Aus den Feuilletons

Reichtum lockt Reichtum an - auch wenn er fingiert ist

04:19 Minuten
Anna Sorokin sitzt in einem modischen Kleid vor Gericht.
Die Hochstaplerin Anna Sorokin vor Gericht. Eine US-Staatsanwältin will verhindern, dass sie mit ihrem Netflix-Vertrag Geld verdient. © picture alliance/ AP Images / Richard Drew
Von Ulrike Timm · 15.08.2019
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Die "SZ" befasst sich mit dem Fall der Hochstaplerin Anna Sorokin, die wegen Betrugs hinter Gittern sitzt. Mit Netflix hat sie einen Vertrag über die Verfilmung ihrer Geschichte abgeschlossen. Und kann wahrscheinlich dennoch nicht davon profitieren.
Wenn der Hochstapler Felix Krull eine reale Figur wäre und nicht der Fantasie Thomas Manns entsprungen - er könnte ein reicher Mann sein. All die schönen Tantiemen aus Buch, Film, Hörbuchrechten….
Von diesem charmantem Gedanken geht Gustav Seibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG aus, um eine weniger charmante Geschichte aus der Wirklichkeit zu erzählen: die verurteilte deutsch-russische Hochstaplerin Anna Sorokin hat einen Vertrag mit Netflix abgeschlossen.
"Reichtum, auch wenn er fingiert ist, zieht Reichtum an" - nach dieser Prämisse hatte die junge Frau sich für schwerreich ausgegeben, schließlich müssen Kreditkarten nicht gedeckt sein, wenn man überzeugend genug vorgibt, dass sie es seien.

Bestseller nach verbüßter Haftstrafe

Anna Sorokin ist aufgeflogen, könnte aber "als wohlhabende Frau das Gefängnis verlassen", eben wegen des eindrucksvoll dotierten Vertrags mit Netflix. Jedoch: "Verbrechen darf auch nach der Bestrafung nicht zur Erwerbsquelle werden, selbst wenn diese legal wäre", besagt ein amerikanisches Gesetz, dass eine Staatsanwältin nun aufgespürt hat, um zu verhindern, dass Taten noch versilbert werden. In Deutschland gibt es so ein Gesetz nicht.
"Der Bestseller nach Verbüßung der Strafe bleibt in Deutschland unangetastet", so die SÜDDEUTSCHE, und folgert: "Felix Krull könnte sich manchen kostspieligen Hotelaufenthalt im Schwarzwald oder im Engadin leisten!"

Greta Thunbergs Atlantiküberquerung

Greta Thunberg, Ikone der Klimaschützer, macht es sich nicht leicht, sie schläft, womöglich schon ganz seekrank, in einer engen Kajüte. Dass für ihre klimaneutrale Atlantiküberquerung mehrere Flugreisen von Begleitpersonen nötig sind, sei tatsächlich ein Problem, so die TAZ:
"Thunberg hat sich in ihren Bemühungen, es allen recht zu machen, verrannt. Ihr Team hat einen Fehler gemacht. Doch das kann ihr nur guttun - nur Heilige machen keine Fehler."

Klimaschutz als Beilage zum Schnitzel

Die Debatte um Thunberg aber schweife "ins Infantile ab - es war nie vorgesehen, dass sie allein die Welt rettet." Warum etwa sei "die Freiheit selbst in Gefahr, allein wenn diskutiert wird, Konsum zu verteuern"?
Da mag ein Mann wie der Philosoph Michel Onfray in der WELT noch so wettern: "Greta Thunberg schadet der Vernunft!", "Klimaschutz ist nun ein Dauerappell und die Beilage zu jedem verdammten Schnitzel" meint die TAZ und findet das ganz in Ordnung.
Gar nicht in Ordnung findet eine Mutter, dass ihre 9-jährige Tochter nicht in einem Knabenchor mitsingen darf, über die vermutete Diskriminierung entscheidet jetzt ein Gericht. WELT und SÜDDEUTSCHE stimmen überein: da hilft alles Gendern nix, ein Jungs-Chor klingt anders als ein gemischter oder ein Mädchenchor.

Ein E-Gitarrist bei den Philharmonikern

Und während Manuel Brug in der WELT unter der Schlagzeile "Boys, boys, boys" vor allem auf die 1300 Jahre alte Tradition von Knabenchören verweist - nun ja, die könnte man womöglich auch mal brechen! - argumentiert Helmut Mauró in der SÜDDEUTSCHEN zwar polemisch, aber eben auch musikalisch prägnant:
"Mädchen in Knabenchöre zu klagen, das ist so, als würde ein E-Gitarrist um einen Platz bei den Philharmonikern streiten. Das ist denkbar, aber naheliegender wäre natürlich ein Job in einer Rockband." Und weiter: "Dieser spezifische Klang ist bedeutsam für Einrichtungen, die ja nicht einfach irgendwelche Männerbünde sind, sondern Kulturinstitutionen von Rang. Das mag nicht jedem gleich wichtig sein - es ist aber unschätzbar."
Dass sich auch Streithähne ganz unvermittelt und fröhlich vertragen können, dokumentiert die FAZ: Autor Andreas Rossmann hatte sich in Sizilien ein Knöllchen eingehandelt.
Nach herrlichem Wortwechsel mit dem italienischen Ordnungshüter bietet der Abschlag an: "Das gibt es auch nur in Italien: Strafzettel mit Rabatt!" - Ein bisschen erschöpft vom virtuosen Disput brauchen beide Diskutanten erstmal einen Kaffee. Sagt der sizilianische Polizist zum deutschen Journalisten: "Hier um die Ecke ist eine Bar. Klemm den Strafzettel wieder unter den Scheibenwischer. Ich lade dich ein."
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