Aus den Feuilletons

"Der Kontrollwahn ist anmaßend"

Der Künstler Georg Baselitz steht vor einem Porträt seiner Frau.
Die "FAZ" gibt Georg Baselitz Schuld an dem Streit um das Kulturgutschutzgesetz. Der Künstler ist hier im Haus der Kunst in München vor einem Porträt seiner Frau ("Elke 1") zu sehen. © dpa-picture-alliance / Tobias Hase
Von Gregor Sander · 14.07.2015
Unsere Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit dem umstrittenen Kulturgutschutzgesetz. Die "FAZ" hat in dem Streit einen Künstler als Schuldigen ausgemacht.
"Der Kontrollwahn ist anmaßend."
Mit diesem Gerhard-Richter-Zitat überschreibt die Tageszeitung DIE WELT Meinungsäußerungen zum geplanten Gesetz der Bundesregierung, dass die Ein- und Ausfuhr von Kunst innerhalb der EU überwachen soll. Zu Wort kommen Künstler aber auch Sammler, wie Arend und Brigitte Oetker, die fragen:
"Ist das 'deutsche', also demnächst schützenswerte Kunst? Wir haben immer wieder Kunst geschenkt, unter anderem ans Busch-Reisinger-Museum in Harvard, im vergangenen Jahr ans MoMA in New York - wer maßt sich an, uns das zu genehmigen oder zu verbieten?" Gerhard Richter hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben: "Eigentlich müsste ich jetzt auch meine Dauerleihgaben aus den Museen zurückziehen. Aber ich glaube, naiverweise vielleicht, noch immer daran, dass dieses Gesetz so gar nicht in Kraft treten wird."
Julia Voss von der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG hat in diesem Streit, aber einen ganz anderen Schuldigen ausgemacht: Georg Baselitz, der wie sie schreibt in dieser Sache die PR-trächtigste Krachmaschine angeworfen hat. Denn nützen würde sein angedrohter Dauerleihgabenabzug nur dem Künstler selbst. Julia Voss empfiehlt genauer zu lesen:
"Dafür genügt ein Blick auf die Internetseite der Staatsministerin. Nur Kulturgut heißt es dort, das 'dauerhaft in den Bestand einer solchen Einrichtung eingegliedert wurde, sei als nationales Kulturgut zukünftig geschützt'. Bei einem Leihvertrag sei 'dies natürlich nicht der Fall, da solche Werke nicht, in den Bestand eingegliedert' sind."
Das neue Buch der US-Autorin Harper Lee: "Go Set a Watchman" in einer Londoner Buchhandlung
© picture alliance / dpa
Harper Lees neues Buch als "literarische Sensation"
Also viel Lärm um nichts? Diese Gefahr besteht auch beim zweiten großen Thema der Mittwochfeuilletons:
"Es ist eine literarische Sensation, die die Amerikaner in Aufregung versetzt.",
schreibt Anne Burgmer in der BERLINER ZEITUNG zum Erscheinen der zweiten Romans der 89-jährigen Harper Lee.
Der erste, "Wer die Nachtigall stört", erschien 1960, wurde mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet und in 40 Sprachen übersetzt. Das Manuskript von „Gehe hin, stelle einen Wächter" galt als verschollen. Jetzt erscheint es mit großem Medienrummel fast zeitgleich in den USA und bei uns und Wieland Freund fragt in der WELT auch sorgenvoll: "Am Ende stellt das Buch die Frage, ob der Klassiker, der aus ihm wurde, 2015 noch als Schullektüre taugt." Anne Burgmer stöhnt in der BERLINER ZEITUNG entsetzt: "Es droht nicht weniger als die Zerstörung einer Ikone. Atticus Finch, glänzendes Vorbild, ins nationale Gedächtnis gebrannt auch durch die grandiose Darstellung Gregory Pecks in der Verfilmung aus dem Jahr 1962, Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit – dieser Atticus Finch ist in dem neuen Buch ein Mann, der Schwarzen abspricht, gleichwertigen Anteil an der Gesellschaft zu haben."
Ja so ist das, wenn Entwürfe plötzlich Romane werden, möchte man ihr antworten und vielleicht stellt ja Sarah-Maria Deckert im Berliner TAGESSPIEGEL die einzig richtige Frage: Und Harper Lee? Die, so weiß Deckert, "lebt heute blind und taub in einem Pflegeheim in ihrem Heimatort Monroeville, Alabama. An ihr Erstlingswerk konnte sie sich zuletzt nicht einmal mehr erinnern". Wohl kein Schelm, der da hauptsächlich an das Geldverdienen mit einem berühmten Namen denkt.
Zwei berühmte Namen haben sich bei YouTube getroffen. Florian Mundt, der dort als LeFloid eine Community von 2,5 Millionen Abonnenten hat, befragte Angela Merkel, was Joachim Huber im TAGESSPIEGEL so kommentiert: "Da bleibt kein Minütchen für vertieftes, streitiges Nachhaken, was schade ist, weil Angela Merkel weder ihre Antworten so filibustert, dass der Fragezeitraum immer kleiner und kleiner wird, noch weil sie ausweicht. Sie sagt, was sie zu sagen hat, LeFloid wirkt, obwohl er in der Offensive des Fragenden ist, im Nachteil – er kann aus den Aussagen Merkels keine neue Fragen generieren."
Aber einmal war die Kanzlerin sogar witzig, meint Michael Hanfeld in der FAZ: "Als LeFloid fragt, ob sie Whistleblower für wichtig halte und ihnen nicht eventuell nacheifern würde", antwortet Merkel: "Ich kann mir für mich eine solche Tätigkeit nicht vorstellen."
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