Aus den Feuilletons

Alles sieht wieder aus wie immer

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Die Sanierungsarbeiten der Neuen Nationalgalerie in Berlin-Tiergarten begannen 2015 und stehen kurz vor dem Abschluß. Die Generalinstandsetzung wurde durch Chipperfield Architects koordiniert.
Noch stehen Absperrgitter vor der sanierten Neuen Nationalgalerie in Berlin-Tiergarten. © IMAGO / Ralf Pollack
Von Tobias Wenzel · 28.04.2021
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Die Neue Nationalgalerie in Berlin ist saniert worden, 140 Millionen Euro hat das gekostet - und die "Neue Zürcher Zeitung" kann keine Differenz zum Zustand vor der Sanierung entdecken. Für die FAZ macht hingegen das Licht den Unterschied.
"Jetzt sieht eigentlich alles wieder aus wie immer. 140 Millionen Euro später", schreibt Nana Demand Bahlmann in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG über ihren Eindruck von der abgeschlossenen Sanierung der Neuen Nationalgalerie in Berlin.
Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, nun zusammenzucken und denken: "So viel Geld für nichts? Davon hätte man lieber Schokolade kaufen und sie im Volk verteilen sollen; jeder hätte dann sogar zwei Tafeln erhalten!", dann sollten Sie zur Beruhigung Niklas Maaks Artikel zum Thema lesen. "Vor allem nachts sieht man schon von weitem, dass sich etwas geändert hat", schreibt er in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.

Wie ein seltener Ferrari in die Einzelteile zerlegt

"Das Licht, das aus dem Bau in die Nacht fällt, strahlt heller als bisher." Warum die Renovierung von Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie durch den britischen Architekten David Chipperfield so viel Geld gekostet hat, erklärt Maak so: "Der Mies-Bau wurde gewissermaßen wie ein seltener alter Ferrari in seine Einzelteile zerlegt und wieder originalgetreu zusammengebaut."
Bei einem Museumsgebäude ist das nur etwas aufwändiger und kostspieliger als bei einem Ferrari. Bei der Sanierung habe es auch böse Überraschungen gegeben, erzählt Chipperfield im Gespräch mit Nicola Kuhn vom TAGESSPIEGEL. Die Qualität des Betons etwa habe sich als "miserabel" herausgestellt. Dabei sei Mies davon überzeugt gewesen, "dass eine neue Architektur durch neue Technologien möglich" sei.

"Männer sterben häufiger an Covid-19"

"Die Moderne löst Krisen am liebsten im Dreieck von Naturwissenschaften, Technik, Industrie", sagt Thea Dorn im Gespräch mit der ZEIT. "Allerdings stellt sich dann die Frage, was überhaupt noch das genuine Feld von Politik ist." Adam Soboczynski hat mit Dorn und deren Schriftstellerkollegen Juli Zeh und Daniel Kehlmann über "den angemessenen Umgang mit dem Ausnahmezustand" in Coronazeiten gesprochen.
Kehlmann widerspricht der Behauptung, alle Maßnahmen der Coronapolitik seien "von der Wissenschaft vorgegeben und alternativlos": "Als Gesellschaft treffen wir doch ständig kollektive Vorentscheidungen, welche Maßnahmen wir überhaupt für diskutabel halten", sagt Kehlmann:
"Es ist unbestritten, dass Männer häufiger an Covid-19 sterben als Frauen. Man würde die Pandemie schneller besiegen, wenn man erst die Männer, dann die Frauen in jeder Altersgruppe impfen würde. Aus nachvollziehbaren gesellschaftlichen Gründen wird das in keinem demokratischen Land auch nur diskutiert."

Mythengläubige Regierung in Indien

Den Luxus, in der Pandemie mal nicht wissenschaftliche Erkenntnisse zu befolgen, kann sich Indien eigentlich nicht mehr leisten. 300.000 Menschen erkranken pro Tag nachweislich an Covid-19. Und das habe auch mit der "mythengläubigen Regierung" zu tun, erläutert der Indologe Axel Michaels in der FAZ.
So werde jetzt wieder das Kumbh-Mela-Fest begangen, "die größte Massenversammlung der Welt", bei der Menschen im Ganges baden, um Unsterblichkeit zu erlangen. In Wirklichkeit würden sich die geschätzten 20 Millionen Pilger einer erhöhten Sterblichkeit aussetzen.
Regierungspolitiker hätten aber Warnungen von Wissenschaftlern ignoriert: "Der neue Premierminister von Uttar Pradesh, Tirath Singh Rawat, sagte noch am 9. März, dass es keine Behinderungen für Pilger geben und die Göttin Ganga (der personifizierte Fluss) über Covid-19 triumphieren werde", schreibt Michaels. "Prompt setzte die indische Eisenbahn viele zusätzliche Züge ein, um die Pilger nach Haridwar zu fahren."

Fünf Stunden lesen und immer noch "kein Plan"

Zum Schluss schnell noch etwas Komisches über deutsche Abiturienten. Die kontaktieren vermehrt über Facebook und Co. Autoren, wenn deren Texte Grundlage von Prüfungsaufgaben sind, berichtet Moritz Baumstieger in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Erklär mal Habitus, nach 5 Stunden lesen immer noch kein Plan", schrieb ein Schüler einem Autor. Und ein anderer: "Junge, benutz doch Wörter, die es im Wörterbuch gibt, du H0nd!"
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