Arundhati Roy: "Azadi heißt Freiheit"

Widerstand mit Worten

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Cover des Buchs "Azadi heißt Freiheit" von Arundhati Roy. Über das beige Cover mit teilweise roter Schrift fliegt ein gezeichneter, schwarzer Vogel.
Bekannt wurde Roy durch ihren Roman „Der Gott der kleinen Dinge“. Nun legt sie zehn Essays vor, in denen sie gegen die hindu-nationalistische Regierung Indiens schreibt. © Deutschlandradio / S. Fischer
Von Claudia Kramatschek · 06.11.2021
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Sie ist weltberühmt – und scharfe Kritikerin der indischen Regierung: Die Schriftstellerin Arundhati Roy spricht sich in ihrer neuen Essaysammlung "Azadi heißt Freiheit" gegen den Kurs der hindu-nationalistischen Modi-Regierung aus.
1997 machte ihr Roman "Der Gott der kleinen Dinge" die damals 36-jährige Schriftstellerin Arundhati Roy auf einen Schlag berühmt – und brachte ihr, der literarischen Debütantin, den Booker-Preis ein.
Es vergingen 20 Jahre, bis Roy ihren zweiten Roman veröffentlichte: 2017 erschien "Das Ministerium des äußersten Glücks". Die Jahre dazwischen waren gefüllt mit politischen Essays und Büchern, in denen Roy – de facto eine der unbestechlichen Denkerinnen der Gegenwart – Stellung nahm zu gesellschaftlichen wie politischen Vorkommnissen in ihrer Heimat Indien. Es sind Essays, die in ihrer Schärfe und ihrer schonungslosen Kritik ihresgleichen suchen.

Immer mehr Repressionen in Indien

Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr: Spätestens seit Ministerpräsident Narendra Modi 2019 wider Erwarten seine zweite Amtszeit angetreten hat, entwickelt sich Indien zu einem Staat, den man faschistisch nennen kann. Wer die Regierung kritisiert oder ihr nicht genehm scheint, wird mundtot gemacht oder gleich ganz beseitigt. Das gilt nicht nur für einfache Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für namhafte Intellektuelle, seien es Schriftsteller oder Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen oder Professoren.
In den nun vorliegenden zehn Essays, im Deutschen unter dem Titel "Azadi heißt Freiheit" zusammengefasst, setzt Roy sich mit ebendieser dramatischen politischen Drift auseinander, die sich in ihrer Heimat vollzogen hat. Denn das Land, das qua Konstitution als säkular gilt, steht seit 1998 unter Führung der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) – und damit einer Partei, die Indien in ein Land verwandeln will, das Heimat und Heimstatt einzig von Hindus sein soll. Hindutva lautet der Name für dieses ideologische Programm, das vor allem unter Modi in den vergangenen fünf Jahren in alle Bereiche der Gesellschaft vorgedrungen ist.

Ruf der Kaschmiris nach Freiheit

Roys Essays stammen deshalb aus den Jahren 2018 bis 2021. Sie zeigen auf, wie die Regierung durch widerrechtliche Gesetze Fakten schafft und das Antlitz Indiens bis zur Unkenntlichkeit entstellt. So sind vor allem Muslime nicht mehr willkommen in Indien und schon längst Ziel von mordenden Mobs, die unter den Augen der Regierung und der Polizei agieren.
Der zivile Widerstand gegen diese Form einer hierarchisierten Staatsbürgerschaft wächst. Sein Slogan lautet: Azadi, Freiheit! Einst der Ruf der Kaschmiris, tönt er nun auch aus den Mündern aller, die gegen die fortschreitende Entrechtung in Indien protestieren – und gegen eine Regierung, die angesichts einer katastrophalen Coronapolitik endgültig ihre unmenschliche Fratze offenbart hat.

Hoffnung auf eine bessere Welt

Auch Roys Essays sind eine ausdrückliche Form des Widerstands – und der Freiheit. Denn Roy denkt in ihnen nach über die eminente Rolle von Literatur und Sprache – angesichts eines Staates, der die öffentliche Rede usurpiert hat. Und der alle zu Feinden erklärt, die – wie Roy – nach Wahrheit streben und nicht den Glauben aufgeben wollen an eine zukünftige, an eine bessere Welt, auch in Indien.

Arundhati Roy: "Azadi heißt Freiheit"
Aus dem Englischen von Jan Wilm
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021
254 Seiten, 24 Euro

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