusammen. Plötzlich hat man vier anstelle von zwei Omas - oder sogar fünf Opas. Ein neuer Hund zieht ein, nachdem Papa ausgezogen ist, denn der hatte eine Allergie gegen Hundehaare. Dafür steht im Bad nicht mehr Papas Deo und freitags gibt es keine Makkaroni mehr, dafür aber biologisch gesundes Müsli.
Immerhin gibt es jetzt zwei Zuhause: „Mein Vaterhaus/mein Mutterhaus./ In beiden bin ich gleich zu Haus./ In beiden fühle ich mich fein/ und nirgends will ich lieber sein.“
Und auch zwei Väter zu haben, kann vorteilhaft sein, wenn sich der Stiefvater und der biologische wunderbar ergänzen. „Sylvester hat zwei Väter, und das gefällt ihm sehr. Wenn Mama wollte, ging noch einer mehr.“   

Patchwork- und  Regenbogenfamilien

Das Künstlerinnenduo Bette Westera und Sylvia Weve erzählt ungeschönt und zugleich absolut bezaubernd von der europäischen und nordamerikanischen Wirklichkeit, in der die Zahl der Scheidungen in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat und Patchwork- und  Regenbogenfamilien selbstverständlich geworden sind.
Ein erfrischend liberaler Wind weht durch dieses Kinderbuch, das mit seinen fantastisch wilden Illustrationen Kindern endlich die nötige Offenheit bietet, über die Trennung von Eltern zu reden und was das für sie bedeutet. Dabei gelingt es Bette Westera unglaublich gut, sich in ihren Texten auf Augenhöhe mit Kindern zu bewegen.
Die Autorin nimmt sie ernst, versteht ihre Ängste. „Unsinn“ heißt etwa ein Gedicht, in dem ein Junge sich fragt: „Wäre es anders gekommen, hätte er sich besser benommen?" Auch das Thema neue Geschwister kommt vor, wie es sich anfühlt, wenn zu den Stief- noch Halbgeschwister dazukommen: „Nur wir sind halb und Kim ist voll. Das finden wir zwei nicht ganz so toll.“
Klingt ernst, ist aber oft auch lustig: wie der Brief an das Kulturministerium mit der Bitte um verlängerte Ferien für Kinder mit zwei Elternpaaren. Schließlich müssen die Kinder auch mal Ferienzeit zuhause haben. Auch die Schwarze Witwe wird erwähnt - wie überhaupt Tiere und ihr Liebesleben eine gewisse Rolle im Buch spielen. Besagte Spinnenfrau frisst das Männchen nach der Befruchtung auf: „So weißt du, dass es in der Liebe viel schlimmer kommen kann.“

Wilde, raumreifende Bilder

Ohne die Illustrationen von Sylvia Weve wäre dieses Buch aber nur halb so wundervoll. Ihre wilden, raumgreifenden Bilder, mal in knalligen Farben, dann in schwarz-weiß, mal gezeichnet, dann getuscht oder gestanzt, passen perfekt zu den Texten, rahmen sie ein, ergänzen sie, lassen deren Humor und Freigeist deutlich strahlen.
Große Bilderbuchgestaltungskunst ist das. Zumal die japanische Bindung mit ihren durchlaufenden Seiten hintergründig auf das Zusammenspiel vom Festhalten und Loslassen in der Liebe anspielt. Wunderbar und klug. Ein Buch, dem man eine große Leserschaft wünscht.
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