Angela Nagle: "Kill All Normies"

Amerika unter Trump: Die Kultur der bewussten Grenzüberschreitung

Angela Nagle: "Kill All Normies"
Angela Nagle: "Kill All Normies" © Zero Books
Von Nana Brink · 13.01.2018
Angela Nagle beschreibt die Methoden der amerikanischen Rechtspopulisten im Netz und erklärt, warum diese damit so erfolgreich sind. Trump hat diese Methoden perfektioniert.
Spätestens seit das Enthüllungsbuch "Fire and Fury" von Michael Wolff über die Zustände im Weißen Haus auch hierzulande hohe Wellen schlägt, wissen wir, wie chaotisch und planlos der derzeitige Präsident der Supermacht USA seine Regierung führt. Und wir wissen mehr über seinen ehemaligen Einflüsterer: Steven Bannon. Donald Trump hat zwar mit der Gallionsfigur der "Alt-Right"-Bewegung gebrochen, Bannons Einfluss auf das Erstarken rechts-populistischer und rassistischer Strömungen in der Vergangenheit ist jedoch nicht zu unterschätzen.
Hier trifft Angela Nagles Buch einen Nerv: "Kill all Normies - Online Culture Wars from 4chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right" beschreibt die Methoden der Rechtspopulisten und ihre ungeheure Wirkungsmacht in der momentanen kulturellen Landschaft der USA.

Waffen, Sex und Rassismus statt akademischer Korrektheit

Nagles Grundthese ist so kühn wie naheliegend: Die akademische "political correctness" – manifestiert in einer Person wie Barack Obama, der das Bild des "artikulierten, kosmopolitischen Amerikaners" inkarniert – findet seine Gegenbewegung in der "America First"-Politik seines Nachfolgers. Anders formuliert: Trumps Erfolg speist sich aus seinem offenen Kampf gegen eben jene Korrektheit, offen ausgetragen nicht nur in seinen Reden, sondern vor allem im Internet. Trump perfektioniert, was sich Jahre vorher angekündigt hat: die Kultur der bewussten Grenzüberschreitung, die eine ungeheure virale Dynamik entfaltet hat.
Die irische Kommunikationswissenschaftlerin Angela Nagle beschäftigt sich seit Jahren mit der Online-Präsenz der "Alt-Right"-Bewegung, die - das sei an dieser Stelle nur kurz erwähnt - beileibe keine homogene Strömung ist und die durch die gewalttätigen Demonstrationen in Charlottesville im August 2017 nur sichtbar geworden ist.
Plausibel wird ihre Theorie am Beispiel der Online-Plattform "4chan", auf der vor allem Bilder gepostet werden in so genannten "Imageboards". Die Themen reichen von Natur, Autos, Waffen, Erotik bis zu Politik. Ein Spiegel-Online-Artikel beschreibt die Wirkung von 4chan treffend so: "Ein abgründiger Ort, an dem Scheußlichkeiten, rassistische und sexistische Tiraden und Bilder weit jenseits der Grenzen des guten Geschmacks veröffentlicht werden. [...] Die Welt von 4chan ist dunkel und seltsam, wie das Innenleben eines verwirrten Provinz-Teenagers um drei Uhr morgens."

Rechte und Linke vor den Kopf gestoßen

4chan galt als Wiege der "Anonymous"-Bewegung, bis, wie Nagle beschreibt, rechte Ideen auf der Plattform überhand nahmen. Die permanente Grenzüberschreitung, eigentlich ein Phänomen einer links-anarchischen Kultur, wurde erfolgreich von der "Alt-Right"-Bewegung perfektioniert. Das Gleiches gilt übrigens nach Überzeugung von Nagle auch für Vorbilder, wie sich am Titel zeigt. Ähnlich wie linke Subkulturen opponieren auch die neuen Rechten gegen den Mainstream: "Kill all Normies!" Die Negierung dieser Erkenntnis, so Nagle, habe Hillary Clinton den Sieg gekostet.
Wer sich also auf den letzten Stand des viralen Kulturkampfes bringen will, ist bei Angela Nagle gut aufgehoben. Peinlich sind allerdings Fehler wie die falsche Schreibweise von Pat Buchanans Name, wohl aber einem eher schlampigen Lektorat geschuldet. Das Buch – mit seinen 136 Seiten fast ein Essay – stößt am Ende beiden Seiten des politischen Koordinatensystems vor den Kopf.
Wobei Nagle, die sich selbst im linken Spektrum verortet, prophezeit: "Will die Linke vorankommen, ist es an der Zeit, die ästhetischen Werte dieser Gegenkultur wegzulegen – und etwas Neues zu erfinden".

Angela Nagle: Kill All Normies. Online Culture Wars from 4chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right
136 Seiten, bislang nur auf Englisch erschienen
Zero Books (John Hunt Publishing)

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