Autor Péter Esterházy

Rätselhafter Sprachzauberer

Peter Esterházy beim "Bücherfrühling" von Deutschlandradio Kultur auf der Leipziger Buchmesse 2015
Peter Esterházy beim "Bücherfrühling" von Deutschlandradio Kultur auf der Leipziger Buchmesse 2015 © Deutschlandradio / Andreas Buron
Von Helmut Böttiger · 20.03.2015
Die Bücher des ungarischen Autors Péter Esterházy sind eine harte Nuss: Die komplexen Texte mit verrätselten literarischen Verweisen muss man erst mal verstehen. Hochpolitisch kann Esterházy trotzdem sein - das zeigt er in seinem neuen Buch.
Bei Péter Esterházy muss man sich immer auf alles gefasst machen. Es ist ein Autor, der die klassische Moderne und die Postmoderne mit dem Barock kreuzt, der immer wieder auf andere Texte verweist und sie einarbeitet, und dadurch wird auch das ständig zugrundeliegende Autobiografische eine höchst artifizielle Angelegenheit.
"Die Mantel- und Degen-Version" schließt sich da nahtlos an: Schon der Titel zitiert die "Mantel- und Degen"-Romane, spannungsgeladene Abenteuergeschichten aus den frühesten Phasen der Moderne. Doch wovon ist das nun eine Version? Nun, in gewisser Weise schreibt Esterházy hier die Geschichte seines Vaters, der er schon mehrere Texte gewidmet hat, auf völlig neue Weise fort. Er versetzt sie eben in die brachiale Zeit des 17. Jahrhunderts. Doch wer glaubt, hier eine in sich geschlossene Handlung vorzufinden, historisches Lesefutter quasi, der muss sich schon bei den ersten Absätzen und vor allem den dazugehörigen Fußnoten gehörig die Augen reiben. Hier geht es vor allem um Sprache, um Spiel, um Rhythmus und Klang – aber eben dadurch auch um das Große und Ganze.
Der mittlerweile 65-jährige Ungar Peter Esterházy stammt aus einer alten aristokratischen Familie, die nach der Machtergreifung der Kommunisten 1948 enteignet wurde. Dass er Mathematik studierte, geht in seine Prosa genauso ein wie die Tatsache, dass er danach als Systemorganisator im Ministerium für die Hütten- und Maschinenbauindustrie arbeitete. Als Schriftsteller ging er von Anfang an in die Vollen, sein Opus magnum "Harmonia Cælestis" aus dem Jahr 2000 über seine Familiengeschichte machte ihn zu einem der wesentlichen europäischen Autoren. Kaum war dieses überragende Hauptwerk erschienen, erfuhr er von der Spitzeltätigkeit seines Vaters, dem er in "Harmonia Cælestis" ein ironisch-eindrucksvolles Denkmal gesetzt hatte, und schrieb den Text "Verbesserte Ausgabe" darüber. Die "Mantel- und Degen-Version" nun bessert noch einmal nach.
Sex spielt eine herausragende Rolle
Im 17. Jahrhundert waren die Türken vor Wien, Ungarn hatten sie längst besetzt. Die Habsburgervettern Ludwig und Leopold beäugten sich und spekulierten auf Machtanteile, und für jede der Parteien ist Pál Nyáry tätig, als Vertrauter, Spitzel und Diplomat – vor allem aber soll er für die Sache der Ungarn verhandeln. Dieser Pál Nyáry ist so etwas wie die zentrale Figur dieses mäandrierenden Textes. Er ist schelmisch als Esterházys Vaterfigur aus dem 17. Jahrhundert angelegt, und das kommt zu den vielen literarischen Anspielungen und Querverweisen als Hauptattraktion hinzu. Fortwährend macht sich der Autor über Vorstellungen wie "Realismus" und "Handlung" lustig. Sein beliebtestes Mittel dafür sind Fußnoten, die er breit über die Seiten hinweg verstreut, die auch gern über die Seiten hinauswuchern und aus sich heraus oft weitere Fußnoten erzeugen.
Die Sätze sind auf einzelne Fixpunkte hin zentriert, die in Ländern wie dem zeitgenössischen Ungarn weitaus stärker auffallen als anderswo. Sex, in vielen Varianten, spielt eine herausragende Rolle, und Werte wie "Nation" und "Vaterland" werden in weitausholenden Schwüngen dem historischen Gelächter ausgeliefert. Auf die Details kommt es an, auf Situationskomik, auf die Lust am Fabulieren. Aber genau das kann auch hochpolitisch sein, und da ist Esterházy ein ästhetisch höchst ausgefuchster Zeitgenosse.

Péter Esterházy: Die Mantel-und-Degen-Version. Einfache Geschichte Komma hundert Seiten.
Aus dem Ungarischen von Heike Flemming
Verlag Hanser Berlin, Berlin 2015
238 Seiten. 19,90 Euro

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