Ausstellung "Send me an Image" im C/O Berlin

Fotos, die Grenzen und Systeme sprengen

09:09 Minuten
Anonymous: A Parody of the Iconic 1989 Tiananmen Square Photo of a Chinese Protester Confronting Government Tanks, 2013, Tank-Man-Mem.
Enten statt Panzern: Die Ausstellung "Send me an Image" führt auch subversive Bildstrategien wie die des "Tank-Man-Memes" vor Augen. © C/O Berlin
Kathrin Schönegg im Gespräch mit Massimo Maio · 07.06.2021
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Mit Postkarten fing es ganz harmlos an. Heute überschüttet uns das Internet mit Bildern. Die Ausstellung „Send me an Image“ im C/O Berlin zeigt, wie aus Bildern Fotoberge werden - und wie ein ikonisches Bild die chinesische Firewall austrickste.
Fotos sind Kommunikationsmittel. Heute in digitalen Zeiten sowieso, aber auch schon vor 150 Jahren, als die Postkarte erfunden wurde. Und auch schon damals wurde sie tausendfach verschickt. Die Ausstellung "Send me an Image. From Postcards to Social Media" widmet sich im C/O Berlin nun der Entwicklung dieser Kommunikationsform.

Ein Berg aus Fotos eines Tages

Eine der Arbeiten in der Ausstellung ist von Künstler Erik Kessels aus dem Jahr 2004 und zeigt einen gewaltigen Fotoberg aus 350.000 Bildern. Diese Fotos seien damals innerhalb von 24 Stunden auf der Fotoplattform Flickr hochgeladen worden. Kessels habe diese ausgedruckt und zu einem ungeordneten Berg arrangiert, erklärt die Kuratorin der Ausstellung Kathrin Schönegg.
So demonstriere seine Arbeit zu einem die Masse an Bildern, die Menschen innerhalb kurzer Zeit auf solch einer Plattform veröffentlicht haben. Gleichzeitig merke man ihr aber auch an, dass sie aus einer Zeit stamme, die nicht mehr unsere sei, sagt Schönegg, weil heute eben noch viel mehr Bilder im Internet hochgeladen würden als noch vor siebzehn Jahren.

Papierbilder wirken bereits historisch

Die pure Masse an Bildern sei allerdings auch schon mit dem Aufkommen der Fotografie diskutiert worden, sagt Kathrin Schönegg, das sei nicht wirklich etwas Neues. Was an dieser Arbeit vor allem interessant sei, seien die ausgedruckten Fotos, denn heute würden wir uns Bilder ja vorrangig nur noch digital anschauen.
Aus der Ausstellung im C/O Berlin: "Send me an Image. From Postcards to Social Media": Erik Kessels, 24h in Photos, 2004.
Aus dem Internet zurück in die reale Welt geholt: Erik Kessels Fotoarbeit in der Ausstellung "Send me an Image“ im C/O Berlin. © C/O Berlin Foundation / David von Becker
Ein weiteres Exponat in der Ausstellung ist das "Tank-Man-Meme", das im Jahr 2014 anonym veröffentlicht wurde. Es zeigt einen Mann auf einem Platz, zusammen mit vier riesengroßen Quietscheenten. Als Vorlage für dieses sogenannte "Meme", also eine Bildcollage, die auf Social-Media-Plattformen geteilt wird, diente ein Pressefoto von einem protestierenden Mann auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989, der sich vier Panzern entgegenstellt.

Politische Aussage hinter alberner Oberfläche

Die Arbeit solle zeigen, wie Fotografie als Verbreitungsmittel heute auch noch funktioniere. "Das sieht auf der Oberfläche natürlich albern aus, aber dahinter steht eine unheimlich politische Aussage." Nach der Verfremdung des Bildes konnten Algorithmen das Bild nicht mehr lesen. So sei es durch die Firewall der chinesischen Zensur gelangt und auf chinesischen Social-Media-Plattformen erschienen, erklärt Schönegg. Bis heute sei dieses Bild in den sozialen Medien tausendfach adaptiert worden und führe dort ein Eigenleben.
Im Katalog zur Ausstellung heißt es außerdem, dass die Fülle an Bildern auf Social-Media-Plattformen nicht als Fortschreibung der Geschichte von Bildkommunikation zu verstehen sei. Es handle sich vielmehr um eine regelrechte Zäsur. Mehr als jemals zuvor seien Bilder heute zu einer "sozialen Ware" geworden, sagt Schönegg.

"Die großen Firmen verdienen an unseren Schnappschüssen"

So würden Menschen Bilder in den sozialen Medien teilen, um eine Reaktion wie Likes hervorzurufen: "Dieser Resonanzraum von öffentlich und privat, von amateurhaft und Profitum, der ist in den sozialen Medien, die wir täglich benutzen, unheimlich verschmolzen."
Zudem seien all diese Bilder mehr denn je in ein kapitalistisches System eingespannt, so Schönegg: "Die großen Firmen verdienen an unseren Schnappschüssen, und wir befeuern das System mit jedem Bild, das wir hochladen und eigentlich mit unseren Freunden teilen."

(jde)
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