Arbeitsbedingungen bei Filmfestivals

Fest ohne Feste

05:25 Minuten
Mehrere Menschen stehen mit Plakaten vor einem Kino und demonstrieren. Auf einem steht beispielsweise: "Glanz und Glamour, Stars im Licht. Die Kinobeschäftigten sieht man nicht."
Jobs in den Filmbranche sind oft prekär: Während der Berlinale 2022 demonstrieren Beschäftigte für bessere Arbeitsbedingungen in den Kinos. © imago images / Future Image / Jean MW
Von Christian Berndt · 28.01.2023
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Der Fachkräftemangel trifft auch Filmfestivals. Die Branche hat ein womöglich hausgemachtes Nachwuchsproblem: Für anspruchsvolle Aufgaben bietet sie oft wenig Geld und kaum feste Stellen.
Ein Bild aus den heiteren Tagen vor Corona: Die Berlinale 2018 wird mit voll besetztem Saal eröffnet. So soll es wieder werden – die Filmfestivalsaison hat im Januar fast wie damals begonnen, die Festivals sollen ohne Coronaauflagen stattfinden. Und die Hoffnungen, dass es wieder so werden könnte wie früher, sind durchaus berechtigt. Denn anders als die Kinos, denen immer noch mehr als ein Drittel der Zuschauer fehlt, haben viele Festivals regen Zulauf:
„Es gibt sogar Festivals, die haben bessere Zahlen als vor Corona“, sagt Ludwig Sporrer von der AG Filmfestival. „Aber ich würde für den Großteil der Festivals sagen, dass sie bei vier Fünftel, 80 bis 90 Prozent der Zahlen sind.“

Nachwuchsproblem in der Festivalbranche

Trotzdem hätten die Festivals Probleme, sagt Sporrer, nicht nur wegen Inflation und Energiekrise:

Festivals haben in der Tat teilweise ein Nachwuchsproblem. Man merkt es, wenn neue Leitungen ausgeschrieben werden, dass es sehr viel schwieriger ist, Einsteiger zu finden. Fachkräftemangel ist ja in Deutschland ein allgemeines Problem, gerade im Kulturbereich, auch nach Corona.

Ludwig Sporrer, AG Filmfestival

Aber das sei, meint Sporrer, kein neues Problem. Festivals werden von hoch qualifizierten, aber oft unterbezahlten Beschäftigten gestemmt:
„Bei den Filmfestivals gibt es Tätigkeiten, wo man hohe Expertise in einem ganz kleinen Bereich hat, aber der für einen kurzen Zeitraum im Jahr notwendig ist, also für zwei, drei Monate. Das heißt, es gibt Spezialistinnen, die von Festival zu Festival fahren, was natürlich in jungen Jahren sehr spannend ist, weil man viel herumkommt, aber im Lauf der Jahre immer schwieriger wird.“

Gute Arbeit, aber wenig Geld

Deshalb hat Sporrer 2016 mit anderen Festivalleiterinnen die Initiative „Festivalarbeit gerecht gestalten“ ins Leben gerufen, die schließlich in der Arbeitsgruppe Festivalmitarbeiter*innen bei ver.di aufging. Das Ziel: die Arbeitsbedingungen der Betroffenen zu verbessern, betont Kathlen Eggerling, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di in Berlin. Sie war bei der Gründung der Arbeitsgruppe mit dabei:

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„Ich kann auf alle Fälle sagen, dass sich bei der Gründung die Beschäftigten als prekär bezahlt empfunden haben, die haben das ja auch und betreiben das immer noch mit Leidenschaft. Und das wird auch bestätigt durch die Umfragen, die wir gemacht haben. Es gibt immer eine relativ hohe Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen, aber wenn gefragt wird nach Einkommen, dann gibt es da die Unzufriedenheit. Die meisten Festivalbeschäftigten sind hochgebildet und machen da ganz anspruchsvolle Jobs, und das steht mit dem Einkommen in keinem Verhältnis.“

Filme als Vorbild

Vieles hat sich seit 2016 verändert. Viele Festivals stehen zwar durch Corona, Energiekrise und durch die Inflation unter Druck. Aber sie habe auch erlebt, dass die Festivals zum Teil ganz, ganz kreativ werden und verschiedene Modelle entwickelt haben, mit dem wenigen Geld trotzdem gerecht umzugehen, sagt Kathlen Eggerling.
Ein weiteres gutes Signal sieht Eggerling in der Gründung des ersten Filmfestival-Betriebsrats letzten Dezember beim Filmfest Hamburg. Dario Becker, Betriebsrat beim Filmfest Hamburg, erzählt:
„Ich kuratiere unter anderem ein Filmprogramm von uns, wo wir Filme mit politischen Themen versammeln. Und wenn man den ganzen Tag auch politische Filme anschaut, fragt man sich natürlich irgendwann: Warum organisieren wir uns eigentlich nicht mal selber, wenn wir den ganzen Tag Arbeiter*innen zuschauen, wie sie sich organisieren?“

Privileg Betriebsrat

Genau genommen, sagt Dario Becker, sind auch die Berlinale-Mitarbeiter organisiert. Aber nur, weil das Festival zur GmbH „Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin“ gehört, deren Betriebsrat für alle zugehörigen Institutionen zuständig ist. Einen eigenen Betriebsrat gibt es auch bei der Berlinale nicht:
„Es ist auch ein Privileg, einen Betriebsrat gründen zu können in der Festivalbranche. Man braucht, um sich überhaupt zu organisieren, laut Betriebsverfassungsgesetz mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer*innen. Und wir sind über das ganze Jahr sechs Festangestellte, also sind wir gerade so drüber gekommen. Und deshalb ist es eben ein Privileg, das überhaupt zu können, weil viele andere Festivals diese Situation überhaupt nicht vorfinden.“

Wider die Selbstausbeutung

Aber in dieser Hinsicht wird sich vielleicht noch einiges tun. Denn die Jobsituation sieht für junge Menschen wie Dario Becker, die einen Großteil der temporär Beschäftigten bei Filmfestivals ausmachen, heute weit besser aus als noch vor 20 Jahren:
„Wenn ich mich in meinem Freundeskreis und in meiner Altersbubble umschaue, dann ist da auf jeden Fall ein starkes Bewusstsein dafür, dass man sich so eine Selbstausbeutung nicht gefallen lassen muss. Weil es aber eben auch andere Optionen gibt. Diese Generation Praktikum, das kenne ich nur so vom Hörensagen auf jeden Fall.“
Trotzdem scheint Festivalarbeit weiterhin auf viele einen solchen Reiz auszuüben, dass es bei den deutschen Filmfestivals immer noch Zulauf gibt. Ein viel größeres Problem, sagt Ludwig Sporrer, ist die mangelnde finanzielle Ausstattung der Festivals. Da sehen die Festivalschaffenden vor allem die Politik in der Pflicht.
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