Aus den Feuilletons

UFO-Alarm?

04:23 Minuten
Wolke, die an ein UFO erinnert über der Ortschaft Sumperk in Tschechien.
Sieht aus wie ein unbekanntes Flugobjekt, ist aber eine Wolke. Die Sache mit den UFOs bleibe rätselhaft, schreibt Claudius Seidel in der FAZ. © dpa / picture alliance / Ludek Perina
Von Hans von Trotha · 07.06.2021
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Weil das Pentagon einen Bericht zu unbekannten Flugobjekten vorlegen will, steige die UFO-Euphorie, schreibt die "FAZ". Ein besonders schönes Flugobjekt am Himmel über Südamerika habe sich vor einiger Zeit als regulärer Linienflug entpuppt.
Zwei Glaskabinen stoßen in einem aufblasbaren Vulkan aufeinander. "Die inneren Räume Russlands und Europas sind voneinander getrennt, aber wir bewohnen doch einen gemeinsamen Kontinent", sagt die Künstlerin Irina Korina dazu.
Sie hat eines von 400 Kunstwerken geschaffen, die ab Dienstag im Flughafen Tempelhof zu sehen sind. Der Name der Schau: Diversity United. Schirmherren sind keine Geringeren als Frank-Walter Steinmeier, Emmanuel Macron und Wladimir Putin. Stationen hätten nach Berlin eigentlich Paris und Moskau sein sollen. Jedoch, berichtet Sonja Zekri in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:
"Einer der Partner der Riesenschau ist der Petersburger Dialog, eine Plattform für den Austausch zwischen beiden Ländern. Vor wenigen Tagen aber wurden drei Organisationen in Russland für 'unerwünscht' erklärt, also de facto verboten, darunter zwei Mitglieder des Petersburger Dialogs."

"Kultur hält alles zusammen"

Bei allem Widerwillen gegen die russische Politik sieht die Konzeptkünstlerin Emilia Kabakov "erhöhten Kunstbedarf":
"Das Einzige, was unter diesen Umständen alles zusammenhält, ist die Kultur", meint sie. Und Boris Mikhailov beantwortet die Frage, ob Diversity United "nicht ein weiteres Beispiel für die Ohnmacht der Kunst" sei mit diesem Statement:
"Wenn es Krieg gibt, braucht niemand mehr Ausstellungen. Aber bis dahin muss man Ausstellungen machen."
Ob am Ende die Ausstellung oder die Politik als Verliererin vom Platz geht, ist die Frage. Wie sich ja überhaupt immer so schlecht vorhersehen lässt, wer verliert.

Demoskopen liegen falsch

Bei der Wahl in Sachsen-Anhalt war das die Wahlforschung. Das findet Jürgen Kaube in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.
"Die Umfragen hatten es doch sehr anders vorhergesagt", fasst er das von ihm so genannte "Desaster der Demoskopen" zusammen. "Noch die freundlichste Erklärung für das falsch vorhergesagte Drama wäre es, den Umfragefehlern selbst einen Effekt auf das Wahlergebnis zuzuschreiben. Man könnte es eine selbstzerstörende Prophetie nennen. Die Demoskopen werden eine solche Wirkung ihrer Vorhersagen freilich nicht gern zugeben."

Die Zukunft im Rückblick

Neben Wahlen ist es vor allem die Zukunft, die sich partout nicht recht vorhersagen lassen will. Das merkt man, wenn man in ihr ankommt.
"Unsere Gegenwart" stellt Claudius Seidel, ebenfalls in der FAZ, fest, "ist, aus der Perspektive ihrer Vorgeschichte betrachtet, eine Enttäuschung und fast schon ein Witz. Ja, Internet und Smartphones sind brauchbare Erfindungen – aber was ist aus den Individualhubschraubern geworden, den Antischwerkraftgleitern, den Kolonien auf dem Mars, den Städten unter Wasser, den ultraschnellen Weltraumseglern mit Photonenantrieb? Und was aus der dringend ersehnten und sozial und ökologisch so nötigen Weltrepublik? In dieser zukunftsarmen Lage", findet Seidel, "sind ein paar Ufos das Mindeste, das man erwarten kann."

Bericht über fliegende Objekte

Nachdem sich der Schriftsteller Clemens J. Setz in der aktuellen ZEIT als immer schon an Ufos Glaubender geoutet hat, konstatiert Claudius Seidel in der FAZ immerhin: "Die Ufos sind über uns." Und er fragt, pragmatisch: "Aber wer sitzt am Steuer?"
Hintergrund der aktuellen Uforie: "Das Pentagon legt bald seinen Bericht über unidentifizierte Flugobjekte vor". Was dabei herauskommt, ist noch so eine Sache, die sich nicht recht vorhersagen lässt. Ja, auch die FAZ muss zugeben: "Die Sache bleibt rätselhaft."
Aber das gilt, Gott sei Dank, auch nicht immer: "Als vor ein paar Jahren", berichtet Claudius Seidel, "ein besonders schönes Flugobjekt am Himmel über Südamerika erschien", wurde allerlei vermutet – "bis klar war, dass es sich um einen regulären Iberia-Flug von Santiago nach Madrid handelte."

Sehnsucht nach Stillstand

Und das am Tag eins eines gefühlten Sommers, einer gefühlten Normalität und in der Kombination aus beiden einer dann nicht nur gefühlten Reisesaison, an dem Tag also, an dem Gaby Coldewey in ihrer TAZ-Kolumne stellvertretend für wahrscheinlich viele Menschen zugibt, dass sie die "Auszeit vom Amüsierzwang" wie es nennt, schon vermisst: "Keine Veranstaltungswerbung mehr, keine Reiseziele, keine Restaurants. Wie oft hat mich das unter Druck gesetzt hat: 'Man müsste doch mal.'"
Vorbei. Jetzt müssen wir wieder. Aber – wir müssen auch aufpassen. Zum Beispiel darauf, dass wir statt in den gebuchten Iberia Flug nach Madrid nicht in ein Ufo steigen. Noch wissen sie in den Feuilletons nämlich nicht, wo die hinwollen. Anscheinend nicht nach Madrid.
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