Attentat auf Johannes Paul II. vor 40 Jahren

Als Maria dem Papst das Leben rettete

06:16 Minuten
Papst Johannes Paul II. fährt am 13. Mai 1981 in einem offenen Fahrzeug an einer Menschenmenge auf dem Petersplatz in Vatikanstaat vorbei und hält ein kleines Kind auf dem Arm.
Vor den Schüssen: Papst Johannes Paul II. kurz vor dem Attentat am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz. © picture alliance / ansa
Von Gunnar Lammert-Türk · 09.05.2021
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Vor 40 Jahren hielt die Welt den Atem an, als auf dem Petersplatz in Rom Schüsse fielen: Das Attentat auf Johannes Paul II. entsetzte nicht nur Gläubige. Doch der Papst konnte seinem Angreifer vergeben.
30.000 Besucher der Generalaudienz von Johannes Paul II. sahen am 13. Mai 1981, wie der Papst zusammenbrach. Mehmet Ali Agca, ein türkischer Profikiller, hatte aus nur wenigen Metern Entfernung geschossen. Er war als Priester getarnt.

"Um diesen Mann müssen wir uns kümmern"

Was hatte ihn zum Attentat am 13. Mai 1981 bewogen? Hatte ihn jemand beauftragt? So viel war klar: Die Führung der sozialistischen Staaten sah in Karol Józef Wojtyła jemand, der ihre Macht gefährdete. Der Historiker Michael Feldkamp bemerkt dazu:
"Als er 1978 gewählt worden ist, war für den Ostblock völlig klar: Um diesen Mann müssen wir uns kümmern. Es war jetzt ein höchstgefährlicher Moment für die Sowjetunion: mit dem Besuch in Polen, die Unruhen durch Solidarność, durch die Streiks in den Lenin-Werften in Danzig, wo man jetzt merkte: Es gibt Handlungsbedarf und wir müssen schauen, wie gehen wir auch generell mit diesem Mann um?"
Dafür beschloss die Kommunistische Partei der Sowjetunion im November 1979 Maßnahmen. Zum Beispiel verbreitete man diffamierende Falschinformation über Johannes Paul II. und den Vatikan in den eigenen Medien und im westlichen Ausland. Man mobilisierte den Geheimdienst gegen die Osteuropapolitik des Papstes. Deren Stoßrichtung wurde bereits auf seiner ersten Polenreise im Juni 1979 evident, als der Papst vor Millionen seiner Landsleute darum bat, der Geist Gottes möge Polen verwandeln. Die Polen verstanden ihn. Ein Jahr später war die Solidarność aktiv.

Geheimdienste gegen Johannes Paul II.

Auf seiner zweiten Reise nach Polen 1983 besuchte Johannes Paul II. Solidarność-Führer Lech Wałęsa. In Polen herrschte damals Kriegsrecht, und der Papst rief seinen Landsleuten zu: Gebt nicht auf! Steht zusammen! Habt keine Angst! Es ist daher durchaus plausibel, wenn der Theologe und Kirchenhistoriker Stefan Samerski von einer Kooperation kommunistischer Geheimdienste zur Beseitigung des Papstes spricht:
"Die Welt ist aufgeteilt in bestimmte Bereiche. Für jeden Bereich ist ein Geheimdienst eines bestimmten Ostblockstaates zuständig. Für den südeuropäischen Bereich ist eben Bulgarien zuständig. Also, wenn dieses Attentat vom Kreml angeordnet und gewollt wurde, muss das der bulgarische Geheimdienst umsetzen."
Papst Johannes Paul II. trifft am 27. Dezember 1983 im römischen Gefängnis Ribibbia mit seinem Attentäter, dem Türken Mehmet Ali Agca, zusammen.
Im Gespräch mit dem Attentäter: Papst Johannes Paul II. trifft im Dezember 1983 Mehmet Ali Agca im Gefängnis Ribibbia.© picture-alliance / dpa / UPI
Der habe Mehmet Ali Agca angeheuert. Dazu beauftragt worden sei er vom sowjetischen Militärgeheimdienst GRU. Zu diesem Ergebnis kam unter anderem ein Untersuchungsausschuss des italienischen Parlaments. Doch dafür gibt es bis heute keinen letztgültigen Beweis, dafür aber noch andere, sich widersprechende Theorien.

Projektil in der Marienkrone

Johannes Paul II. überlebte den Anschlag um Haaresbreite. Das Attentat fand am Gedenktag der Erscheinung der Gottesmutter Maria im portugiesischen Fatima statt. Ihr schrieb Johannes Paul II. seine Rettung zu, sagt Stefan Samerski:
"So hat er schon kurz nach seiner Genesung sein blutbeflecktes Zingulum nach Fatima geschickt und hat, als er dann die Pilgerreise nach Fatima gemacht hat, dort diese Attentatskugel der Muttergottes dargebracht. Die wurde dann in die Krone dieser Marienstatue eingefügt."
So dankte Johannes Paul II. ein Jahr nach dem Attentatsversuch, am 13. Mai 1982, der Gottesmutter von Fatima. Sein Pontifikat hatte er unter dem Motto "Totus Tuus", "Ganz der Deine", Maria geweiht.
In einer Tonbandbotschaft des Papstes an die Pilger auf dem Petersplatz, aufgenommen vier Tage nach dem Attentat im Krankenhaus, erneuerte er dieses Versprechen. In dieser Botschaft sprach er auch von Mehmet Ali Agca, dem Mann, der auf ihn geschossen hatte. Er sagte: "Ich bete für den Bruder, der mich verwundet hat und dem ich aufrichtig verzeihe."

Vergebung für den Attentäter

Am 27. Dezember 1983 besuchte er den zu lebenslänglicher Haft Verurteilten im Rebibbia-Gefängnis in Rom, um ihm zu vergeben. Zu Beginn des Gesprächs, so wurde es überliefert, sagte Mehmet Ali Agca, er habe Angst vor der Rache der Muttergottes von Fatima. Darauf entgegnete der Papst, ihn beruhigend:
"Die Muttergottes hat keine Rachegedanken. Auch Ali Agca könnte sich an die Muttergottes wenden, denn jeder Moslem hat ja Verständnis für Marienverehrung. Die Maria kommt ja auch im Islam vor und die Jungfrauengeburt ist ja auch Teil eigentlich der Überlieferung des Korans."
Über die von ihm verehrte Gottesmutter sprach der Papst seinem potenziellen Mörder, einem Muslim, Trost zu. Er schrieb Maria, wie dem Christentum überhaupt, eine weltverändernde Kraft zu. In dieser Gewissheit rang er um den Wandel in Osteuropa. Am 10. Jahrestag des Attentatsversuchs, am 13. Mai 1991, fuhr Johannes Paul noch einmal nach Fatima und dankte der Gottesmutter für den Fall des Kommunismus und für seine persönliche Rettung.
Er sprach sie an als "Mutter der Nationen durch die unverhofften Wandlungen, die den zu lange schon unterdrückten und gedemütigten Völkern Vertrauen gegeben haben; als meine Mutter von jeher, und besonders an jenem 13. Mai 1981, an dem ich neben mir deine rettende Gegenwart gespürt habe."
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