Antisemitismus

Wenn Juden sich selbst hassen

Tuvia Tenenbom
Eckt gerne mal an: der israelisch-amerikanische Publizist Tuvia Tenenbom © picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Sergey Lagodinsky im Gespräch mit Ernst Rommeney · 01.11.2014
Im Buch "Allein unter Juden" beschreibt der Publizist Tuvia Tenenbom den alltäglichen Antisemitismus in Israel: unter Moslems, Journalisten oder auch einigen Juden selbst. Ein Buch, das polarisiert - und einem auf den Nerv gehen kann, meint unser Rezensent.
Was für ein Aufruhr: Als der deutsch-amerikanische Publizist und New Yorker Theaterleiter Tuvia Tenenbom im Jahr 2012 sein Buch "Allein unter Deutschen" veröffentlichte, stand er damit sofort auf den Bestsellerlisten. In seinem Buch attestierte er vielen Deutschen einen kaum verhohlenen Antisemitismus. Sein Witz wurde gelobt, seine Zuspitzung und plakative Art kritisiert.
Jetzt hat Tuvia Tenenbom es wieder getan, nur ist er diesmal durch sein Geburtsland Israel gereist. Das Ergebnis ist ein Buch mit dem Titel "Catch the Jew" und steht in Israel seit vielen Wochen auf den Bestsellerlisten. Darin beschreibt er antisemitische Moslems, er beschreibt antisemitische europäische Hilfsorganisationen und vorurteilsbeladene Journalisten - und er beschreibt von Selbsthass zerfressene Juden.
Folgen von 2000 Jahren Judenverfolgung
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Buchcover: "Catch the Jew" von Tuvia Tenenbom© Suhrkamp Verlag
"Dieses Buch ist einerseits eine sehr tendenzgeleitete Übung. Andererseits ist es ein eklektisches, stakkatoartig geschriebenes Buch. Und diese Stakkato-Interviews gehen dem Leser, der an den Themen wirklich interessiert ist, manchmal auf den Nerv", sagte unser Rezensent, der jüdische Publizist Sergey Lagodinsky. Tenenbom lasse "die Themen, die spannend wären, häufig einfach so im Raume stehen. Die aufgeworfenen Fragen werden unterbrochen, häufig mit physiologisch bedingten Notwendigkeiten."
In seinen Interviews führt Tenenbom den Selbsthass vieler Juden auf 2000 Jahre Verfolgung zurück. Weil viele Juden damit nicht umgehen könnten, reagierten sie – wie Entführungsopfer – mit einer Art Stockholm-Syndrom: "Wenn jeder behauptet, ich sei böse, ich sei hässlich, ich sei ein Dieb, ich sei ein Mörder, ich sei gerissen und sei geldgierig, dann bin ich das wohl. Wie kann ich mich davon reinigen? Indem ich einen anderen Juden suche und erwische, der etwas Falsches tut", sagt Tenenbom.
"Viele Erkenntnisse sind nicht neu"
In seinem Buch schildert Tenenbom absurde, komische und erschreckende Begegnungen. Dass viele in Israel ihn für einen Deutschen halten - Juden wie Muslime - nutzt er geschickt, um seinen Gesprächspartnern Aussagen zu entlocken, die sie sonst nicht getroffen hätten. Dennoch bezweifele er, dass Tenenbom mit seiner Methode Erkenntnisse herauskitzelt, die man nicht in anderen Sachbüchern lesen kann, sagte Sergey Lagodinsky. Neu sei lediglich, wie er die Themen aufgreife.
"Ich glaube schon, dass dieses Buch ein Spiegel für diese (israelische) Gesellschaft ist. Jeder findet sich in diesem Buch selbst, in Form einer Karikatur der israelischen Gesellschaft", so Lagodinsky. Auch die Art, wie Tenenbom mit seiner Verantwortung als Autor umgeht, entspreche einer Karikatur von Literatur.
Die deutsche Übersetzung von Tuvia Tenenboms Buch "Catch the Jew" erscheint unter dem deutschen Titel "Allein unter Juden" im November im Suhrkamp Verlag.

Tuvia Tenenbom: Allein unter Juden. Eine Entdeckungsreise durch Israel
Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
473 Seiten, 16,99 Euro

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