Zeitreise an die Anfänge der Beatles

Von Elske Brault · 29.05.2009
Hamburg ist für die Karriere der Beatles entscheidend gewesen: Dort nahmen sie ihre erste Platte auf, trafen Ringo Starr, entwickelten Gitarrentechnik und Gesangsstil. Jetzt wurde mit der "Beatlemania" eine Erlebniswelt rund um die Geschichte der bedeutenden Pop-Band eröffnet - mitten auf der Reeperbahn, wo einst alles begann.
Die Clubs der Großen Freiheit und der Reeperbahn, in denen diese Band schraddelte, sie sind hier alle versammelt: Die Eingänge zum "Indra", zum "Kaiserkeller", zum "Top Ten" und zum "Star Club" sind nebeneinander nachgebaut, Schaukästen zeigen die Originalaushänge und Programme von 1960, das "Indra" beispielsweise pries barbusige Mädchen an. Als die Beatles dort die Tanzmusik lieferten, schliefen sie im Hinterraum eines Kinos. Ulf Krüger, künstlerischer Berater der "Beatlemania", weist auf ein Foto:

"So sah das da aus. Das waren Betonwände und von der Decke hing eine nackte Glühbirne. Und kein Tageslicht, nichts. Und da mussten die Jungs dann in so Militärbetten schlafen."

Horst Fascher: "Es stank tierisch nach Schweiß, weil da auch die durchgeschwitzten Klamotten zum Trocknen hingen und dergleichen. Und es war unmenschlich."

Horst Fascher, Sankt-Pauli-Original und zu jener Zeit Geschäftsführer des "Star Club", holte die "Beatles" aus dem Loch. Rasch stieg die Gage jedes Bandmitglieds von 35 Mark pro Woche auf 450. Ein Interview mit Fascher vermisst man zwar auf dieser ersten Etage der "Beatlemania", doch im Übrigen gelingt die Zeitreise. Dank vieler Plakate, Autogrammkarten der noch völlig unbekannten Band und teilweise hier erstmals veröffentlichter Fotos. Dazu berichtet der Musiker Klaus Voormann im Video-Interview, wie er die Beatles in jenen Tanzschuppen erlebte.

"Der erste Eindruck war einfach: Diese Frische, diese Frechheit. Und dazu kam, ich glaub das erste Lied, was ich gehört hab, war: For Goodness Sake. Wie Paul gesungen hat - also ich bin vom Stuhl gefallen. Das war unwahrscheinlich."

Eine Etage tiefer ist die elektronische Musikwelt der Sechziger nachgestellt; alte Plattenspieler und Verstärker. Ein mit Sperrholzmöbeln eingerichtetes Büro beherbergt vergilbte "Star-Club"-Aktenordner und das, worauf Ulf Krüger besonders stolz ist:

"Da liegt der Original-Schallplattenvertrag der Beatles mit Bert Kaempfert. Also das Stück ist mindestens 150.000 Euro wert."

Aber die Originale werden weniger und weniger beeindruckend, die Nachbauten immer größer. Anfangs vermitteln sie noch erfolgreich die ärmliche Ausstattung, quasi das Sperrholzlebensgefühl der Sechziger. Ein Studionachbau zeigt, mit was für einer riesigen, schwerfälligen Bandmaschine, mit welch simplen Instrumenten die ersten Tonaufnahmen der Beatles entstanden.

"Einfachste Besetzung: Schlagzeug, Gitarren und so sind alle baugleich - wie die Beatles sie damals gespielt haben. Wenn’s die echten Instrumente wären, hätten wir das mit unserem Budget nie und nie erschwingen können."

2,5 Millionen Euro standen zur Verfügung. Und die muss das Privatmuseum, da es keine Subventionen erhält, auch wieder einspielen. Also kann der Besucher im Studionachbau Karaoke singen und seine eigene Version eines Beatles-Hits mitnehmen. Im lebensgroßen dreidimensionalen Nachbau der "Sergeant-Pepper"-Plattenhülle kann er sich fotografieren, quasi neben seine Idole mit aufs Plattencover schmuggeln. Und der blubbernde Innenraum der "Yellow Submarine" wird mit den vielen Ausschnitten aus dem gleichnamigen Zeichentrickfilm sicher die Kinder begeistern, aber wie sehr dieser Film stilbildend wirkte, wie er Pop Art und Flower-Power-Mode beförderte, erfährt man nicht. Die "Beatlemania" will eben mehr sein als ein Museum, sie will beeindrucken und überwältigen. In einem Multimediaraum sieht man den Auftritt der Beatles vor 50.000 Zuschauern im New Yorker "Shea-Stadion".

Nachrichtensprecher im Filmausschnitt: "Es ist das erste Mal in der Geschichte der modernen Unterhaltungsmusik, dass eine solche Veranstaltung in einem derartigen Rahmen stattfindet. – Here are the ‚Beatles’! – (Kreischen.)"

Dann öffnen sich die Vorhänge zu beiden Seiten, Filmprojektoren werfen Bilder kreischender Fans auf alle vier Wände, so dass der Besucher umzingelt ist von Massenhysterie. Bloß: Die Dimension des "Beatles"-Wahns wurde auch schon vorher anschaulich durch die Vielfalt der ausgestellten Fanartikel: Vom mit "Beatles"-Köpfen bedruckten Kleid über den "Beatles"-Porzellanteller bis zur "Beatles"-Spielzeuggitarre.

"Weil es so kitschig ist, deshalb ist es ja so kultig. Zum Beispiel hier: zwei Figuren von Ringo und Paul, die es auch nur so gab. Das ist ein Badewasserzusatz in dieser Flasche. Man dreht den Kopf ab und macht das in sein Bad."

Uwe Blaschke hat mit seiner Sammlung von Beatles-Devotionalien den Grundstock für die Schau geliefert. Von ihm stammt auch jener erste Original-Plattenvertrag. Hätte sich die "Beatlemania" auf diese Stücke beschränkt, auf zwei Etagen, statt sich zur Erlebniswelt auf fünf aufzublasen, sie wäre besser. Auch der Vergleich mit anderen Bands jener Zeit fehlt. So bildet die "Beatlemania" das Phänomen Beatles nur ab. Es zu erklären, versucht sie gar nicht erst.