Liebermann-Bild

Gurlitt-Fund als Auktionsschlager

Ein Auktionshammer schwebt am 13.11.2005 im Hotel Mercure Tempelhof Airport in Berlin über dem Pult. Zum ersten Mal fand im Haus eine Kunstauktion statt, deren Erlös der Hilfsorganisation "Menschen für Menschen" zugute kommen soll. Foto: Soeren Stache +++(c) dpa - Report+++
Fast das Dreifache des Schätzwertes hat das Liebermann-Bild erlöst. © picture-alliance/ ZB
Von Stephanie Pieper  · 25.06.2015
Bei der jüngsten Versteigerung bei Sotheby's in London kam auch ein Gemälde unter den Hammer, das aus der Sammlung von Cornelius Gurlitt stammt und nach langer Zeit den Erben zurückgegeben wurde: "Zwei Reiter am Strand" von Max Liebermann.
Als Los Nummer 27 ruft der Auktionator "Zwei Reiter am Strand nach links" auf – gemalt von Max Liebermann im Jahr 1901. Alexandra Schiffer ist Direktorin für impressionistische und moderne Kunst bei Sotheby’s in London – und es fällt ihr schwer, gerade dieses großformatige Öl-Gemälde wieder ziehen zu lassen:
"Es gibt natürlich viele Restitutionsfälle, aber für mich, dieses Werk, das ist schon ein ganz besonderer Fall."
Weil dieses Werk aus dem Gurlitt-Kunstfund eng verwoben ist mit dem Schicksal des jüdischen Unternehmers David Friedmann, der das Liebermann-Bild 1905 erwirbt und es in seinem Haus in Breslau aufhängt:
"Seine Hauptliebe war Kunst und er reiste viel im Lande rum, um Bilder von Künstlern zu kaufen."
Das sagt Friedmanns Großneffe und Erbe David Toren. Er ist 90 Jahre alt, lebt in New York und ist zur Auktion in London nicht angereist. Er ist beinahe blind, aber er hat "Zwei Reiter am Strand" noch vor seinem inneren Auge:
"Es ist das einzige Bild, an das ich mich erinnern kann. Ich war damals, als ich es das letzte Mal sah, 13 Jahre alt."
Friedmanns Kunstsammlung landet bei Gurlitt
Dies ist am Tag der Reichspogromnacht, am 9. November 1938. Wenig später beschlagnahmen die Nazis Friedmanns gesamte Kunstsammlung und der Liebermann landet später, neben zahlreichen anderen Werken, zunächst beim Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, der dem NS-Regime nahesteht, und schließlich bei dessen Sohn Cornelius.
Seit den 1960er-Jahren galt der Liebermann als verschollen, sagt Lucian Simmons, Leiter der Restitutionsabteilung von Sotheby’s, vor der Auktion:
"Die Nazis haben versucht, die Erinnerung an David Friedmann auszulöschen und seine Errungenschaften zu zerstören. Wir können demonstrieren: Dieser Mann hatte einen hervorragenden Geschmack, denn dies ist ein unglaubliches Bild."
Ausgerechnet der Brief eines Nazi-Funktionärs dokumentiere, so Simmons, dass sich der Liebermann in Friedmanns Besitz befunden habe. Doch trotz dieses Nachweises, trotz der unzweifelhaften Einordnung als Raubkunst, trotz der Taskforce nach dem Fund bei Gurlitt zieht sich die Rückgabe hin – so lange, dass David Toren die Bundesregierung sogar verklagt:
"Die Bilder wurden gefunden im Februar 2012. Es sind bis jetzt erst zwei Bilder an Erben zurückgegeben worden. Das ist ein Skandal!"
Stattlicher Erlös
Das zweite restituierte Bild ist "Sitzende Frau" von Henri Matisse, das die Familie des jüdischen Kunstsammlers Paul Rosenberg zurückerhielt. Da es im Fall des Liebermanns neben Toren drei weitere Erben gibt, entschließen diese sich zur Auktion des Bildes. "Zwei Reiter am Strand" steckt noch in seinem Originalrahmen, und nach einer Reinigung leuchten die Farben wieder, sagt Sotheby’s-Kunsthistorikerin Schiffer:
"Diese Geschichte haftet an dem Bild, aber das meine ich jetzt nicht negativ, sondern im positiven Sinne."
Und diese Geschichte erhöht offenbar auch den Wert gerade dieses Liebermann-Werkes, das gestern Abend schließlich für fast das Dreifache des maximalen Schätzwertes unter den Hammer kommt, an einen bislang unbekannten Bieter am Telefon – für umgerechnet rund 2,6 Millionen Euro:
Aber auch der stattliche Erlös kann das Leid von David Toren nicht nachträglich lindern. Seine Eltern: vergast in Auschwitz, ebenso wie die einzige Tochter seines Großonkels David Friedmann. Der stirbt 1942 in Breslau, von den Nazis seiner Kunst und seiner Menschenwürde beraubt.
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