Aus den Feuilletons

Massive Kritik an Gurlitt-Taskforce

Der Vertreter der Familie Rosenberg, Christopher Marinello, nimmt am 15.05.2015 das Gemälde "Sitzende Frau" von Henri Matisse in der Nähe von München (Bayern) entgegen. Das Bild ist eines der berühmtesten Gemälde aus der umstrittenen Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt.
Ein Vertreter der Familie Rosenberg mit "Sitzende Frau" von Henri Matisse. Das Bild ist aus der umstrittenen Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt. © picture alliance / dpa / Wolf Heider-Sawall
Von Burkhard Müller-Ullrich · 24.11.2015
Eine Taskforce sollte den Raubkunst-Skandal zur Gurlitt-Kunstsammlung aufklären. Nur bei vier von rund 500 Werken handele es sich aber um Raubkunst. Und so schreibt die "Süddeutsche Zeitung": "Statt um Aufklärung ging es um eine diplomatische Performance."
Wer sich an das große Tamtam erinnert, mit dem vor zwei Jahren, als der Schwabinger Kunstfund im Hause Gurlitt die Gemüter erregte, die Gründung einer Taskforce zur Aufklärung des vermeintlich größten deutschen Raubkunst-Skandals bekanntgegeben wurde, der wird in den nächsten Tagen staunen. Denn jetzt ist die Zeit für eine Bilanz gekommen, und die fällt äußerst blamabel aus, wie Catrin Lorch und Jörg Hätzschel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG darlegen. Nur bei vier von rund 500 Werken, also weniger als einem Prozent, hat diese fabelhafte Taskforce festgestellt, dass es sich um Raubkunst handelt – wobei es bei diesen vier Werken keiner großen Recherchen bedurfte; in diesen vier Fällen stand der Befund von Anfang an fest. Aber was hat diese Taskforce unter der Leitung einer pensionierten Ministerialdirektorin namens Ingeborg Berggreen-Merkel die ganze Zeit über gemacht?
"Die meisten Mitglieder waren nicht Provenienzforscher, sondern Repräsentanten und Funktionäre",
erklären die SZ-Autoren.
"Statt um Aufklärung ging es um eine diplomatische Performance. Bis sich die Gruppe erstmals traf, verstrichen drei Monate. Die Juristin Berggreen-Merkel, die sich zum ersten Mal mit Provenienzforschung beschäftigte, erwies sich als unfähig, die Arbeit sinnvoll zu strukturieren."
Was die SZ über die Arbeitsweise berichtet, lässt einem in der Tat die Haare zu Berge stehen: eine Mischung aus Umstands- und Geheimniskrämerei sowie bürokratischer Selbstherrlichkeit lähmte die beteiligten Wissenschaftler nicht nur, sondern schüchterte sie auch ein. Keiner wagte an die Öffentlichkeit zu gehen, denn
"Wenn einer auspackt, kriegt er nie wieder einen Job",
heißt es in dem Artikel.
Nun soll das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg die Arbeit weiterführen, angeblich mit den bisherigen Experten der Taskforce – die wissen allerdings nichts davon. Und eine Pointe kommt noch: am Freitagabend soll sich dieses Zentrum im Jüdischen Museum in Berlin mit einem Vortrag präsentieren. Bloß werden da keine Vertreter jüdischer Organisationen zugegen sein. Die SZ weiß warum:
"Die Verantwortlichen hatten übersehen, daß die Konferenz genau auf den Sabbat fällt."
100. Geburtstag der Allgemeinen Relativitätstheorie
Genau auf den 100. Geburtstag der Allgemeinen Relativitätstheorie fällt die Entdeckung eines Dokuments, über das die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtet. Albert Einstein, der den Kern seiner Theorie am 25. November 1915 in der Preußischen Akademie der Wissenschaften vorstellte und später als Jude vor den Nazis nach Amerika fliehen musste, Einstein soll – so geht die Sage – deutschen Boden nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder betreten haben. Er besuchte nur Zürich, wo er studiert hatte, wo einer seiner Söhne lebte und wo er auch das Bürgerrecht besaß. Doch jetzt ist ein Beweis aufgetaucht, dass er Ende Juni oder Anfang Juli 1952 von Zürich mit einem Chauffeur nach Büdingen in Mittelhessen gefahren ist, um einen Freund zu besuchen. Er hatte in Büdingen das Schlossmuseum besucht, und als ihm der Museumsdirektor wenig später eine Broschüre nach Princeton nachschickte, schrieb Einstein folgendes zurück:
"Ihr freundlicher Brief und die geschmackvolle Schrift haben mich an den Besuch in Ihrem Idyll erinnert."
Dazu schreibt der Autor des FAZ-Artikels, Konrad Kleinknecht, der selbst Physikprofessor und Präsident der Heisenberg-Gesellschaft ist:
"Merkwürdigerweise ist kein Durchschlag des mit Schreibmaschine geschriebenen Briefes im Einstein-Archiv erhalten. Aber vielleicht sollte der Inkognito-Besuch nicht dokumentiert und bekannt werden."
Die Jagdgemeinschaft wird weiblicher
Undokumentiert und auch nicht bekannt ist die Jagdleidenschaft so mancher Zeitgenossen, denen man das gar nicht zutraut. Und doch:
"Es gibt unter den deutschen Jägern einen Generationenwechsel und mit diesem immer mehr Frauen in den Jagdgesellschaften",
resümiert Helmut Höge in der Berliner TAGESZEITUNG, die Erkenntnisse der Intelligenzpresse. Jawohl: Intelligenzpresse! Denn Sonntags-FAZ und SÜDDEUTSCHE und WELT haben über diesen Trend bereits berichtet. Aber nun berichtet Höge ganzseitig über die Berichte mit gerümpfter Nase, weil ihm das Thema und der Trend nicht passen. Das ist Jagd-Pech im Feuilleton: man schießt zu spät und auch noch daneben.
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