Aus den Feuilletons

Über den Stress der Großstädte

03:54 Minuten
Autos auf der Stadtautobahn, verschwommen.
Hohe Verkehrsdichte auf der Berliner Stadtautobahn A100 nahe der Autobahnausfahrt Schmargendorf. © imago images / photothek
Von Gregor Sander · 16.05.2019
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Großstädte machen uns eher krank, darüber schreibt die "FAZ". Vor allem der Weg zur Arbeit sei Stress. "Der morgendliche Berufsverkehr setzt uns durchschnittlich unter mehr Stress, als einen Prüfungsvortrag in einer Klasse zu halten", schreibt die "FAZ".
Die Schriftstellerin Kathrin Röggla erklärt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, warum sie sich Sorgen um ihren Beruf macht:
"Kunst entsteht nicht im luftleeren Raum. Es geht in diesem Konflikt nicht einfach um unterschiedliche Meinungen. Ziel der neuen Rechten ist letztlich die Destruktion, die Zerstörung der Freiräume, in denen Kunst entstehen kann."
Deshalb ruft Röggla und die Bewegung der "Vielen" am Sonntag in mehreren deutschen Städten zur Demonstration auf, für eine freie Kunst und eine offene Gesellschaft.

Gibt es bald einen Handelskrieg?

Slavoj Zizek sieht in der Tageszeitung DIE WELT ganz andere Probleme:
"Wird China in Taiwan einmarschieren, um die USA für den Handelskrieg abzustrafen? Werden die USA den Iran angreifen? Wird die EU nach dem Brexit-Irrsinn im Chaos versinken?"
Alles Pillepalle für Zizek, der glaubt, "dass es ein Thema gibt, das – auf lange Sicht – alle anderen in den Schatten stellt: die Bemühungen der USA, die Expansion Huaweis kleinzuhalten."
Die Verschmelzung des Telekommunikationskonzerns mit der chinesischen Staatssicherheit macht Zizek Sorgen, denn:
"Wir ziehen blank, wir zeigen dem großen digitalen Anderen Einzelheiten unseres Lebens, geben Einblick in unsere Gewohnheiten."
Und während wir immer noch nicht so richtig wissen, was der NSA so mit unseren abgeschöpften Daten macht, hat Zizek aus China schon praktische Beispiele:
"Potenzielle Flugreisende wurden im letzten Jahr 17,5 Millionen Mal am Ticketkauf gehindert, weil sie 'social credit'- Verfehlungen begangen hatten, also ihre Steuern nicht bezahlt oder Strafzahlungen nicht beglichen hatten, die im Rahmen eines kontroversen Systems angefallen waren, von dem die regierende kommunistische Partei behauptet, dass es öffentliches Benehmen verbessern würde."

Kevin Kühnerts Verstaatlichungsphantasien

Das führt uns direkt zur TAZ, die in einer Überschrift Erich Honecker zitiert, allerdings nur halb:
"Der Sozialismus in seinem Lauf", heißt es da. Und aufhalten konnte diesen Lauf des Sozialismus, brutal gereimt vom Staatsratsvorsitzenden, weder Ochs noch Esel. Bis er sich hierzulande dann doch einfach auflöste. Kevin Kühnert von den Jusos hat mit seiner Verstaatlichungsphantasie mal wieder versucht dem Sozialismus etwas Leben einzuhauchen, aber lange gehalten hat das nicht. Und das wundert Eric Wallis in der TAZ, der die Argumente dafür und dagegen abklopft:
"Der Sozialismus tötete millionenfach. Ja, aber der Kapitalismus auch. Der Sozialismus ist ein Verbrechen. Ja, aber der Kapitalismus auch. Der Sozialismus hat auch sein Gutes. Ja, aber der Kapitalismus auch. Mehr gibt die mediale Debatte kaum her", seufzt er.

Stadt macht krank

Wir seufzen mit und finden in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG schon das nächste Problem: "Macht uns die Stadt krank?", fragt Melanie Mühl den Stressforscher Mazda Adli. Und der antwortet: "In gewisser Weise – ja."
Denn in der Großstadt lauern neben verstopften Straßen und einem überhitzten Wohnungsmarkt viel häufiger auch Schizophrenie und Depressionen. Aber die Forscher haben Erstaunliches festgestellt:
"Im vergangenen Jahr gab es interessanterweise eine große Metaanalyse, die die Situation in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen ausgewertet hat. Erstaunlicherweise war der Stadt-Land-Unterschied – zumindest was das Schizophrenie-Risiko angeht – dort nicht feststellbar. Das bedeutet, dass dieser Zusammenhang offenbar nur für Großstädte unserer Breitengrade gilt."
Gut, aber was sollen die Hamburger oder Berliner machen, die nicht auf’s Dorf wollen oder mal eben nach Delhi, Sao Paulo oder Hongkong umziehen können? Stressabbau, empfiehlt der Stressforscher in der FAZ:
"Am wenigsten gestresst sind Menschen, die mit dem Rad zur Arbeit fahren. Am meisten gestresst sind die Autofahrer. Der morgendliche Berufsverkehr setzt uns übrigens durchschnittlich unter etwas mehr Stress, als einen Prüfungsvortrag in einer Klasse zu halten, und unter etwas weniger Stress als ein Fallschirmsprung aus einem Flugzeug."
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