Aus den Feuilletons

Kriegskostümierung im Konsum

Ein Junge spielt in Uniform im Moskauer Gorki Park auf einem Panzer der Sowjetarmee.
Ein Junge spielt in Uniform im Moskauer Gorki Park auf einem Panzer der Sowjetarmee. © picture alliance / dpa / Maxim Shipenkov
Von Tobias Wenzel |
Mit "Pomp und Paraden" wird am 9. Mai in Russland der Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg gefeiert. Dazu werden gerne Uniformen der Roten Armee getragen, schreibt die "FAZ": "Weltkriegssiegeskostümierung" sei derzeit sehr beliebt.
Säuglinge in Kriegsuniform, Sklavenretterin auf Geldschein, päpstliche Barmherzigkeit für rassistische Katholiken, Geldverdienen mit Blödsinn – dieser Feuilleton-Montag hat es in sich!
"Der Popmusiker Andrej Makarewitsch meldet bestürzt, im Supermarkt seines Wohnorts trügen in diesen Tagen sämtliche Verkäuferinnen Pilotenmützen wie aus dem Zweiten Weltkrieg."
So schreibt die Russland-Expertin Kerstin Holm in der FRANKFURTER ALLGMEINEN ZEITUNG.
"Er habe die Frauen sarkastisch gefragt, warum sie nicht gleich Helme und Waffen trügen, berichtet Makarewitsch. Woraufhin die Angestellten beschämt die Augen niedergeschlagen und erklärt hätten, ihnen sei diese Kostümierung befohlen worden."

Russland feiert die deutsche Kapitulation

An diesem Montag werde in Russland die deutsche Kapitulation im Zweiten Weltkrieg "mit Pomp und Paraden" gefeiert. "Weltkriegssiegeskostümierung" sei gerade besonders beliebt im Land:
"Kinder-Khaki-Uniformen mitsamt Garnisonsmütze, Rotem Stern und Sankt Georgs-Ordensband sind im Internet-Handel der Hit. Die kleinste Größe des Gesamtoutfits für Einjährige ist für 24 Euro zu haben. Von Eltern hört man, ihre Sprösslinge seien vom Posieren als Soldaten begeistert."
Von Maskerade-Kindersoldaten zu echten Kindersklaven:
"Sie selber war eine Sklavin, die mit fünf Jahren nachts auf das schlafende Baby ihrer weißen Herren aufpassen musste. Wenn sie einnickte, wurde sie verprügelt."
Das schreibt Hannes Stein in der WELT über Harriet Tubman. Das Konterfei der Frau, die Sklaven zur Flucht verhalf, sei bald auf jedem neuen 20-Dollar-Schein zu sehen und ersetze damit den bisher abgebildeten rassistischen Präsidenten Andrew Jackson.
"Ein Symbol, dass es in der Geschichte vielleicht – wenigstens manchmal – doch einen Fortschritt hin zu mehr Humanität gibt."

Ist Papst Franziskus ein Förderer der Piusbrüder?

Einen Rückschritt in Sachen Humanität konstatiert Christian Beyer in der FAZ dagegen bei: Papst Franziskus. Der wolle nämlich die Piusbrüder kirchenrechtlich anerkennen. Also jene Priestervereinigung katholischer Traditionalisten, die für ihre Verbindung zu Rechtsradikalen bekannt ist.
"Wie bitte, der Sponti-Papst ein Förderer der Piusbrüder?", formuliert Beyer, was viele Leser denken dürften, und schreibt sich in Rage. Mit seiner "Schwamm-drüber-Barmherzigkeit" begegne der Papst auch den Piusbrüdern, die sowohl die "Aussöhnung mit dem Judentum" als auch "die Anerkennung der Religionsfreiheit" ablehnten, also genau das, was die offizielle Katholische Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil schriftlich festgehalten hat.
Diesen Widerspruch umgehe der Papst einfach auf sophistische Weise. In den Worten des FAZ-Autors:
"Wo die Logik der Integration alle anderen Logiken außer Kraft setzt, geht es sehr schnell sehr unbarmherzig zu."

Flatrate für E-Books

Wie einige Menschen unbarmherzig Geld verdienen und das noch ohne Mühe, erfährt man von Michael Moorstedt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Es geht um eine Flatrate für E-Books bei Amazon, die Hobbyautoren geschrieben haben. Das Lesegerät Kindle sendet dem Unternehmen Informationen darüber, wie viele Leser bis zu welcher Seite welches E-Book gelesen haben. Daraus wird berechnet, wieviel Geld die jeweiligen Autoren bekommen. Allerdings können die E-Book-Reader wohl nicht zwischen gelesenen und überblätterten Seiten unterscheiden. Und das nutzten Betrüger aus, wie Moorstedt erklärt:
"Statt handfeste Liebesschmöker zu schreiben, füllen sie ihre E-Books reihenweise mit Nonsens-Text und versehen das Inhaltsverzeichnis mit einem Link, der den Leser zur letzten Seite führt. Und wenn man auf diese Seite klickt, registriert Amazon alle dazwischenliegenden Seiten automatisch als gelesen."
Damit nähmen die Betrüger den redlich arbeitenden Hobbyautoren einen beachtlichen Teil ihrer Tantiemen weg. Und zwar jeden Monat "einen Millionenbetrag".
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