Musik-Metropole an der Elbe
"Hamburg Musik!" zeigt die vielschichtigen Beziehungen zwischen der Hansestadt und ihren Musikliebhabern. Zwar bescheinigt Autor Joachim Mischke den Hamburgern eine immer wieder aufflammende Musikbegeisterung. Ihr eher konservativer Geist wirkte sich in musikalischer Hinsicht jedoch nicht immer glücklich aus.
Die Elbphilharmonie soll das musikalische Flagschiff Hamburgs werden – finanziert nicht nur aus öffentlicher Hand, sondern mit großzügiger Unterstützung betuchter Hanseaten, die damit die Elbmetropole als Musikstadt ausbauen möchten. Der Musikjournalist Joachim Mischke verfolgt in "Hamburg Musik!" detailliert die vielschichtigen Beziehungen zwischen der Hansestadt und ihren Musikliebhabern, für die dieses Projekt das jüngste Beispiel ist. Immerhin wurde bereits das "Operntheatrum" am Gänsemarkt 1678, nur 20 Jahre nach dem weltweit ersten Opernhaus in Venedig, von Musik liebenden Bürgern gebaut.
Mischke bescheinigt zwar den Hamburgern eine immer wieder aufflammende Musikbegeisterung. Ihr eher konservativer und an finanziellen Werten orientierter Geist hingegen wirkte sich in musikalischer Hinsicht nicht immer glücklich aus. Beispielsweise machten die an der Elbe geborenen Komponisten – angefangen bei Johann Adolf Hasse über Felix Mendelssohn-Bartholdy und Johannes Brahms bis zu Paul Dessau – keine oder erst späte Karrieren in der Heimatstadt. Sie waren zu ihrer Zeit Avantgardisten, und die wurden in Hamburg, folgt man Mischkes Darstellung, erst nach 1945 goutiert - nicht zuletzt dank engagierter Intendanten und Dirigenten wie Rolf Liebermann, der neuen Klängen zunächst im NDR und dann an der Hamburger Staatsoper Gehör verschaffte.
Auf über 370 Seiten hat der Autor eine Fülle von Fakten und unterhaltsamer Anekdoten gesammelt, welche die musikalischen Akteure und das hanseatische Publikum zwar liebevoll, aber durchaus nicht immer im rosigsten Licht beschreiben: "Solide Hamburger Kaufleute standen aneinandergemauert, als wäre es ein wichtiges Börsengeschäft, das hier verhandelt werden sollte. Es schwebte ihnen ein Lächeln um den Mund, als hätten sie Papier gekauft und unglaublich daran verdient", zitiert Mischke Hans Christian Andersen über die Hanseaten während des ersten Konzertes von Franz Liszt, und von Heinrich Heine ist das folgende Bonmot über Hamburgs Kultur zu lesen: "Huren genug, aber keine Musen".
Konzeptionell gelungen ist die Darstellung der Entwicklungen an Hand des Auf und Ab der Hamburger Opernhäuser und Konzertsäle oder so einflussreicher Sechziger- und Siebzigerjahre-Etablissements wie Starclub oder Pö's, einem Treffpunkt für Jazzer, Rocker und intelligente Liedermacher gleichermaßen: Geschichte, an der wiederum nicht nur Musiker, sondern auch Musikliebhaber, Mäzene und Musikmanager beteiligt waren. In manchem Detail wartet der Autor dabei mit erstaunlichen Zahlen auf: 1827 etwa wurde Beethovens Egmont vor nicht weniger als 2800 Zuhörern im Stadttheater aufgeführt.
Die ersten 450 Jahre der Hamburger Musikgeschichte werden eher kursorisch, jedoch an Hand ausdrucksstarker Beispiele geschildert. Detaillierter beschäftigt sich Mischke mit der Zeit nach 1933 und vor allem nach 1945. Das ist aufschlussreich, solange es beispielsweise um die Geschichte der von den Nazis verfolgten Jazz-begeisterten "Swing-Kids" geht oder – endlich, nachdem die Populärmusik bis dahin im Buch praktisch nicht stattfand – nicht nur dem klassischen Musikbetrieb, sondern auch den Beatles in Hamburg, Bert Kaempfert und lokalen Rockgruppen wie der "Hamburger Schule" Kapitel gewidmet werden. Abschnitte über die genaue Abfolge von Intendanten und Dirigenten erscheinen dagegen eher lokalpatriotisch gefärbt, selbst wenn Hamburg durch Hans Schmidt-Isserstedt und Günter Wand mit besonders sympathischen Dirigenten gesegnet war.
Interessant und amüsant schildert Mischke, wie Telemann und Carl Philip Emanuel Bach das frühe Hamburger Musikleben prägten oder dass Gustav Mahler in Hamburg zwar Opern, aber keine philharmonischen Konzerte dirigieren durfte. Die vielen Straßennamen und nicht leicht nachvollziehbaren Ortsangaben übergeht der Nichthamburger ohne Groll oder verschiebt ihren Nachvollzug – vermutlich ganz im Sinne des Autors – auf einen Besuch vor Ort. Allerdings wünscht man sich genaue Quellenangaben und nicht nur ein umfangreiches Literaturverzeichnis. Positiv fällt dagegen das vollständige Namensregister auf.
Für 500 Jahre Musikgeschichte einer Stadt wie Hamburg sind 370 Seiten letztlich wenig; so wird diese Zeitwanderung notwendigerweise weder den darin vorkommenden Musikern noch angedeuteten Entwicklungen vollkommen gerecht - aber auch hier kann das Literaturverzeichnis beim Wunsch nach Vertiefung helfen. Unterhaltsam und anregend ist die Lektüre allemal; als musikbegeisterter Mensch könnte man sich glatt nach einer ähnlichen Musikhistorie für die eigene 'Musikstadt' sehnen.
Rezensiert von Christiane Gerischer
Joachim Mischke: Hamburg Musik!,
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008,
398 Seiten, 22 Euro
Mischke bescheinigt zwar den Hamburgern eine immer wieder aufflammende Musikbegeisterung. Ihr eher konservativer und an finanziellen Werten orientierter Geist hingegen wirkte sich in musikalischer Hinsicht nicht immer glücklich aus. Beispielsweise machten die an der Elbe geborenen Komponisten – angefangen bei Johann Adolf Hasse über Felix Mendelssohn-Bartholdy und Johannes Brahms bis zu Paul Dessau – keine oder erst späte Karrieren in der Heimatstadt. Sie waren zu ihrer Zeit Avantgardisten, und die wurden in Hamburg, folgt man Mischkes Darstellung, erst nach 1945 goutiert - nicht zuletzt dank engagierter Intendanten und Dirigenten wie Rolf Liebermann, der neuen Klängen zunächst im NDR und dann an der Hamburger Staatsoper Gehör verschaffte.
Auf über 370 Seiten hat der Autor eine Fülle von Fakten und unterhaltsamer Anekdoten gesammelt, welche die musikalischen Akteure und das hanseatische Publikum zwar liebevoll, aber durchaus nicht immer im rosigsten Licht beschreiben: "Solide Hamburger Kaufleute standen aneinandergemauert, als wäre es ein wichtiges Börsengeschäft, das hier verhandelt werden sollte. Es schwebte ihnen ein Lächeln um den Mund, als hätten sie Papier gekauft und unglaublich daran verdient", zitiert Mischke Hans Christian Andersen über die Hanseaten während des ersten Konzertes von Franz Liszt, und von Heinrich Heine ist das folgende Bonmot über Hamburgs Kultur zu lesen: "Huren genug, aber keine Musen".
Konzeptionell gelungen ist die Darstellung der Entwicklungen an Hand des Auf und Ab der Hamburger Opernhäuser und Konzertsäle oder so einflussreicher Sechziger- und Siebzigerjahre-Etablissements wie Starclub oder Pö's, einem Treffpunkt für Jazzer, Rocker und intelligente Liedermacher gleichermaßen: Geschichte, an der wiederum nicht nur Musiker, sondern auch Musikliebhaber, Mäzene und Musikmanager beteiligt waren. In manchem Detail wartet der Autor dabei mit erstaunlichen Zahlen auf: 1827 etwa wurde Beethovens Egmont vor nicht weniger als 2800 Zuhörern im Stadttheater aufgeführt.
Die ersten 450 Jahre der Hamburger Musikgeschichte werden eher kursorisch, jedoch an Hand ausdrucksstarker Beispiele geschildert. Detaillierter beschäftigt sich Mischke mit der Zeit nach 1933 und vor allem nach 1945. Das ist aufschlussreich, solange es beispielsweise um die Geschichte der von den Nazis verfolgten Jazz-begeisterten "Swing-Kids" geht oder – endlich, nachdem die Populärmusik bis dahin im Buch praktisch nicht stattfand – nicht nur dem klassischen Musikbetrieb, sondern auch den Beatles in Hamburg, Bert Kaempfert und lokalen Rockgruppen wie der "Hamburger Schule" Kapitel gewidmet werden. Abschnitte über die genaue Abfolge von Intendanten und Dirigenten erscheinen dagegen eher lokalpatriotisch gefärbt, selbst wenn Hamburg durch Hans Schmidt-Isserstedt und Günter Wand mit besonders sympathischen Dirigenten gesegnet war.
Interessant und amüsant schildert Mischke, wie Telemann und Carl Philip Emanuel Bach das frühe Hamburger Musikleben prägten oder dass Gustav Mahler in Hamburg zwar Opern, aber keine philharmonischen Konzerte dirigieren durfte. Die vielen Straßennamen und nicht leicht nachvollziehbaren Ortsangaben übergeht der Nichthamburger ohne Groll oder verschiebt ihren Nachvollzug – vermutlich ganz im Sinne des Autors – auf einen Besuch vor Ort. Allerdings wünscht man sich genaue Quellenangaben und nicht nur ein umfangreiches Literaturverzeichnis. Positiv fällt dagegen das vollständige Namensregister auf.
Für 500 Jahre Musikgeschichte einer Stadt wie Hamburg sind 370 Seiten letztlich wenig; so wird diese Zeitwanderung notwendigerweise weder den darin vorkommenden Musikern noch angedeuteten Entwicklungen vollkommen gerecht - aber auch hier kann das Literaturverzeichnis beim Wunsch nach Vertiefung helfen. Unterhaltsam und anregend ist die Lektüre allemal; als musikbegeisterter Mensch könnte man sich glatt nach einer ähnlichen Musikhistorie für die eigene 'Musikstadt' sehnen.
Rezensiert von Christiane Gerischer
Joachim Mischke: Hamburg Musik!,
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2008,
398 Seiten, 22 Euro