Aus den Feuilletons

Tollpatschig für die Gerechtigkeit

Ankunft von Bär Paddington in der Londoner Paddington Station. Der Bär lehnt aus dem Zug und winkt.
Ankunft von Bär Paddington in der Londoner Paddington Station. © picture alliance / dpa / PA Edmond Terakopian
Von Ulrike Timm · 28.06.2017
Die Feuilletons erinnern heute an den Schöpfer eines kleinen Bären mit Strohhut und blauem Dufflecoat. Vor mehr als 60 Jahren erfand Michael Bond Paddington - jetzt ist Paddingtons Schöpfer mit 91 Jahren gestorben.
"Im Foyer der Personalvermittlung grüßt die Besucher ein Reisfeld. Mehrmals im Jahr kann – dank Innenraumklima – Reis geerntet und gedroschen werden."
Wir befinden uns mit der Neuen Zürcher Zeitung in einem japanischen Bürohochhaus.
In den Obergeschossen ranken Tomaten über den Konferenztischen, und im Sekretariat wird Brokkoli angebaut. Obst, Gemüse und Getreide werden im Haus geerntet, in der hauseigenen Cafeteria zubereitet und verspeist, eine architektonisch ausgeklügelte Licht- und Klimaregie macht's möglich, und Ulf Meyer hat für die NZZ von der Büroernte gekostet.

Gemeinsames Gießen stärkt vor die soziale Interaktion

Weltweit entdecken Architekten das Grün in Gebäuden, und in diesem japanischen Büroturm konnten sie sich ausleben. Wie sinnvoll das sei, fragt die NZZ, und erhält ziemlich profane Antworten, wo man, an einem wenig begrünten Arbeitsplatz werkelnd, womöglich Romantischeres erhofft hat: In Japan verbringen die Menschen noch mehr Zeit drinnen als anderswo, das gemeinsame Pflanzen und Gießen stärke vor allem die soziale Interaktion, und der Krankenstand sei gesunken. "Vom Pult zur Ernte in einer Minute" titelt die NZZ, zeigt ein bürotauglich irgendwie übermanierlich gepflegtes ReisfeldRegal und kommt zu diesem Schluss:
"Vielleicht liegt das Gespür für naturbezogenes Bauen auch in der japanischen Sprache begründet. Die Schriftzeichen für 'Haus' und 'Garten' bedeuten zusammengenommen 'Heim'".
Aus Berlin gibt es stadtplanerisch nichts Gutes zu berichten, meint die ZEIT. "Wo niemand flaniert" - so knapp kann man das Terrain des Kulturforums seit Jahrzehnten beschreiben, allem Verschönerungsflickwerk zum Trotz herrscht hier statt Urbanität eher Ödnis. Ein neues Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts soll hier entstehen, das böte die Chance, etwas zu ändern, aber diese Chance wird nach derzeitiger Planung vertan, meint Thomas E. Schmidt und drängt auf eine komplette Neuausschreibung. "Generationen von Berlinern würden es ihrer Stadt danken", lesen wir in der ZEIT.
Vielleicht sollte man erstmal ein kleines temporäres Gemüsebeet anlegen, zum gemeinsamen Hegen, Gießen und Ernten zwecks Stärkung sozialer Interaktion?

Was lockt Touristen in einen Polizeistaat?

Ebenfalls in der ZEIT lesen wir von "Abenteuerreisen in Schurkenstaaten". Der amerikanische Student Otto Warmbier hatte so einen Trip nach Nordkorea gemacht, und er hat ihn mit dem Leben bezahlt. Was lockt Touristen in einen so abgeschotteten Polizeistaat, fragt sich Autor Jens Jessen, und lotet in seinem Artikel die ganze Bandbreite an Zwiespältigkeit aus, die sich mit solch einer Tour verbindet. Es sei eine gewisse Schauerromantik, die anziehe, meint Jessen, und formuliert eine ziemlich steile These, Zitat:
"Nordkorea-Reisen sind besser als Bungee-Jumping. Sie sind wie Bungee-Jumping mit zugesichert unsicherer Reißfestigkeit des Seils – höchstwahrscheinlich stürzt man nicht ab, aber möglich wäre es."
Unverdrossene Zuversicht
Der greise Bond grüßt lächelnd mit der Hand.
Der Autor der Kinderbuchreihe "Paddington Bär", Michael Bond, am 23.11.2014 am Leicester Square in London bei der Premiere der "Paddington"-Verfilmung.© DPA / EPA / HANNAH MCKAY
Schließen wir freundlich und mit zärtlicher Erinnerung an den Schöpfer eines kleinen Bären mit Strohhut und blauem Dufflecoat, der aus dem fernen Peru an einem Londoner Bahnhof ankam. Vor mehr als 60 Jahren erfand Michael Bond Paddington – "mit seinem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, seiner unverdrossenen Zuversicht und seiner Tollpatschigkeit, die ihn in immer neue Bredouillen bringt". Das steht in der FAZ.
Und die WELT schreibt über den legendären Plüschbären: "Irgendwann muss er zu sprechen begonnen haben, und damit hörte er nicht mehr auf. Im April erschien der vorerst letzte Band von Bärenerzählungen. Dank seiner für einen Peruaner erstaunlich britischen Vorlieben (Bitterorangenmarmalade!) und seiner herrlichen Frechheit, die Erwachsene entlarvte und Kinder entzückte, wurde der legendäre Streuner bald über Großbritannien hinaus weltberühmt."
So schreibt die WELT in ihrem Nachruf auf den Schriftsteller Michael Bond. Jetzt ist Paddingtons Schöpfer mit 91 Jahren gestorben.
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