Aus den Feuilletons

Luxus in Streetstyle

04:18 Minuten
Gucci-Turnschuhe bei einem Mode-Event in New York.
Luxus sei greifbarer geworden durch seine Omnipräsenz in Magazinen, auf Instagram und in Realityshows, meint "TAZ"-Autorin Laura Ewert. © Celine Gaille / Runway Manhattan / Imago
Von Arno Orzessek · 07.04.2019
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Die "TAZ" beschäftigt sich mit dem Fall der Betrügerin Anna Sorokin, die jahrelang eine falsche Identität führte, um im Luxus leben zu können. Doch der Trend zum Betrug sei nicht erstaunlich, denn der Luxus sei heute überall – und das Begehren wachse.
Zum Start in die neue Woche legt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG gleich mal einen "Vorschlag zur Quadratur des Kreises" vor. Der allerdings ist ein bisschen kompliziert - deshalb hier zunächst leichter Verdauliches. Unter der sehr TAZ-mäßigen Überschrift "Alle verarscht" stellt in der TAGESZEITUNG Laura Ewert die Hochstaplerin und Betrügerin Anna Sorokin vor, die eigentlich Anna Delvey heißt, gerade in New York vor Gericht steht und dort gern gehobenen Fummel vorführt. Zum Beispiel, die TAZ zeigt's per Foto, ein schwarzes Kleid von Michael Kors.

Die Omnipräsenz des Luxus

Laura Ewert schildert die Sorokin-Story ohne Großeinsatz der Moralkeule - aber einiges Grundsätzliche will sie schon loswerden: "Der Trend zum Betrug erstaunt nicht: Das Begehren steigt. Luxus ist überall. In Magazinen, auf Instagram, in Realityshows. Luxus ist greifbarer geworden. Mit einem Like ist er fast berührbar. Wen wundert’s, dass gefaked wird. Coole Streetstylemarken ballern Luxuslabellogos auf Jogginganzüge, coole Kids haben gefälschte Designershirts. Billig wird wie teuer getragen, und andersrum funktioniert es absurderweise ähnlich: Gucci verkauft schmutzig aussehende Turnschuhe für 700 Euro."
Modisch bewandert: die TAZ-Autorin Laura Ewert.

Hustvedts weibliche Sicht der Wissensgeschichte

"Selbst auf Deutsch zitiert, hilft Wittgenstein rein gar nichts, wenn ein Mann dich gegen eine Bücherwand schleudert." Dieser Satz steht in dem autobiografisch grundierten Roman "Damals" von Siri Hustvedt. Und er beschreibt den Moment einer Beinahe-Vergewaltigung, den die junge "S. H." in den 70ern in New York erlebt hat. Wo ihr die Kultur-Machos, über kluge Bücher schwadronierend, vor allem auf den Busen starrten.
In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG bespricht Meike Fessmann neben "Damals" auch Hustvedts Essay-Band "Eine Frau schaut auf Männer, die auf Frauen schauen" und macht aus der Doppel-Rezension ein hübsches Porträt. "Hustvedt arbeitet an einer weiblichen Sicht der Wissensgeschichte, in der bestimmte Phänomene bisher unterbelichtet sind. Beispielsweise die Tatsache, dass der Mensch sein Leben eben nicht in heroischer Einsamkeit beginnt, wie die Philosophiegeschichte glauben machen will, sondern im Leib der Mutter und nach der Geburt in ständiger, zunächst nonverbaler Zwiesprache mit ihr oder einem nahen anderen."

"Unser Planet" – zu paradiesisch?

Falls Sie lieber fernsehen als Bücher lesen: In der Tageszeitung DIE WELT bespricht Wieland Freund die Netflix-Doku "Unser Planet" von dem Regisseur David Attenborough, dem man in England seit längerem vorwirft, er würde den prekären Zustand unseres Planeten durch allzu schöne Bilder verraten. Laut Freund erklärt in "Unser Planet" der Erzähler durchaus, was die Stunde geschlagen hat.
"Gezeigt aber wird etwas anderes", so Freund. "Der performative Widerspruch bleibt unaufgelöst: Die Tonspur ist phasenweise apokalyptisch, die grandiosen Aufnahmen jedoch sehen mehr denn je nach einem Paradies in High Definition aus. Ein jedes von ihnen würde sich prima als Bildschirmschoner der teuersten Hardware aus Cupertino machen: Die herrlich definierten Köpfe der Waldelefanten in den Bais des kongolesischen Regenwalds, das Luftballett der Doppelhornvögel hoch über den Wipfeln eines indischen Walds, der wuchtige Jog des Sibirischen Tigers an einer Kamerafalle vorbei." Mit "Jog" mein Wieland Freund offenbar den Jogging-Stil des Tigers.

Der Ausweg aus der Brexitfalle

So, jetzt aber hurtig zur FAZ'schen "Quadratur des Kreises" - gemeint ist "ein Ausweg aus der Brexitfalle".
"Dafür", behauptet der EU-Experte Joseph H. H. Weiler, "bedürfte es nur einer einfachen Entschließung der Staats- und Regierungschefs der Union, in der sie sich verpflichten, in Zusammenarbeit mit den Regierungen des Vereinigten Königreichs und der Republik Irland innerhalb von nicht mehr als drei Jahren nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs ein Rechtsregime einzuführen, das die Integrität des Zollgebiets der Union gewährleistet und gleichzeitig eine offene Grenze in Irland aufrechterhält, falls das Vereinigte Königreich beschließt, nicht in der Zollunion zu bleiben." Puh! Genaueres lesen Sie bitte selbst nach…
Denn auch wenn Sie Spaß an unser Presseschau haben, gilt heute wie immer - mit einer FAZ-Überschrift: "Dieser Spaß ist endlich."
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