Bebauung Bayerns

Landnahme der Moderne

Der Alte Schulweg (Kulturweg) nahe Dammbach im Hochspessart
Alter Schulweg im Spessart - ab dem 12. Jahrhundert weitet man die Besiedelung auch in die Mittelgebirge hinein aus. © picture alliance / ZB / Reinhard Kaufhold
Von Heiner Kiesel · 26.05.2015
Das 11. Jahrhundert war eine Zeit der Expansion. Die Bevölkerung wuchs, die landwirtschaftlichen Möglichkeiten änderten sich und die Menschen wurden mobil. Ein Überblick der letzten 1000 Jahre zur Landschaftsbebauung mit Dreifelderwirtschaft und Pest.
Bayern im 11. Jahrhundert. Die Bäume fallen. Es ist eine Zeit der Expansion – in ganz Mitteleuropa. Eine Warmzeit ermöglicht kulturelle und wirtschaftliche Innovationen. Helmut Flachenecker, er ist Professor für Geschichte des Mittelalters und fränkische Landesgeschichte an der Universität Würzburg, beschreibt eine Gesellschaft im Aufbruch.
"Wir haben eine Bevölkerungszunahme. Diese Bevölkerungszunahme hängt damit zusammen, dass wir andere landwirtschaftliche Möglichkeiten haben, also der Ertrag, die Ernten werden größer – die Einführung der Dreifelderwirtschaft. Es wird sicherer zu leben, die Menschen verlassen ihre Siedlungsnischen. Man kann auch woanders leben, der Frieden, der Schutz wird besser garantiert."
Die Menschen von damals entfalten eine erstaunliche Mobilität. Städtische Gesellschaften bilden sich aus, Bauern wandern dorthin, wo sich das Bestellen der Äcker lohnt. Lange genug hat man sich mit dem begnügt, was der Historiker Flachenecker als Gunsträume bezeichnet: Also Flächen wie das Gau um Straubing oder die fränkische Mainebene: Gute Böden und ein moderates Klima. Hier wurde zuerst gesiedelt.
"Jetzt im 12./13. Jahrhundert reichen diese Räume nicht mehr aus, also geht man auch in die Mittelgebirge hinein und rodet dort und legt neue Ortschaften an. Also wird die Fläche besiedelt – sei es der Spessart, der Odenwald, oder auch das Fichtelgebirge, der Bayerische Wald und man geht auch stärker in den Alpenraum hinein. Der besiedelte Raum, die Kulturlandschaft wird entscheidend größer."
Pest hinterlässt tiefe Narben – bis heute
Die Grundherren profitieren von gestiegenen Einnahmen. Es wird in öffentliche Bauten, Straßen für den Fernhandel investiert. Es geht aufwärts – bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts.
"Dann kommt die Pest, was zu einem massiven Einbruch in der Bevölkerung führt. Hinzu kommen auch veränderte klimatische Bedingungen und es dauert in manchen Regionen bis in die Zeit um 1500, dass man wieder bei Bevölkerungszahlen um das Jahr 1300 ist."
Aber Bayern trägt die tiefen Narben der Krise. Bis heute: Ein deutliches Zeichen dafür ist der seither deutlich gewachsene Anteil von Wald an der Landesfläche. Durch die Seuche fehlten die Menschen, um die Felder zu bestellen. Es kommt zu einem Verlassen der Dörfer, so Helmut Flachenecker ...
"... aber auch bewusst herbeigeführt durch die Landesherren, die neue Siedlungsstrukturen aufgebaut haben, aber auch die Orden der Zisterzienser und Prämonstratenser, die große Wirtschaftseinheiten angelegt haben und im sogenannten Bauerlegen, die Bauern vertrieben haben. Also, wenn Sie so wollen, große landwirtschaftliche Betriebe angelegt haben."
Wer sich nicht damit abfinden will, dass die Expansionsfläche auf dem Land begrenzt bleibt, der geht in die Stadt, wird Handwerker. Manche suchen ihr Glück jenseits der Elbe, oder gleich in Übersee. Wanderungsbewegungen, die für Bayern aber vergleichsweise schwach ausfallen.
Die Bevölkerung des Landes wächst nur sehr langsam an. Erst lange Zeit später, im 19. Jahrhundert, mit der Industrialisierung ändert sich das. Aber dann rasant: Seit 1800 ist die Bevölkerung Bayerns von 3,5 Millionen auf 12,5 Millionen angewachsen.
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