Gewinner der Filmfestspiele Venedig

Populär statt mutig

06:45 Minuten
Filmemacherin Laura Poitras hält den Goldenen Löwen für den besten Film "All the Beauty and the Bloodshed" in den Händen.
Gewinnerin Laura Poitras bei der Abschlusszeremonie der Filmfestspiele von Venedig. © picture alliance / ap / Domenico Stinellis
Patrick Wellinski im Gespräch mit Gabi Wuttke · 10.09.2022
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Den Goldenen Löwen erhielt ein Dokumentarfilm, die wichtigsten Preise gingen an amerikanische Filmstars - Venedig bot dieses Jahr wenig Raum für die Kunst, findet unser Filmredakteur. Allein ein französischer Debütfilm sticht heraus.
Die 79. Ausgabe der internationalen Filmfestspiele ist zu Ende gegangen. Den goldenen Löwen 2022 bekam im Wettbewerb der 23 Kandidaten der einzige Dokumentarfilm verliehen: "All the Beauty and the Bloodshed" der US-amerikanischen Regisseurin Laura Poitras.

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Der Goldene Löwe für ein aktivistisches Leben

Laura Poitras porträtiert in ihrem Film Nan Goldin. Die US-Künstlerin ist eine Ikone des New Yorker Undergrounds der Siebziger- und Achtzigerjahre. Es geht um Goldins Lebensgeschichte: Suizid der Schwester, Flucht aus dem Elternhaus.
Und es geht um Goldins aktuelle Bemühungen, gegen die Oxycodon-Hersteller-Familie Sackler vorzugehen, die für die Opioidkrise in den Vereinigten Staaten mitverantwortlich gemacht wird. Nan Goldin war selbst abhängig von den Schmerzmitteln dieses Herstellers.
"Ich rechne es Laura Poitras hoch an, dass sie selbst ihren eigenen Aktivismus zurücknimmt und das Leben der Protagonistin Nan Goldin nach vorne stellt," bilanziert unser Filmredakteur Patrick Wellinski. "Wobei der Film selbst natürlich viele aktivistische Botschaften enthält. Es ist also auch ein Preis an ein aktivistisches Leben."
Wellinski hätte sich allerdings einen Spielfilm als Gewinner gewünscht: "Dokumentarfilme im Wettbewerb von Kunstfestivals sind immer eine schwierige Entscheidung." Solche Preise suggerierten, dass Realitätsbeschreibungen eines Dokumentarfilms interessanter und besser sind als unterschiedliche Formen der Fiktion. Die aber doch, so Wellinski, viel tiefer in unsere Seelen schauen könnten.

Preise für bestes Schauspiel

Die Darstellerpreise gingen dieses Jahr an bekannte Namen: Cate Blanchett wurde als Komponistin mit Gotteskomplex in dem Film "Tár" ausgezeichnet.

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Colin Farrell bekam den Preis als bester Schauspieler für seine Rolle in der irischen Komödie "The Banshees of Inisherin".

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Für Wellinski stehen die Auszeichnungen für eine Jury, die "sehr stark an populärem Kino interessiert" war und einen "Hang zu amerikanischem- oder englischsprachigem Kino" hatte. "Unbefriedigend" findet das unser Kinoredakteur: "Das halte ich für vorbei gedacht an einem Kino, das sich als Kunst versteht."

Französisches Debüt als "Kunst in Reinform"

Der Große Preis der Jury ging an die Französin Alice Diop mit ihrem Debüt-Film "Saint-Omer". "Sehr intelligent gemacht, mit dramaturgischen Kniffen fast schon radikal erzählt", urteilt Patrick Wellinski. In dem Gerichtsdrama wird ein Mord verhandelt: Eine Migrantin soll ihr 15 Monate altes Kind umgebracht haben.

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"Alles scheint klar zu sein", so Wellinski, "doch dieser Prozess führt dann eigentlich den französischen Rassismus vor, wie die Gesellschaft diese Frau nie akzeptiert hat."
Dieser Film frage "ganz klarsichtig", was es bedeutet, eine Migrantinnen-Biografie zu haben und dann eine Mutterschaft und einen Neuanfang in diesem neuen Land zu beginnen. "Alice Diop steht fast in Reinform für dieses Kino, das sich als Kunst versteht."
Der Spezialpreis der Jury ging an den inhaftierten iranischen Filmemacher Jafar Panahi. Sein Film "No Bears" ist "ein hoch intelligentes und humoristisches Vexierspiel darüber, welche unterschiedlichen Grenzen es im Iran gibt. Der Filmemacher als Gefahr, dessen Blick die Grenzen überschreitet."

"Es fehlen die mutigen Filme"

Es war ein Festival der "spaltenden Filme", bilanziert Wellinski, was für ein "mittelmäßiges Programm" spreche. Der künstlerische Leiter Alberto Barbera habe mit seiner Liebe gegenüber den amerikanischen Filmstars und der amerikanischen Filmproduktion das Festival zwar "sehr populär gemacht".

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Aber: "Das Kino als Kunstform gerät unter die Räder", zeigt sich Wellinski enttäuscht, "und es fehlen die mutigen Filme im Wettberwerb."
(mfied)
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