Bayern

Bürgermeister eines Geisterdorfes

Schönstheims Bürgermeister Anton Engelhardt am Brunnen des untergegangenen Dorfes
Schönstheims Bürgermeister Anton Engelhardt am Brunnen des untergegangenen Dorfes © Deutschlandradio Kultur / Heiner Kiesel
Von Heiner Kiesel · 26.05.2015
Eine Brunnenfassung, ein paar Hügel, ein Name - oft ist es nicht viel, was an verschwundene Dörfer erinnert. An manche dieser Geisterdörfer wird aber bis heute noch gedacht. Und manche von ihnen haben sogar noch einen Bürgermeister.
Anton Engelhardt: "Hier sehen Sie eigentlich die ganze Fläche der Gemeinde Schönstheim, mit den 301 Hektar und eingezeichnet sind die befestigten Wege und die ganzen Grundstücke, so wie sie schon bei den Bauernhöfen vor 500 Jahren bestanden haben. Man hat auch versucht in allen Bereichen jedem ein Grundstück zu geben im guten wie im schlechten Bereich, so dass jeder dieser 16 Höfe – oder 16 Huben – an allen wichtigen Stellen auch ein Grundstück besitzt."
Das sind mächtige Pranken, mit denen Anton Engelhardt über die Karte seines Dorfes streicht. Er ist 74, hat ein Leben auf dem Feld und im Weinberg hinter sich. Bodenständig durch und durch. Das Kartenblatt ist in Plastik eingeschweißt und zeigt einen Geländeausschnitt ganz im Süden des Landkreises Würzburg, Südwest-Franken; ein paar Kilometer weiter beginnt schon Baden-Württemberg. Engelhardt ist für ein Jahr der Bürgermeister von Schönstheim. Aber das Dorf, das gibt es gar nicht. Bürgermeister Engelhardt deutet auf einen Fleck auf der Karte. Hier steht er, mittendrin. Aber um ihn herum sind keine Bauernhöfe, eine Lichtung, dann nur Bäume. Kein Dorf.
Anton Engelhardt: "Ich sag einmal, der Schönstheimer Wald stellt eine Besonderheit dar in der ganzen Umgebung. Es kommen auch des öfteren Mal Leute, die das anschauen wollen und die können nicht verstehen, dass es eine Gemeinde mit Bürgermeister gibt, die aber keine Bürger hat."
Schon lange nicht mehr. Es gab hier tatsächlich mal einen Ort. Dippach hieß er, in Urkunden taucht er im späten 13. Jahrhundert auf. 16 Bauernhöfe verteilen sich lose um die Burg Schönstein. Offene, blühende Landschaften im Hochmittelalter. Aber im 16. Jahrhundert war das nur noch Erinnerung. Verlassen, verfallen – eine Wüstung. Der Ortsname verschwindet, wird durch den verballhornten Namen der Burg ersetzt. Es bleibt ein Bürgermeister ohne Dorf und die gewachsenen Geschichten.
Angst vor Landknechtshorden
Anton Engelhardt: "Also das Dorf soll aufgelassen worden sein, zwischen 1470 und 1500 und man vermutet, dass sich das dann sukzessive entwickelt, dass teilweise noch Äcker bewirtschaftet wurden und das andere dann gleich mit Wald angeflogen ist, also sich also selber so entwickelt hat. Wir wissen, dass ein Teil der Besitzer dann nach Röttingen gezogen ist und ein Teil nach Riedenheim, weil die immer wieder von marodierenden Landsknechtshorden angegriffen worden sind – und die kleine Ortschaft konnte sich nicht wehren und dann hat man sie aufgelassen."
Aber nicht vergessen: Jedes Jahr Anfang Mai wählen 16 Vertreter der ehemaligen Höfe den Bürgermeister. Jeder muss mal ran. Die acht ältesten werden im Wechsel 1. Bürgermeister, zur Repräsentation, von den Jüngeren macht einer als Stellvertreter die Arbeit. Lange Zeit haben sie das ganz eigenständig gemacht. Und, wie Engelhardt stolz vermerkt, nahezu immer mit schwarzen Zahlen. Ein kommunaler Sonderfall was die Finanzen angeht. Eine verwaltungstechnische Anomalie, die nach Erklärungen verlangt.
Anton Engelhardt: "Ich schätze mal es sind ungefähr 180 Grundbesitzer, die hier drinnen Anteile haben, aber 16 Hubvorstände, die, wenn sie so wollen, den Gemeinderat der Gemeinde Schönstheim bilden, die ja keine Bürger hat, aber noch etwa 20 bis 22 Hektar Fläche, Wiesen und Wald, die Gemeindeland sind und immer von den jeweiligen Bürgermeistern in diesem Jahr verwaltet und bewirtschaftet werden."
Peter Rückert: "Wüstungen oder aufgelassene Orte gab es zu jeder Zeit, gibt es zu jeder Zeit. Der Unterschied ist, dass wir von einer Wüstungsperiode, oder Wüstungsphase dann sprechen, wenn die Wüstungen wirklich massenhaft auftreten, so dass wir die Prozente an der Gesamtsiedlungskonstellation durchaus ausrechnen können."
Peter Rückert, Leitender Archivar am Staatsarchiv Baden-Württemberg
Peter Rückert, Leitender Archivar am Staatsarchiv Baden-Württemberg © Deutschlandradio / Heiner Kiesel
Die Geschichte von Schönstheim kennt Peter Rückert sehr gut. Es ist eine besondere, aber doch eine von vielen, die der Archivdirektor am Staatsarchiv Baden-Württemberg erforscht hat. Was die Sache mit den Landsknechten angeht, da legt er den Kopf etwas schief. Aber dazu später. Seine Fachkollegen nennen den Historiker immer noch "den Wüstungs-Rückert". Durchaus anerkennend ist das gemeint. Rückert und seine Lehrer an der Uni Würzburg haben maßgeblichen Anteil daran, dass Franken bei der deutschen und internationalen Wüstungsforschung ganz vorne liegt.
Vor 20 Jahren hat Rückert, sehr akribisch und fleißig wohl alle im Mittelalter verlassenen Dörfer Mainfrankens und des Tauberlandes ermittelt, aus den Quellen zusammengetragen, wann sie besiedelt und wann sie verlassen wurden. Sein Material zeichnet eine tiefgreifende Krise nach.
Peter Rückert: "Wenn wir das für eine überregionale räumliche Bezugsgröße erheben, dann stellen wir fest, dass es im mittleren mainfränkischen Raum etwa 20 Prozent der Orte sind, die um 1300 bestanden und bis 1450 aufgelassen werden, in Mittelgebirgen, wie der Rhön oder dem Steigerwald sind es gar bis zu 50 Prozent, also das heißt, fast jeder 2. Ort fiel damals wüst und das ist in einem größeren Kontext zu erklären."
Die Wüstungswelle hatte große Teile Europas erfasst, wie stark sie in den einzelnen Regionen war – darüber gibt es sonst selten gesicherte Zahlen. Aber überall gilt: Die untergegangenen Dörfer haben eine Lücke hinterlassen. Nicht nur auf den Landkarten, auf denen Flurnamen die neue Leere benennen: Hier ein Brönnhof, wo bloß eine birkengesäumte Lichtung gähnt und dort ein "Sonstwie -häuser-Weg", der ins offene Feld führt. Die verschwundenen Dörfer stehen für einen Riss im Gewebe der Siedlungen, für eine Irritation im Vertrauen auf die Zukunft. Leere, die mag der Mensch nicht. Zur Not füllt er sie mit Geschichten.
Peter Winkler: "Da müssen wir jetzt hoch ..." (Schlüssel, Knarzen)
Ausschlachtung durch Nachbardörfer
Ein Abstecher an das Nordende des Landkreises Würzburg. Opferbaum, 750 Einwohner. Hier lässt sich erahnen, wie die von der Wüstung Verschonten mit dem Untergang der Nachbarn umgingen. Peter Winkler, der Pfarrgemeinderatsvorsitzende des Ortes hat die Kirche aufgeschlossen. Opferbaum hat die Wüstungsperiode im Mittelalter überstanden, vielleicht sogar davon profitiert. Genau damals ist es den Opferbaumern eingefallen, ihre Kirche aufzurichten. Im Turm deutet Winkler auf spitzgiebelige Fensterbögen, und die massiven Eichenstufen.
Peter Winkler: "Also ich weiß, es steht irgendwo geschrieben, 1453 ist die erste erwähnte Kirche gebaut worden. Ob man davor schon eine gebaut hat, weiß man nicht. – Das würde ja zeitmäßig mit dem Untergang von Adelshausen zusammengehen. – Genau, denn es heißt auch irgendwo, dass eben die Gemeinde Opferbaum dabei war, einen Kirchturm zu bauen und dann hat man die Glocken dann gleich reingehängt."
In gut 20 Metern Höhe endet die Treppe. Im staubigen Halbdunkel steht der Glockenstuhl, knapp Schulterhoch aus geschwärzten Balken gezimmert.
Peter Winkler: "Okay, das sind jetzt die drei Glocken von Opferbaum. Die kleinste ist rechts, die stammt aus dem 14. Jahrhundert, die mittlere auch. Typisch für das 13./14. Jahrhundert ist die Alphabetschrift außen rum. Ja, das könnten die zwei Glocken sein."
170 und 230 Kilogramm, grünliches Metall. Die kleinere lässt sich gerade so umfassen. Die zwei Glocken sollen aus Adelshausen kommen. Das lag ein paar Kilometer im Westen, in einer Senke. Schon 1568 vermerkt eine Urkunde dort wieder ein "eben Feldt". Wahrscheinlich haben die umliegenden Dörfer die Reste gründlich ausgeschlachtet und abgetragen. Warum auch nicht: Den Adelshäusern soll es ganz gut gegangen sein, erzählt man sich in Opferbaum seit Generationen. Zu gut.
Glockenstuhl der Kirche in Opferbaum
Glockenstuhl der Kirche in Opferbaum© Deutschlandradio / Heiner Kiesel
Peter Winkler: "Nur dann irgendwann ist es ihnen zu Kopf gestiegen, dann hat der alte Pfarrer, wie man teilweise liest, versucht, sie wieder in die Kirche zu bringen, sie sind vom Glauben abgefallen und haben heidnische Bräuche ausgeübt. Es ist dann ein Sturm gekommen, ein Unwetter, der Erdboden ist aufgerissen, das Dorf ist versunken, nachdem alle Mahnungen nichts genutzt haben."
Eine Wandersage ist das, bekennt Winkler. Die Geschichte gibt es anderswo auch, mit anderen Namen und Details. Irgendwie brauchten die Leute hier wohl ein Erklärungsmuster dafür, dass das schon seine Ordnung hat, wenn eine Siedlung aufgegeben wird, die Zivilisation verschwindet. Und dass man weiter mit einem Gefühl der Sicherheit leben kann. Wenn man es nur rechtschaffen tut, dann gibt es sogar eine Belohnung. Ein geheimnisvolles Läuten sei aus der Adelshäuser Senke gekommen, berichtet Winkler.
Peter Winkler: "Dabei wäre auch ein Opferbaumer, der einen Acker hat und der hat halt gepflügt und der hat dann gehört, wie die Glocken läuten. Dann hat er Angst gehabt und gedacht, da wäre ein Geist und ist in die Gemeinde gerannt. Er ist zum Pfarrer und zum Schultheiß, also dem Bürgermeister und hat das erzählt. Dann sind die zusammen raus und haben es auch gehört. Dann hätten sich die Opferbaumer auf den Weg gemacht und hätten die Glocken aus Schlamm und Morast, steht da, ausgegraben und sie feierlich nach Opferbaum geholt – geschmückt mit Blumen – und hätten sie im Turm aufgehängt."
Winkler dreht sich zu dem grauen Kontrollkästchen an der Wand. Die kleine Glocke beginnt zu schwingen. Vielleicht so wie vor 500 Jahren über den Dächern eines nun verschwundenen Dorfes. Winkler lauscht einem Memento für die Vergänglichkeit. Auch heute geht in manchen Gegenden Deutschlands die Angst vor dem Sterben der Dörfer wieder um. Strukturschwäche, demographischer Wandel, Landflucht.
Peter Winkler: "Man hat ja auch bei uns jetzt schon Probleme, man spricht ja von so Dörfern wie dem unseren schon von Schlafsilos, oder Schlafsiedlungen. Das finde ich grauenhaft, diesen Ausdruck! Das kommt daher: Der alte Kern stirbt aus, es gibt keine Bauern mehr, aber die Leute die sind nur noch zum Schlafen da und die meiste Zeit sind sie unterwegs auf der Arbeit. Tot und wüst – und wenn man anfängt darüber nachzudenken, dann macht das schon ein bisschen traurig."
Peter Rückert: "Und immer wieder wird mir dann mehr noch dazu erzählt, was man sich vor Ort von den letzten Bewohnern erzählt. Meistens heißt es dann – entweder der 30-jährige Krieg wäre schuld gewesen, mit vielen Mordszenen, die man sich recht blutrünstig ausmalt, oder aber vielleicht die Pest, die den letzten Einwohner dahingerafft hätte. Das sind oft schöne Geschichten, die ich mir auch gerne anhöre, die ich aber in aller Regel enthüllen muss, dahingehend, dass es meist weit weniger spektakuläre Gründe waren für einen solchen Ort, dass er aufgelassen wurde."
Wald und Legenden wachsen
Den Archivar und Geschichtsprofessor Rückert lassen die fränkischen Wüstungen nicht los. Fast wöchentlich rufen sie ihn deswegen an. Dann soll er wieder Auskunft geben. Es beschäftigt die Leute, dass da was war, was nicht mehr ist. Rodung, Dorf, Wüstung, dann kommt wieder der Wald - und die Legenden wachsen auch. Die Adelshäuser Naturkatastrophe oder die grausamen Landsknechte von Schönstheim – im Einzelfall ist das ja nicht auszuschließen, aber für den Wissenschaftler greift das zu kurz. Es geht schließlich um einen massiven überregionalen Wüstungsprozess im späten Mittelalter. Rückert ist bei der Ursachensuche auf Probleme von bedrückender Aktualität gestoßen.
Peter Rückert: "Seit die Klimatologen gesichert nachweisen können, dass wir ab dem frühen 14. Jahrhundert – die selbe Zeit, die wir bei der Wüstungsperiode in den Blick genommen haben – mit der sogenannten kleinen Eiszeit rechnen, dann ist ihnen sicherlich vor Augen, dass man damit, mit diesem Klimawandel mittlerweile auch erklärt, warum klimatischen Gründe für den Siedlungsrückgang verantwortlich sein können."
Eine außergewöhnliche und von der Wissenschaft kontrovers diskutierte Wärmeperiode geht zu Ende. Die langen Sommer und milden Winter des Hochmittelalters werden rauer. Ein Grad weniger, aber das reicht schon. Und schließlich bricht eine globale Seuche aus. Die Pest.
Peter Rückert: "Die, das weiß man genau, ab 1348 richtig einschlägt in Mitteleuropa, mit deutlichen Bevölkerungsverlusten, die etwa alle zehn Jahre wiederkehren, bis 1450/1500 und (sie) nimmt nicht gleich 30 Prozent der Bevölkerung aber doch soviel, dass nach und nach doch Orte aufgelassen werden, die aus gewissen Gründen den Ertrag für das Leben nicht mehr boten."
Ebola, Vogel-, Schweingrippe, globale Erwärmung – so fremd ist uns das mittelalterliche Szenario nicht, merkt Rückert an und beschreibt, wie die Menschen damals reagiert haben. Es beginnt eine kleinräumige Migration, hin zu besseren Böden und Lagen. Höfe sind frei geworden durch die Pest. Landstriche, die wenige Jahrhunderte zuvor mühsam gerodet worden sind, fallen wüst. Die Klima-und Wirtschafts-Flüchtlinge müssen sich in neue Gemeinschaften integrieren. Selbst innerhalb Frankens war das auch damals nicht einfach. Migrationsidentitäten bilden sich aus. Der Historiker zieht Parallelen zur Gegenwart.
Verbunden mit der alten Heimat
Peter Rückert: "Die Identifikation mit dem alten Ort, wir können ruhig sagen, der alten Heimat – damit fühlt man sich verbunden und den trägt man auch weiter und gibt ihn an die Kinder und Enkel weiter. Sie können das heute durchaus vergleichen mit aus Russland oder Rumänien nach Deutschland zurückgewanderten ehemals deutschen Familien, die aber trotzdem die zwischenzeitliche Heimat in Russland oder Rumänien nicht missen wollen und ihre alte mittlerweile angestammte Kultur weiter leben lassen wollen."
Anton Engelhardt: "Ja wir gehen jetzt zum Burggraben hinauf von dieser Burgruine sind eigentlich nur noch die Burggräben vorhanden und wir sind gleich am ersten Graben."
Der Schönstheimer Bürgermeister Anton Engelhardt zeigt, was bleibt, wenn Klimawandel und tödliche Keime die Bevölkerung ausdünnen. Der Goldäckerweg wird von Eichen gesäumt.
Anton Engelhardt: "Dahinten können wir nicht durchschlupfen, da ist es schwierig zu laufen."
Laubwald, Gestrüpp, ein paar Erdhügel. Hier stand die Burg Schönstein, um die herum sich die 16 Bauernhöfe gruppiert haben. Engelhardt fühlt sich hier wohl, das zeigt sich in seinen entspannten Gesichtszügen unter der Schiebermütze. Was in der Vergangenheit hier mal war, das bedrückt ihn nicht, eher, was aus den Schönstheimern in der Zukunft wird. Er führt hier manchmal Schulklassen durch. Die Geschichte mit den Landsknechten kommt dann gut an. Die Kleineren hören gerne die Sage von dem schönen Fräulein, das um die Wälle streicht und auf Erlösung hofft.
Anton Engelhardt: "Dass ein Schäfer hier seine Schafte geweidet hat, als das Dorf schon untergegangen war und hat eine junge Frau gesehen, die geklagt hat. Ein feuerspeiender Drache ist gekommen und diese Sachen und zum Schluss ist es ihm so unheimlich geworden, dass er davor zurück geschreckt ist. So dass diese junge Frau heute noch nicht erlöst ist. Also wir hatten einen alten Hubvorstand, der hat gesagt, der sieht sie immer noch, aber der ist mittlerweile auch schon gestorben und es hat sie eigentlich keiner sonst gesehen und ich (lacht) werde sie wahrscheinlich auch nicht mehr sehen."
Starkes Gefühlt der Zusammengehörigkeit
Die älteren Besucher versuchen aus den Schönstheimern herauszufinden, woher dieses starke Gefühl der Zusammengehörigkeit kommt. Die Erben der Dippacher, die sich und ihren Besitz nicht einfach so in ihre neuen Gemeinden Röttingen und Riedenheim einfügen wollten und wollen. Das geht nun schon 500 Jahre so.
Anton Engelhardt: "Wir verwalten uns selbst, wir verpachten unsere Jagd selbst, machen unser Wegenetz selbst, gehören aber steuerlich zur Stadt Röttingen. Da ist 1931 ein Vertrag geschlossen worden, bei dem man sich geeinigt hat, denn Schönstheim wollte eigenständig sein, also ausmärkisch. Diesen Prozess hat Schönstheim verloren und so mussten wir das notgedrungen so machen."
Das wurmt die Schönstheimer nun auch wieder bald ein Jahrhundert lang, dass sie die Stadt Röttingen vereinnahmt hat. Ihr Selbstbewusstsein hat aber nicht darunter gelitten.
Anton Engelhardt: "Die Schönstheimer sind , wenn man das so will, eine Sonderheit (lacht) in Röttingen. Wir haben keine zwei Staatsbürgerschaften, aber wir haben eine zweite Gemeinde für die wir zuständig sind, die wir auch verwalten und bewirtschaften. Aber vom Grund und von der Steuer her gehört alles zur Stadt Röttingen."
Bürgermeister Engelhardt führt einen geschotterten Forstweg hinab. Er spricht über den Nachwuchs Schönstheims und der Hoffnung, dass sich das System Schönstheim irgendwie hält. Eine gewisse Hartnäckigkeit scheint sich da weiter zu vererben. 500 Jahre habe es ja bisher funktioniert ...
Einen Steinwurf von der einstigen Burg entfernt, biegt Engelhardt scharf rechts ab.
Anton Engelhardt: "Da geht eine Treppe runter, zur Quelle, die drei Stufen. Sie hören ja wie es plätschert. Und weiter unten da ist dann die Rippach und da läuft es dann in den Bach, das Wasser."
Die Lebensader des einstigen Dorfes: Das Wasser schmeckt weich, fast süßlich und tritt in einer kleinen sandsteingerahmten Höhlung aus dem Schlossberg.
Anton Engelhardt: "Die Brunnenstube, die gemauerte, hat die Jahreszahl 1588. Aber wahrscheinlich stammt sie aus dem 11./12. Jahrhundert – wobei um 1588 hier ja nachweislich niemand mehr gewohnt hat. Aber vermutlich hat man sich schon damals Sorgen gemacht, um den Erhalt dieser ganzen Gemeinde als solcher und hat dann darauf geachtet, dass man die Zeugen der alten Gemeinde erhalten hat, wie im Fall der Brunnenstube."
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