Aus den Feuilletons

Wenn Partys zu asozialen Raves werden

04:07 Minuten
Junge Leute feiern tagsüber bei einer illegalen Goa-Party im Treptower Park in Berlin. Es wird ohne Einhaltung der pandemiebedingten Abstandsregeln getanzt.
"Grundrecht des Daseins": Junge Leute feiern eine illegale Goa-Party im Treptower Park in Berlin. © imago-images / Travel-Stock-Image
Von Tobias Wenzel · 14.10.2020
Audio herunterladen
Die "SZ" beschreibt, wie sich die Party angesichts der Seuchengefahr in die "Illegalität der Raves" verabschiedet. Die Pandemie mit selbstvergessener Partylaune anzuheizen, richte sich in letzter Konsequenz gegen die Gesellschaft selbst.
Keine Party, keine richtige Buchmesse, kein ergiebiges Interview. Die Feuilletons vom Donnerstag bedauern die Abwesenheit des Liebgewonnenen und machen irgendwie das Beste daraus.
"Die Party ist vorbei", schreibt Gerhard Matzig in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Sie verabschiedet sich pandemiebedingt vom Terrain der Sinne und des Soziallebens in die total asoziale Illegalität der Raves."
In seinem Nachruf auf die Party stellt Matzig klar: "Die gottverdammte Pandemie anzuheizen mit einer egozentrisch sich selbst vergessenen Partylaune – das ist schon ziemlich jenseitig. Es richtet sich nicht auf die Geselligkeit, sondern wendet sich in letzter Konsequenz gegen die Gesellschaft selbst. Und doch ist das Sich-selbst-vergessen ein Grundrecht des Daseins!"
Drum ruft Matzig allen Partyfreunden zu: "Die Party ist tot. Es lebe die Party."

Simulation eines Tages auf der Buchmesse

Die Frankfurter Buchmesse ist tot. Es lebe die Frankfurter Buchmesse. Hat wohl Dirk Knipphals von der TAZ gedacht. Die Buchmesse findet in diesem Jahr fast ausschließlich virtuell statt. Knipphals versucht trotzdem, die Illusion einer heilen Buchmessen-Welt zu erzeugen:
"An diesem Mittwoch gelang es mir ganz gut, einen Buchmessentag zu simulieren. Wie unter Strom aufwachen morgens, wenn es noch dunkel ist, so fängt er auch immer in Frankfurt an", schreibt Knipphals, der allerdings in Berlin geblieben ist.
Da steht in diesem Jahr das Blaue Sofa, auf dem die Autoren ihre neuen Bücher vorstellen. Dirk Knipphals war vor Ort. Aber alleine in Berlin zu feiern, mache keinen Spaß, schreibt er. Er vermisst die Frankfurter Verlagspartys. Die Party ist tot. Es lebe die Party.

Gehaltloses Interview mit Don DeLillo

Einige Interviews sind so gehaltlos, dass man sie gar nicht drucken müsste. Ijoma Mangold weiß, dass er so ein Interview mit Don DeLillo über dessen Roman "Die Stille" für DIE ZEIT geführt hat. Und trotzdem ist das Interview lesenswert, weil Mangold uns tragikomisch an seinem verzweifelten Versuch teilhaben lässt, doch noch etwas Substanzielles aus dem 83-jährigen US-amerikanischen Schriftsteller herauszuholen oder selbst etwas dazu beizusteuern.
Mangold hat die üblicherweise sehr kurze Einleitung vor dem Interview zu einer regelrechten Rezension des Buchs ausgebaut, das mit einem Stromausfall in New York beginnt. "Wenn man die Vereinigten Staaten durch Ihren Roman anschaut, fragt man sich natürlich, welche Rolle Trump darin spielt", bemerkt Mangold. "Darüber möchte ich lieber nicht reden", antwortet DeLillo. Mangold wendet sich hier an den Leser: "'Die Stille', schreibt der Verlag, sei 'der Roman der Stunde'. Wenn man mit dem Autor des Romans der Stunde spricht, muss man doch irgendwie auf die politische Großwetterlage zu sprechen kommen ..."
Ijoma Mangold hakt bei Don DeLillo nach: "Sie möchten Trump nicht kommentieren, weil Sie finden, dass das nicht die Aufgabe eines Schriftstellers ist?" – Nein, die Situation ist überall so, und ich würde lieber bei meiner Arbeit bleiben", antwortet DeLillo. "Wie meinen Sie das? Es ist ein globales Phänomen?" – "Ja." – "Wie würden Sie das Phänomen beschreiben?" - "Ich ziehe vor, es gar nicht zu beschreiben."
Das Interview hätte kaum an Gehalt verloren, wenn man nur die Fragen abgedruckt hätte.
Warum also nicht diese Kulturpresseschau nur mit Fragen enden lassen? "Ist Deutschland auf die größte, die Mutter aller Massenimpfungen vorbereitet?", fragt Hans Zippert in seiner satirischen Kolumne für DIE WELT.
"Wird es wieder viele hässliche Deutsche geben, wenn die Ärzte nicht mehr Botox, sondern Anti-Corona-Wirkstoffe spritzen müssen? Sollten die Gesundheitsämter kriminelle Clanmitglieder im Umgang mit der Impfpistole unterweisen? Oder können wir rumänische und bulgarische Spargelstecher zu Impfhelfern umschulen lassen?"
Mehr zum Thema