Aus den Feuilletons

Das große Schweigen

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Die Berliner Philharmoniker müssen weiter nach Chefdirigent suchen. © dpa picture alliance/ Britta Pedersen
Von Gregor Sander · 12.05.2015
Die Feuilletons berichten über die gescheiterte Wahl eines neuen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker. Die "SZ" schreibt, es sei klug, dass die Philharmoniker sich nun an das Schweigegebot halten, damit die Namen, die eine Rolle gespielt haben, nicht verschlissen werden.
"Alles Spekulationen, Kaffeesatzleserei",
stöhnt Christine Lemke-Matwey in der Wochenzeitung DIE ZEIT und stürzt sich in die Berichterstattung zur gescheiterten Wahl eines neuen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker.
"Nein, es redet niemand",
schreiben auch Wolfgang Schreiber und Renate Meinhof von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG.
"Sie halten sich an das Schweigegebot, das sie sich selbst auferlegt haben, die Berliner Philharmoniker, und das ist klug so. Damit nicht alles zerredet wird, damit die Namen, die am Montag eine Rolle gespielt haben, bloß nicht verschlissen werden."
Christine Lemke-Matwey von der ZEIT sieht das ganz anders:
"Welcher Spitzendirigent möchte sich einem solchen Hickhack ein zweites Mal aussetzen? Worum geht es hier überhaupt: um die Selbstüberschätzung einzelner Musiker oder um die Verantwortung eines Leuchtturms der klassischen Musik?"
Jan Brachmann von er FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG gibt zu bedenken:
"Wer jetzt spottet: 'Es kreißen die Berge, zur Welt kommt ein lächerliches Mäuschen', der muss auch sagen, wer in diesem Fall die Berge sind. Die Philharmoniker sind es nicht. Zeitungen, Rundfunkanstalten und Internetforen haben seit zwei Jahren 'Kandidaten' präsentiert, porträtiert und favorisiert, die das Orchester gar nicht offiziell benannt hatte."
Keine neuen Dirigenten
Neue Dirigenten werden im kommenden Jahr allerdings nicht dazukommen, meint Brachmann lapidar und vermutet:
"Vielleicht ist man sich erst jetzt über den Ernst der Lage klargeworden."
Die Überschrift in der SZ lautet:
"Wir üben noch"
Eine andere Überschrift fällt in der BERLINER ZEITUNG ins Auge:
"Brüste und Filme":
Anke Westphal klärt auf:
"In diesem Jahr ist alles anders in Cannes: Frauen werden dort nicht allein ihre Brüste zeigen dürfen in sexy Outfits, sondern auch ihre Filme."
Das Filmfestival eröffnet erst zum zweiten Mal in 68 Jahren mit dem Film einer Regisseurin. „La tête haute" von Emmanuelle Bercot läuft allerdings außer Konkurrenz.
"Catherine Deneuve spielt darin eine Jugendrichterin. Na also, geht doch,"
urteilt auch Susanne Oswald in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG um dann leicht sarkastisch hinzuzufügen:
"Immerhin zwei Regisseurinnen, Valerie Donzelli mit 'Marguerite & Julien' und Maiwenn mit 'Mon roi', sind im neunzehn Filme umfassenden Wettbewerb vertreten."
Die Jury hat in diesem Jahr zwei Vorsitzende, aber das geht bei den Coen-Brüdern ja auch nicht anders. Außerdem mit dabei die Schauspielerinnen Rossy de Palma, Sophie Marceau und Sienna Miller, ihr amerikanischer Kollege Jake Gyllenhaal die Regisseure Guillermo del Toro und Xavier Dolan, sowie die malische Komponistin Rokia Traoré.
"Der Puls des Kinos scheint in diesem Jahr in Frankreich und Italien am heftigsten zu schlagen, diese Länder sind am stärksten im Programm vertreten,"
meint David Steinitz in der SZ. Einen deutschen Wettbewerbsfilm gibt es in diesem Jahr übrigens nicht.
Kein Tag ohne eine Tatort-Meldung
Es vergeht eigentlich kein Tag ohne eine Tatort-Meldung im deutschen Feuilleton. Diese hier ist aus dem TAGESSPIEGEL:
"Beliebt ist die ARD-Krimiserie einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Magazins 'Stern' zufolge vor allem bei den Ostdeutschen und bei den über 60-Jährigen (jeweils 62 Prozent)."
Dann müssten doch die über 60-Jährigen Ostdeutschen alle Tatort gucken, oder?
Man kann mit den Alter aber auch anderes anfangen, wie der 61-jährige Patrick Stewart beweist. Er reichte seine 149 Seiten lange Doktorarbeit an der University of British Columbia ohne jede Interpunktion ein.
"'In einem', wie Stewart der National Post sagte, 'langen, von vorne bis hinten fortlaufendem Satz.',
berichtet die TAZ begeistert und nennt das
"grammatikalischen Widerstand."
Stewarts Begründung ist allerdings viel einfacher:
"'Es steht nichts zur Formatierung und Interpunktion in den Regeln.'"
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