Aus den Feuilletons

Castorfs Abschied an der Berliner Volksbühne

Vor der Volksbühne in Berlin sitzen und stehen am 21.05.2017 zahlreiche Besucher. An dem Theater wird Abschied von der Intendanz von Frank Castorf gefeiert.
Vor der Volksbühne in Berlin sitzen und stehen zahlreiche Besucher. © imago stock&people
Von Gregor Sander · 29.06.2017
Die 25 Jahre dauernde Intendanz von Frank Castorf geht am Wochenende mit einem Straßenfest zu Ende. Wer alle 69 Stücke von Castorf an der Berliner Volksbühne gesehen hat, hat nach Berechnungen der "Welt" 250 Stunden mit Castorf verbracht.
"Das gefragteste Faltengesicht Hollywoods,"
nennt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Bryan Cranston, der in "Breaking Bad", den Walter White spielte und durch diesen drogenkochenden Chemielehrer tatsächlich weltberühmt wurde. Der Anfang seiner Karriere war selbstverständlich ganz simpel:
"Schuld war natürlich ein Mädchen,"
erzählt Cranston der SZ.
"Ich war 19 und im zweiten Jahr an der Uni und wollte mal in den Schauspielkurs reinschnuppern, um zu sehen, was die da so machen. Der Dozent verteilte Zettel mit kleinen Spielübungen, die wir jeweils zu zweit vorführen sollten. Und zufälligerweise stand neben mir dieses wunderschöne Mädchen. Wir bekamen einen Zettel auf dem stand: Ein Paar macht auf einer Parkbank miteinander herum."
Und zack, wollte Cranston natürlich Schauspieler werden.
Frank Castorf, Intendant der Volksbühne in Berlin
Frank Castorf, Intendant der Volksbühne in Berlin© dpa / picture alliance / Claudia Esch-Kenkel
Mit wem Frank Castorf in 25 Jahren als Intendant so rumgemacht hat, listet die Tageszeitung DIE WELT akribisch auf. Wir könnten die Namen hier jetzt natürlich wiederholen, machen wir aber nicht. Dafür müssen Sie sich die WELT schon selber kaufen. Nachgezählt hat Matthias Heine in seiner
"letzten Liebeserklärung in Stichworten"
auch, wer die meisten Stücke in dieser Ära, die am Samstag endet, inszeniert hat. Natürlich Castorf himself. 69 waren es und trotzdem ist der Autor überrascht, denn
"Wer alle gesehen hat, hat nach Berechnungen der 'WELT' erstaunlicherweise nur 250 Stunden mit Frank Castorf verbracht."
Ganz müde vom Trauern um das Ende der jetzigen Volksbühne ist auch Rüdiger Schaper im Berliner TAGESSPIEGEL, und so gibt er einfach Entwarnung für die Zukunft:
"Herbert Fritsch geht an die Schaubühne, Castorf arbeitet am Berliner Ensemble und René Pollesch am Deutsche Theater. Der Dampfer sinkt. Niemand geht unter. Am Ende bleibt die Farce. Es ist alles gesagt und getan, von allen."

Früher war mehr Barrikade

Ganz anders ist das beim G 20 Gipfel, der beginnt ja erst in einer Woche, aber die TAZ lässt schon jetzt ihre Kolumnisten los, die darüber berichten sollen. Die klingen allerdings erstaunlich spannungslos. Silke Burmester findet beispielsweise körperliches Gefallen an den vielen Freunden und Helfern in der Gastgeberstadt Hamburg:
"Abgesehen davon, dass bislang jeder einzelne Beamter den G 20 an diesem Ort als völligen Bockmist einschätzt, war keiner dabei, der nicht ausnehmend gut aussieht. So Kalendermann- ich-ziehe-Monat-für-Monat- meine-Uniform-mehr-aus gut."
Alexander Nabert nimmt den zu erwartenden Protesten schon mal den revolutionären Wind aus den Segeln, wenn er deren Auswirkungen in der TAZ so einschätzt:
"Die Politik der Gipfelteilnehmer wird sich nicht ändern und der Kapitalismus nicht in sich zusammenbrechen. Selbst dann nicht, wenn superkritische Manifeste direkt vor dem Tagungsort von brennenden Barrikaden verlesen würden oder die Limousinen der Staatschefs wegen Blockaden etwas Verspätung hätten."
Früher war mehr Barrikade in der TAZ, denkt man da und blättert weiter in die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, in der die Schriftstellerin Monika Maron bekennt:
"Links bin ich schon lange nicht mehr."
Ganzseitig legt Maron ihre Aversion gegen Merkel, gegen den Islam, aber auch gegen Martin Schulz dar, und sie sorgt sich um die AFD:
"Warum ist es links, wenn einer Partei, die demokratisch legitimiert in dreizehn Landtagen und demnächst wahrscheinlich im Bundestag sitzt, Tagungsräume verweigert werden, wenn die Arbeitsplätze ihrer Mitglieder gefährdet sind, ihre Wohnhäuser angegriffen, ihre Autos abgefackelt und sie selbst zusammengeschlagen werden? Und warum, bin ich rechts, wenn ich das undemokratisch, dumm und brutal finde."
Aber warum möchte Maron denn partout nicht rechts sein?, fragt man sich an dieser Stelle, bevor die folgende Überschrift in der SZ die ganze Aufmerksamkeit beansprucht:
"Die Zukunft der Gurke und die Kritik des Schaumweins."
steht da. Was das zu bedeuten hat, können wir hier leider nicht mehr klären, nur so viel sei gesagt:
"Zwei neue Bücher zur Theorie und Kultur des Essens wollen verschlungen werden."
Na dann: Guten Hunger!
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