Beate Hausbichler: Der verkaufte Feminismus. Wie aus einer politischen Bewegung ein profitables Label wurde
Residenz Verlag, Wien 2021
224 Seiten, 22 Euro
Der Kapitalimus hat gewonnen
05:55 Minuten
Vom Feminismus als politischer Bewegung ist nicht mehr viel übrig ist, meint die Journalistin Beate Hausbichler: Inzwischen werde schon die Wahlfreiheit in Sachen Lady Shaver zur emanzipatorischen Geste hochgedeutet.
Wir erinnern uns: Vor ein paar Jahren war es einer jungen Autorin der Tageszeitung "Die Welt" gelungen, eine Feminismusdebatte in Deutschland zu entfachen. Und zwar mit der krawalligen Bemerkung, der Feminismus bereite ihr Ekel. Sie sei nicht Feministin, teilte Ronja von Rönne ihren Leserinnen im April 2015 mit, sondern Egoistin.
Die Autorin hatte den Slogan instinktsicher in einem medialen Klima platziert, in dem der Feminismus gerade die Umwertung seiner Werte erlebte: von der politischen Kampfvokabel hin zur warenförmigen Grußformel.
Der Latzhosen-Feminismus der zweiten Frauenbewegung passte 2015 nicht zum Instagram-Account eines It-Girls. Das ist nur sechs begriffserweiternde Jahre später anders. Man kann heute ganz widerspruchsfrei Feministin und Egoistin sein.
Erfolgsfrauen und "feministische" Produkte
Die österreichische Journalistin Beate Hausbichler hat jetzt ein Buch über den Image-Wandel des Feminismus im Kielwasser von Pussy Riot und #MeToo geschrieben. Viele Frauen finden inzwischen Gefallen an einer feministischen Vision, in der niemand eine Gefahr für niemanden ist.
Die Powerfrau von heute, so Hausbichler, ist nach neuester Definition nämlich per se feministisch – so legt es das inflationäre Bekenntnis zum Feminismus so heterogener Erfolgsfrauen wie Ivanka Trump, Beyoncé oder Christine Lagarde jedenfalls nah. Was genau war nochmal deren Dienst an der Sache der Gleichstellung?
"Wie aus einer politischen Bewegung ein profitables Label wurde", heißt Hausbichlers Buch im Untertitel. Und es beschreibt die Aushöhlung einer ehemaligen Kampfvokabel zum Slogan für die selbstoptimierte Frau des 21. Jahrhunderts.
Die Produktindustrie beackert mit ihren "Body-Positivity"-Kampagnen inzwischen schamlos eine zum Konsum befreite weibliche Zielgruppe mit feministischen Identifikationsangeboten und profitiert generell von der Anbindung an Antidiskriminierungsthemen. Bereits die Wahlfreiheit in Sachen Lady Shaver kann so zur großen emanzipatorischen Geste hochgedeutet werden. Wer über seinen Rasierer bestimmt, ist Feministin. Wer seinen Körper pflegt und stählt, ist Feministin.
In den Neoliberalismus eingemeindet
Der Feminismus ist damit, wie die Soziologin Eva Illouz schon vor Jahren bemerkte, vom Kapitalismus gekapert worden. Er kursiert zunehmend losgelöst von seinen politischen Implikationen als Synonym für weiblichen Erfolg. Youtube-Schmink-Tutorials sind hier eine Art Classe Préparatoire für junge Arbeiterinnen am künftig erfolgreichen Selbst. Selbstermächtigung, so Hausbichler, ist in dieser Perspektive kein soziales Anliegen mehr, sondern neoliberaler Imperativ: Sei Deines Glückes Schmied!
Dabei ging es in der Frauenbewegung ja nie um Glück, sondern um gerechte Lebensbedingungen für alle. Der hyperindividuelle Feminismus mit dem Autonomiefetisch von heute hat mit den politischen Forderungen von einst wenig zu tun. Im Grunde gar nichts. "Die Erzählung das Patriarchat als einzelne Superfrau bei den Eiern zu packen", kommt schnell an die Grenzen einer zutiefst patriarchalischen Aufmerksamkeitsökonomie im Plattformkapitalismus, schreibt Hausbichler.
Daran können auch äußerst effektive Kampagnen wie #MeToo, ein Glücks- und Ausnahmefall der jüngeren Kampagnengeschichte, wenig ändern. Der Feminismus, wie er heute landläufig vorkommt, ist meistens zahnlos. Etwas zynisch wird Hausbichler in einem ansonsten sehr bodenständigen Buch dann doch einmal: "Heute können wir sagen, es läuft gut für den Feminismus." Er sei inzwischen "Everybody’s Darling".