Bert Kaempfert-Anthologie "Today & Yesterday"

Ein Weltstar aus Barmbek

06:17 Minuten
Der Komponist Bert Kaempfert.
Bert - wer? Bert Kaempfert schrieb Welthits wie "Strangers in the Night", dennoch sagt sein Name heute vielen nichts. © Bert Kaempfert Music
Von Vincent Neumann  · 26.11.2020
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"Strangers in the Night", "Spanish Eyes" - diese Ohrwürmer und viele weitere stammen aus der Komponistenfeder von Bert Kaempfert. Universal Music hat nun, 40 Jahre nach dessen Tod, eine Anthologie mit Neuinterpretationen seiner Songs herausgebracht.
"Wen haben wir denn, bitteschön, in der Popularmusik, der wirklich weltweit Anerkennung genießt, und wo die Musik weltweit bekannt ist? Das ist Bert Kaempfert!" Sagt Marc Secara.
Der Sänger und Bandleader aus Berlin ist seit vielen Jahren auf den Spuren von Bert Kaempfert unterwegs – auf Tour, im Studio, und jetzt auch als Teil der neuen Bert Kaempfert-Anthologie "Today & Yesterday", für die verschiedene Künstler die Songs des gebürtigen Hamburgers auf ihre ganz eigene Art und Weise in die heutige Zeit transportieren.
"Als ich dann wirklich ganz tief eingetaucht bin, wurde mir erst klar, was das für ein unglaubliches Genie war, dieser Mann, und was der für Werke geschaffen hat", schwärmt Secara. "Also, dieses unglaublich Leichte ist eigentlich wahnsinnig schwer zu machen, dass das so perlt und dass die Leute das so pfeifen können und die Melodie mitnehmen. Das ist eine hohe Kunst!"

Kaempfert mochte Neuinterpretationen seiner Songs

Eine Kunst, die auch in der heutigen Zeit, rund 60 Jahre nach seinem internationalen Durchbruch und 40 Jahre nach seinem Tod, nichts von ihrer Faszination verloren hat, ob im Original oder neu eingespielt. Für seine Tochter Doris Kaempfert – als Verwalterin des musikalischen Erbes auch für die Zusammenstellung bei dieser Anthologie verantwortlich – sind gerade auch die stilistisch etwas abwegigeren Coverversionen eine echte Bereicherung der Bert Kaempfert-Welt.
"Mein Vater hätte das, glaube ich, wirklich genauso gesehen", bekräftigt sie. "Zu Lebzeiten gab es ja auch schon einige Coverversionen von seinen Kompositionen, die völlig anders waren. Er fand das immer interessant und war eher stolz drauf, dass sich dann eben jüngere Leute zu seiner Zeit auch mit diesem Katalog beschäftigen."
Marc Secara sagt: "Meine Theorie ist: Wenn ein Song wirklich Weltklasse ist, kann man nahezu alles mit ihm anstellen. Das verkraften nicht viele Songs. Aber diese Songs von Bert Kaempfert, die verkraften das! Der Song, das Werk, bleibt der überragende Bestandteil der Produktion – unverwechselbar!"

Platz 1 in den Charts

In Deutschland hatte sich Bert Kaempfert zunächst einen Namen als Arrangeur und Produzent gemacht. Doch als er mit "Wunderland bei Nacht" kein Interesse bei den hiesigen Plattenfirmen wecken konnte, versuchte er es in Übersee und landete prompt einen Riesen-Hit: der erste Deutsche auf Platz 1 der US-Single-Charts.
"Er scheint damit was getroffen zu haben. Und das war damals tatsächlich diese neue Mischung, Big Band-Tradition", sagt Secara. "Er hat bestimmt ganz viel Ellington gehört, Strayhorn. Aber er hat dann was Neues dazu gebaut – zum Beispiel dieser Knack-Bass."
Secara weiter: "Kaempfert wollte mehr Bass hören. Damals, in den Plattenpressungen, war es aber so: Wenn der Bass zu laut gemischt wurde, dann ist die Nadel aus der Rille gehüpft. Und um dem zu entgehen, haben die den Bass heller eingestellt, penetrant hell fast schon, mit einem Plektrum gespielt. Und zusätzlich war da noch im Hintergrund ein Kontrabass. Also, es waren eigentlich oft zwei Bässe auf den Produktionen. Und das hatte man bis dahin nicht gehört!"

Die besten Musiker für den "Kaempfert-Touch"

Entscheidend war aber nicht nur wie, sondern auch mit wem Bert Kaempfert gearbeitet hat. Langjährige Mitstreiter wie Rolf Ahrens und Ladi Geissler, sein kongenialer Partner Herbert Rehbein, aber auch erfahrene, internationale Jazzmusiker wie Herb Geller und Jiggs Whigham waren für den berühmten "Kaempfert-Touch" unerlässlich.
"Das war, glaube ich, auch so ein Geniestreich: Er hat sich die besten Musiker geholt, die man kriegen konnte. Man kann auch jede tolle Musik kleinkriegen, wenn sie schlecht gespielt ist. Aber Kaempferts Produktionen – wenn ich die heute höre, die haben noch so viel Klasse, das ist Wahnsinn!"

Zeitlose Aufnahmetechnik

Davon kann man sich in der neuen Anthologie "Today & Yesterday" überzeugen – als Doppel-CD, Vinyl oder als umfangreiches Earbook mit insgesamt fünf CDs, die nicht nur seine herausragenden Fähigkeiten als Komponist und Arrangeur dokumentieren, sondern auch sein feines Händchen als Produzent
Tochter Doris Kaempfert beschreibt es so: "Die zeitlose Aufnahmetechnik, die er benutzt hat – das muss man ja auch mal in Relation setzen – das klingt ja heute noch gut! Das klingt ja nicht verstaubt, als wenn man eine Wolldecke über den Lautsprecher hängt, sondern es ist immer noch frisch. Insofern ist es immer noch aktuell."
Und so könnte mit dieser Veröffentlichung auch das vielleicht größte Dilemma angegangen werden, sagt Marc Secara: "Ich stell immer wieder fest, dass die Leute den Namen kaum kennen: Bert Kaempfert – Who?"
Ein Weltstar aus Hamburg-Barmbek, der in seiner deutschen Heimat fast etwas in Vergessenheit geraten ist – auch, weil er zeitlebens lieber seine Melodien sprechen ließ, anstatt selber zu reden.

"Today & Yesterday - The Bert Kaempfert Anthology"
Universal Music
Als 5-CD-Buch im LP-Format, als Doppel-CD sowie als Zweifach-Vinyl

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