Neues Album von Arctic Monkeys

Zeugnis der Entfremdung vom Showbusiness

06:11 Minuten
Arctic-Monkeys-Sänger Alex Turner posiert auf der Bühne mit Gitarre und Mikrofon.
So geht Rock´n´Roll: Arctic-Monkeys-Sänger Alex Turner posiert auf der Bühne mit Gitarre und Mikrofon. © IMAGO / GlobalImagens / IMAGO / Rita Chantre
Von Robert Rotifer · 21.10.2022
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Sie waren vielleicht die erste große Gitarrenband, die in den sozialen Medien ihre Fangemeinde gefunden hat. Nun erscheint das siebte Album der Arctic Monkeys. Robert Rotifer hat mit Sänger Alex Turner über das neue Werk "The Car" gesprochen.
Wenige Bands der letzten Jahrzehnte haben so einen weiten Bogen der öffentlichen Reifung und Veränderung durchgemacht wie die Arctic Monkeys.
Ihre bisher letzte Album-Veröffentlichung war der Mitschnitt eines Konzerts 2018 in der Londoner Royal Albert Hall, in dem sie ihren ganzen Werdegang noch einmal auf der Bühne durchspielten: Von der pickeligen kleinen Indie-Band aus Sheffield zu Pomade tragenden, internationalen Rockstars mit Erstwohnsitzen in LA.
Fern der Bühne erscheint Alex Turner, Frontmann und Songwriter der Arctic Monkeys, als ruhiger, wortkarger Mann Mitte dreißig, der zu seinem parallelen Bühnen-Ich ein inniges, aber durchaus komplexes Verhältnis pflegt. „Ich habe diese Rockstar-Persona tief in meinem Herzen und werde das immer haben“, sagt er beim Interview in London.

"Wohin könnten wir sonst noch gehen?"

"Ehrlich gesagt herrschte Ende der letzten Tour das allgemeine Gefühl: 'Lasst uns auf Tour bleiben und die laute Version der Band sein'", sagt Turner. "Gleich nach der letzten Platte habe ich das vielleicht sogar probiert. Aber es sitzt einfach nicht richtig, so was wie das Album 'AM' von vor zehn Jahren noch einmal zu machen."
Es klinge wie eine Parodie davon, meint er noch und fügt hinzu. "Ich glaube nicht, dass wir zu dieser Version von uns zurückkehren können. Also ging es stattdessen um die Frage: 'Wohin könnten wir sonst noch gehen?'"

Opulent und doch intim

"Body Paint” ist wie der Rest der Songs auf „The Car“ opulent, aber gleichzeitig auch intim arrangiert; die Stimme ist frei vom zynischen Unterton des distanzierten Beobachters provinzjugendlichen Treibens, hinter dem sich Turner früher immer gern versteckte.
Die Körperbemalung, um die es hier geht, ist der künstliche Teint, den die beschriebene Figur noch vom letzten Covershooting auf der Haut trägt.
„Ich behalte mein Kostüm an und nenne es mein Schreibgerät“, singt Alex Turner und meint damit unzweifelhaft die erwähnte Rockstar-Persona.

Die Vergangenheit ziehen lassen

Das sind hörbar Beobachtungen aus eigener Erfahrung. Ein kleiner Blick auf die Banalität der Berühmtheit, wenn man selbst Teil und Zeuge ihrer Inszenierung ist.
"In der Vergangenheit wollte ich nichts schreiben, das so verstanden werden könnte, als handelte es von meinen Lebensumständen", erzählt Alex Turner. "Aber diese Platte fühlt sich so an, als wüsste sie, dass sie eine Platte ist. Man hat das Gefühl, als ginge es im Hintergrund um die Vorbereitung irgendeiner großen Produktion. Wir machten selbst im Studio einen langen Prozess durch, in dem alles immer wieder neu nachgezeichnet wurde, und das brachte vielleicht diese Grundidee zum Vorschein."

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Man könnte sagen, dass dieses Album von einem Ziehenlassen der Vergangenheit durchzogen ist. Man blickt zurück über die eigene Schulter, während man in eine andere Richtung geht.

Entfremdung vom Showbusiness

In seiner Ganzheit lässt sich „The Car“ also als ein Konzeptalbum über Alex Turners eigene, schleichende Entfremdung vom Showbusiness auslegen. Ein potenziell abgehobenes Thema, gerettet vom immer noch intakten Sinn des vielleicht besten britischen Pop-Texters seiner Generation für lebhafte Wortbilder und gesunde Selbstironie.

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Insofern ist es auch stimmig, dass diese hörbar große, teure Produktion in ihrer souligen, schimmernden Perfektion weder vor den Kopf stößt, noch mit großen Refrains um breite Zustimmung buhlt.
"Mir ist gerade bewusstgeworden, dass ich weniger Platten verkaufen werde", stöhnt Alex Turner am Ende des Interviews.
Das mag durchaus sein, aber der aufgeschlossenere Teil des mit ihm erwachsen gewordenen Publikums wird die zunehmende Subtilität seines Schaffens umso mehr zu schätzen wissen.
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