Aus den Feuilletons

Der sensible Sender

04:10 Minuten
WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn tragt eine Schutzmaske mit WDR-Logo.
WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn weiß, dass Worte kränken können. © IMAGO / Future Image/ C.Hardt
Von Klaus Pokatzky · 17.03.2021
Audio herunterladen
Der WDR hatte in letzter Zeit nicht immer ein glückliches Händchen, was Debatten über Rassismus angeht. Um so schöner, wenn sich Programmdirektor Jörg Schönenborn im "Tagesspiegel" mit hehren Worten zitieren lässt.
"Wie wir sprechen, welche Worte wir benutzen, wie wir Dinge nennen", lesen wir im Berliner TAGESSPIEGEL, "das ist ein großes Thema in unserer Gesellschaft." Und in der Kulturpresseschau sowieso.
"Täglich fühlen sich Menschen durch Worte tief gekränkt, ohne dass die, die es auslösen, das merken", sagt im Interview Jörg Schönenborn, Programmdirektor beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) in Köln. "Dafür zu sensibilisieren, das ist unsere Aufgabe."
Das ist milde formuliert; denn es ist die gesetzliche Verpflichtung des Westdeutschen Rundfunks, "die Würde des Menschen zu achten und zu schützen", wie es im "WDR-Gesetz" heißt – genauso wie dieses Bekenntnis zu unserer Verfassung für das Deutschlandradio gilt.
Was unser Grundgesetz und seine Werte angeht, sind wir nicht neutral - Gott sei dank! "Viele Menschen deutscher Herkunft halten Rassismus nicht für ihr Problem", sagt Jörg Schönenborn noch in dem Interview. "Sie befassen sich einfach nicht damit. Aber Zusammenleben kann eben nur gelingen, wenn man sich auch auf die Perspektiven der anderen einlässt." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Deutschland und das verbindende Narrativ

"Mittlerweile hat etwa ein Viertel der in Deutschland lebenden Menschen einen Migrationshintergrund. Tendenz steigend", steht in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Damit sind die Deutschen herausgefordert, eine positive Identität ihrer selbst zu formulieren – und selbstbewusst mitzuteilen", schreiben die Politikwissenschaftlerin Caroline König und der Historiker Jörg Hackeschmidt.
"Deutschland muss – angesichts des doppelten Kraftakts der inneren Wiedervereinigung wie der Wandlung zum Einwanderungsland – eine positive Identität, ein verbindendes Narrativ entwickeln." Und dabei vielleicht auf solche überflüssigen modischen Akademikerwörtlein wie "Narrativ" verzichten. Unser Grundgesetz etwa erzählt in recht einfachen Worten von Menschenrechten.

Quote für die Redaktionen

"In Deutschland haben rund 40 Prozent der Jugendlichen einen Migrationshintergrund", erfahren wir aus dem TAGESSPIEGEL. "Trotzdem arbeiten in den Redaktionen noch immer hauptsächlich weiße Deutsche", berichtet Joana Nietfeld über ein "Handbuch für Diversität" der Initiative "Neue deutsche Medienmacher:innen", wobei vor dem "innen" natürlich ein Doppelpunkt gesetzt ist, damit die Sprache hundertfünfzig Prozent korrekt klingt.
Die Initiative fordert jetzt in den Redaktionen "eine 30-Prozent-Quote" für Medienschaffende aus Einwandererfamilien. Der Kulturpressebeschauer freut sich, wenn damit auch die Quote von fast hundert Prozent an Akademikerinnen und Akademikern in den Redaktionen abgeschafft wird. Dann sind wir auf einem wirklich guten Wege und erzählen weniger Narrative.

Mehr Menschen machen mehr Ideen

"Menschen haben ihre besten Ideen nicht, wenn sie alleine vor einem Bildschirm sitzen", heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zum Heimbüro. "Wenn man während einer Konferenz willkürlich Leute in einen Raum steckt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie zusammenarbeiten und etwas Neues entwickeln, sehr viel größer", sagt Carl Benedikt Frey im Interview.
"Das funktioniert auch an anderen Orten. In der Firmenkantine. In der Kneipe." Aber in Corona-Zeiten funktioniert das alles natürlich nicht. Und nach Corona? "Alles deutet darauf hin, dass die meisten Menschen ein Hybridmodell wollen", deutet Wirtschaftshistoriker Carl Benedikt Frey ein Mischmodell der Zukunft an, "bei dem sie zwei oder drei Tage die Woche aus der Ferne arbeiten. Und Callcenter, bestimmte Bereiche in Banken und ähnlichen Branchen werden verstärkt auf Fernarbeit setzen."
Journalismus braucht aber Nähe.
Mehr zum Thema