Proteste in China

„Sie wollten gesehen werden“

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Um gegen die Zensur in China zu protestieren, zeigen Demonstranten in Peking weiße Blätter.
Um gegen die Zensur in China zu protestieren, zeigen Demonstranten in Peking weiße Blätter. © picture alliance / AP / Koki Kataoka
Xifan Yang im Gespräch mit Markus Richter und Katja Bigalke · 03.12.2022
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Kaum einer traute sich in China noch, Journalisten Interviews zu geben. Bei den aktuellen Protesten war es anders, sagt „Zeit“-Korrespondentin Xifan Yang. „Die Leute wollten, dass die Welt von den Protesten erfährt.“
Als in den vergangenen Tagen Hunderte Menschen in China gegen die Null-Covid-Politik protestiert haben, berichtete auch die „Zeit“-Korrespondentin Xifan Yang darüber. „Ich war am Sonntag bei den Protesten, und da ist etwas ganz Besonderes passiert“, erzählt sie. „Da wollten viele junge Menschen auf einmal reden. Das war in den letzten Jahren zunehmend so, dass überhaupt niemand mehr in China mit einem sprechen wollte, teilweise auch nicht mehr anonym.“
Es sei enorm schwierig geworden, in China überhaupt noch Interviews zu führen, weil die Menschen so viel Angst hätten. Diesmal aber sei es anders gewesen: Die Leute wollten gesehen werden, sie wollten, dass die Welt von den Protesten erfährt.

Aufforderungen zum Rücktritt Xi Jinpings

Auch seien es die ersten Proteste seit tatsächlich 1989, bei denen junge Menschen nicht nur regierungskritische Slogans rufen, sondern die Kommunistische Partei und ihren Führer Xi Jinping darin explizit zum Rücktritt auffordern. „Hinter diese Slogans stehen auch nicht alle Demonstrierende. Das ist ein wichtiger Punkt. Das waren nur wenige, die da so mutig waren. Aber solche Rufe hat man in China seit 1989 nicht mehr gehört. Entsprechend ernst nimmt das Regime auch die Proteste.“
Auslöser waren die Brände in der chinesischen Stadt Urumqi, bei denen mindestens zehn Menschen gestorben sein sollen, weil sie ein brennendes Haus wegen Coronamaßnahmen nicht verlassen konnten.  Doch es geht den jungen Menschen nicht nur um die strenge Corona-Politik. „Dahinter steckt auch noch viel mehr“, so Xifan Yang. Viele Menschen seien sehr frustriert über die politische Entwicklung im Land, über die sogenannte Kaiser-Krönung Xi Jinpings auf dem 20. Parteitag. „Dazu kommt, dass viele junge Menschen gesehen haben, wie im Iran mutige Frauen auf die Straßen gehen. Die Menschen haben gesehen, dass bei der WM in Katar die Fans keine Maske tragen müssen. Dazu kommen noch die Jugendarbeitslosigkeit und die wirtschaftliche Lage – und dass man seit drei Jahren nicht mehr ins Ausland reisen kann.“

Sorgen um die Sicherheit

Nun versucht die Polizei weitere Proteste rigoros zu verhindern. Die Parteiführung kündigte auch an, hart gegen Infiltration und Sabotage vorzugehen. Deswegen würden viele Menschen zugesagte Interviews wieder zurückziehen, weil sie sich doch um die eigene Sicherheit fürchten. „In diesem Moment muss man das als ausländischer Korrespondent auf jeden Fall auch akzeptieren“, so Xifan Yang.
In Shanghai wurde ein Reporter der BBC für mehre Stunden verhaftet. Die Polizei soll ihn geschlagen und getreten haben. „Wir machen uns gerade alle sehr große Gedanken um unsere Sicherheit“ und um „die Sicherheit unserer chinesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Xifan Yang. Am riskantesten sei die Situation derzeit aber für die Menschen in China, die protestieren wollen.
(lkn)
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